"Elite von morgen"

Hipster: Mehr als nur Bart-Träger mit Retro-Kleidung

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Jugendforscher Ikrath erklärt Phänomen.

Kariertes Hemd, Vollbart und Retrobrille: Sogenannte Hipster sind kaum noch von den heimischen Straßen wegzudenken. Unter der modisch-trendigen Fassade finden sich aber auch ganz spezielle Wertehaltungen. "Sie sind die Elite von morgen", erklärte der Jugendforscher Philipp Ikrath bei einer Präsentation durch die Trendagentur "tfactory" am Mittwochabend in Wien.

Laut Ikrath, der sich seit mehr als einem Jahr wissenschaftlich mit dem Phänomen dieser Jugendkultur auseinandersetzt, stammen die Hipster vorwiegend aus der gesellschaftlichen Mittel- und Oberschicht. "Sie gehören einer gesellschaftlichen Gruppierung an, die über maßgebliche kulturelle Macht verfügt. Später, wenn sie erwachsen sind, die Bärte weg und die Jutesäcke im Müll gelandet sind, werden diese Menschen über reale Macht verfügen", prognostizierte der Forscher.

"Was sie am meisten fürchten ist der Mainstream"
Der bürgerliche Hintergrund der Hipster wirkt sich auch auf ihren Kulturgeschmack aus. Laut Ikrath begeistern sie sich eher für höhere Popkultur, Avantgarde und in eher bescheidenerem Ausmaß auch an der Hochkultur. "Was sie am meisten fürchten ist der Mainstream. Alles, was populär ist, sinkt bei ihnen im kulturellen Rang", so der Forscher. Beruflich fänden sich Hipster vorwiegend in kreativen Branchen. "Sie arbeiten etwa im Galeriewesen oder in der Werbung. Man könnte sagen, sie inszenieren sich gerne als Künstler, ohne selbst einer zu sein", sagte Ikrath.

Einhergehend mit der eigenwilligen und betont individuellen äußeren Erscheinung vieler Vertreter dieser Subkultur fühlten sich Hipster in Nischenthemen besonders wohl. "Das kommt daher, dass in unserer Wissensgesellschaft spezielle Kenntnisse gefragt sind und sie dadurch einen Machtvorsprung haben. Ein Hipster wird beispielsweise bei einem Fußballspiel kaum mitgrölen oder sich an Schlägereien beteiligen, sondern eher besondere Spielstatistiken zum Besten geben."

Anders als oftmals angenommen ist der Hipster kein neues Phänomen: Erste Aufzeichnungen dieser Jugendkultur finden sich im 1957 vom US-amerikanischen Schriftsteller publizierten Essay "The White Negro". "Die Hipster der 50er-Jahre bewegten sich eher an den Rändern der Gesellschaft. Sie bedienten sich der Symbole der Ausgegrenzten und sozial Schwachen, weil sie glaubten, dass diese ein freieres Leben führen", so Ikrath. Auch heute stehe der Individualismus bei Hipstern hoch im Kurs, mit Truckerkappen, Rauschebärten und Tattoos würden sie sich ebenfalls der Symbolik von früheren Randgruppen bedienen.

"Ein wichtiges Merkmal der Hipster ist aber ihre Gegenwartsbezogenheit: Trotz Retro-Accessoires gibt es für sie weder Zukunft, noch Vergangenheit. Sie leben nur im Hier und Jetzt", betonte der Wissenschafter. Eng damit verbunden ist auch die Ironie als typischer Charakterzug des Hipsters. "Man unterstellt ihnen dadurch oft, dass ihnen alles egal ist und sie über keine Werte verfügen. Dabei haben sie einfach nur im Hinterkopf, dass sich Ansichten ändern können. Das ist typisch für die heutige junge Generation: Sie sind keine stabilen Persönlichkeiten und leben nach dem Konzept der ständigen Weiterentwicklung und Neuorientierung", erklärte der Jugendforscher.

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