Vorbereitung auf die Oberammergauer Passionsspiele

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Alle zehn Jahre finden im bayrischen Oberammergau die traditionellen Passionsspiele statt - das nächste Mal 2010. Schon jetzt beginnen die Proben für das Stück, in das ein Großteil des Dorfes miteingebunden ist. Mit der Zeit haben sich die Spiele auch zu einem Tourismusmagneten entwickelt.

"Der Hohe Rat nach rechts! Herodes auf die linke Seite, und Maria komm hier rüber!" Christian Stückl ist in seinem Element. Wild gestikulierend schickt der Regisseur der Oberammergauer Passionsspiele die Darsteller auf ihre Plätze. Monatelang hat er zusammen mit Dramaturg Otto Huber an den Texten für Christus gefeilt, hat mit Komponist Markus Zwink die Musik abgestimmt und mit Bühnenbildner Stefan Hageneier Kostüme und Spielszenen entworfen. Am Samstag fiel der Startschuss für die Leseproben zu den Passionsspielen 2010 - die heiße Phase des alle zehn Jahre wiederkehrenden weltberühmten Theaters vom Leiden und Sterben Jesu Christi hat begonnen.

Die 148 Frauen und Männer mit Sprechrollen sind etwas unsicher, als ihnen Theaterinspizient Martin Schuster zum ersten Mal die Textbücher in die Hand drückt. Jeder muss sich in die Anwesenheitsliste eintragen, denn erstens gibt es Probengeld und zweitens darf nächstes Jahr auf der Bühne nur mitmachen, wer regelmäßig bei den Proben dabei ist. "Geprobt wird täglich bis Weihnachten", sagt Schuster. "Dann ist ein paar Tage Pause, und ab Januar geht es draußen auf der Freilichtbühne voll weiter - egal, ob es schneit oder zehn Grad minus hat."

Für viele der Sprechrollen-Träger ist es eine Premiere, denn Spielleiter Stückl - es ist die dritte Passion unter seiner Regie - hat sein Hauptdarsteller-Team im Vergleich zu den Millenniumsspielen 2000 stark verjüngt. Viele, die im kommendne Jahr im Rampenlicht stehen werden, waren damals noch Kinder und liefen an der Hand ihrer Großeltern im Volk mit. Maximilian Stöger ist einer von ihnen. Mit dem Schauspiel begonnen hat der 20-Jährige als Bub im Weihnachtsspiel, das Stückl jedes Jahr mit den Kindern seines Dorfes aufführt. Der Student war im Krippenspiel das Teufelchen - der Deifi, wie sie im Ort sagen. Jetzt ist er der jüngste Petrus in der Geschichte der Oberammergauer Passionsspiele.

Das oberbayerische Gebirgsdorf der Herrgottschnitzer hat knapp 5.000 Einwohner. 2.400, darunter 650 Kinder, haben sich zum Mitmachen bei der Passion 2010 eingetragen. Mitspielen darf jeder, der in Oberammergau geboren ist oder seit 20 Jahren dort lebt, egal ob er katholisch, evangelisch oder anderen Glaubens ist. Um alle unterzubringen, baut Stückl eine zusätzliche Massenszene in den traditionellen Text ein. "Neben dem "Einzug in Jerusalem" und der "Empörung vor Pilatus" werden wir den "Rauswurf der Händler aus dem Tempel" größer machen." Auch eine neue Frauenrolle gibt es: "Bislang hatten wir nur Maria und Magdalena", erläutert der Regisseur, "nun gibt es auch Claudia, die Frau des Pilatus."

Während die Schauspieler erst jetzt mit dem Proben beginnen, sind die Musiker längst bei der Sache. "Die Zuschauer sind heute von der Technik sehr verwöhnt", weiß Dirigent Markus Zwink. "Viele glauben, dass wir eine CD abspielen. Das ist aber nicht so. Wir spielen alles live aus dem Orchestergraben heraus." Damit dies professionell klingt, studieren die Musiker schon seit Monaten die Partituren und machen Konzert-Workshops. Zwink ist als musikalischer Leiter verantwortlich für das Orchester und den 100-köpfigen Chor.

Die Bühne, die über 100 Jahre kalt und monumental wirkte, wird im kommenden Jahr hell und farbenfroh erscheinen, wie Bühnenbildner Hageneier verspricht. Der Boden ist bereits mit blauem Estrich ausgelegt, an den Wänden werden Bäume ihre grünen Äste ausstrecken. Dies soll die Inszenierung unterstützen, die 2010 erstmals in der fast 400-jährigen Geschichte der Passion bis in die Nacht hinein dauern wird. Deutlich farbiger als in früheren Inszenierungen werden auch die zwölf "Lebenden Bilder". Sie zeigen Darstellungen aus dem Alten Testament und passen sich zwischen den einzelnen Textpassagen in den Spielablauf ein.

Die Passionsspiele von Oberammergau gehen auf ein Pestgelübde aus dem Jahr 1633 zurück. Seit 1634 wird das Spiel vom Leiden und Sterben Jesu Christi regelmäßig aufgeführt, seit der Neuzeit alle zehn Jahre. 2010 werden etwa eine halbe Million Zuschauer zu gut 100 Aufführungen zwischen Mai und Anfang Oktober erwartet. Die Gemeinde als Veranstalter der Passionsspiele erwartet einen Reingewinn in zweistelliger Millionenhöhe.

INFO: http://www.oberammergau-passionsspiele.de/

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