Über das Neue

Belvedere Chefkuratorin Luisa Ziaja im MADONNA-Talk

Teilen

Das Belvedere feiert heuer sein 300-jähriges Bestehen. Luisa Ziaja über ihre Arbeit mit 800 Jahren Kunstgeschichte an drei Standorten – und Kultur im Wandel bewegter Zeiten.   

Eine Reise durch 800 Jahre Kunstgeschichte kann man in Wien an drei nahe beisammen liegenden Standorten unternehmen – und das ist nur eine der vielen Besonderheiten, mit denen das Belvedere (im Oberen, Unteren und im Belvedere 21) seit nunmehr 300 Jahren aufwarten kann. Das Jubiläum wird heuer mit einem spannenden Programm, das die Brücke zwischen Tradition und Aufbruch im Sinne des „Goldenen Frühlings“ schlägt, gefeiert (alle Infos unter www.belvedere.at/300).

Zeitgenössisch ist jedenfalls die neue Schau „Über das Neue. Wiener Szenen und darüber hinaus“ im Belvedere 21, wo wir Chefkuratorin Luisa Ziaja (46) zum großen MADONNA-Gespräch trafen. Die in Polen geborene und in Deutschland aufgewachsene Powerfrau, die auch an der Universität für angewandte Kunst unterrichtet, ist seit 2022 in der führenden Position im Belvedere. Hier erklärt sie die Faszination ihres Berufs – und warum sie sich als feministische Kuratorin bezeichnet.

Luisa Ziaja im Talk mit Daniela Schimke in der Lucy Bar im Belvedere 21.

Luisa Ziaja im Talk mit Daniela Schimke in der Lucy Bar im Belvedere 21.

© J. Kernmayer
× Luisa Ziaja im Talk mit Daniela Schimke in der Lucy Bar im Belvedere 21.

Sie zeigen im Belvedere 21 derzeit die Schau „Über das Neue“ – was haben denn die letzten drei Jahre Neues für und in der Kunst gebracht?
Luisa Ziaja: Die Schau ist ja die Fortsetzung eines Projekts, das wir 2019 – also vor der Pandemie – begonnen haben, in dem wir uns der jüngsten Generation von Künstler:innen im lokalen Zusammenhang gewidmet haben. Die Pandemie hat viel Veränderung mit sich gebracht: auch und gerade für Künstler:innen. Unsere Zeit wurde und wird – verschärft auch durch den Ukraine-Krieg – als krisenhaft wahrgenommen. Existenzielle Themen sind wichtig geworden und Künstler:innen reflektieren unsere Gegenwart, unsere Realität, die Bedingungen, unter denen wir leben und arbeiten. Das Grundprinzip der Ausstellung 2019 war ja schon, eine Auswahl von künstlerischen Positionen zu zeigen sowie alternative Kunsträume einzuladen, Ausstellungen in der Ausstellung zu kuratieren. Wir haben also Akteur:innen aus den über 70 Kunsträumen, die es in Wien gibt, eingeladen, unseren Raum dafür zu nutzen, hier die Dinge zu zeigen, die sie wichtig finden. Diese sehr aktive Szene der alternativen Kunst zeichnet Wien besonders aus. In unseren Räumlichkeiten haben sie die Möglichkeit, ein ganz anderes Publikum und eine breitere Öffentlichkeit anzusprechen.

Sie sagen, es haben sich Arbeit und Blick der Künstler:innen verändert. Wie hat sich denn Ihr Blick verändert?
Ziaja: Existenzielle Fragen sind vielleicht noch einmal stärker in den Blick geraten, wie auch die Frage nach der Rolle des Museums als öffentlicher Ort.

Sie sind seit 2022 Chefkuratorin der Österreichischen Galerie Belvedere. War das immer Ihr großes Ziel?
Ziaja: Ich war zehn Jahre als Kuratorin für zeitgenössische Kunst am Haus tätig und arbeite seit über 20 Jahren in dem Feld. Bereits während meines Studiums habe ich mit Kolleg:innen einen Verein gegründet, um gemeinsam Ausstellungen zu kuratieren. Schon damals hat mich das Ausstellungmachen begeistert. In dem Bereich, in dem ich mit großer Leidenschaft über viele Jahre tätig bin, eine Führungsposition einzunehmen, empfinde ich als Privileg. Zudem schätze ich dieses Haus, das eine so großartige Sammlung in einer unglaublichen Bandbreite und eine komplexe Geschichte hat, sehr. Das Belvedere existiert seit 1903 und wurde als eine radikal zeitgenössische Institution gegründet. In gewisser Weise aktualisiert sich diese Gründungsgeschichte heute im Belvedere 21, das wir als einen Ort des künstlerischen und kuratorischen Experiments verstehen.

Ist es in der Kunstszene – gerade als Frau – auch wichtig sich zu vernetzen?
Ziaja: Unbedingt. Ich würde mich als feministische Kuratorin bezeichnen und das Thema der Vernetzung und gegenseitigen Unterstützung von Frauen halte ich für zentral. Zwar sind im Kulturbereich viele Frauen – auch in Führungspositionen – tätig, dennoch ist noch viel zu tun. In den letzten Jahren ist es viel selbstverständlicher geworden, darauf zu achten, dass in einer Gruppenausstellung nicht 80 Prozent männliche Künstler vertreten sind. Aber ich habe oft wahrgenommen, dass ich diejenige sein musste, die auf Ausgeglichenheit achtet.

Das Belvedere feiert heuer das 300 Jahre-Jubiläum. Was macht das Belvedere auch international betrachtet zu einem ganz besonderen Haus?
Ziaja: Zwei barocke Schlösser und eine Ikone der Nachkriegsmoderne als Standorte in Kombination mit einer Sammlung, die 800 Jahre Kunstgeschichte umfasst, machen die Österreichische Galerie Belvedere sicherlich auch im internationalen Zusammenhang zu einer einzigartigen Institution.

Was wird hier, denken Sie, in 300 Jahren zu sehen sein?
Ziaja: Die Werke der Sammlung haben ja zum Teil Jahrhunderte überdauert – das gibt uns die Gewissheit, dass es wohl auch in 300 Jahren noch Zeugnisse unserer heutigen Gegenwart geben wird.

Abschließend eine private Frage: Was hängt bei Ihnen zu Hause an den Wänden?
Ziaja: Auch in meinem privaten Umfeld spielt zeitgenössische österreichische und internationale Kunst eine große Rolle und ich teile diese Leidenschaft mit meinem Partner. Besonders lieb ist mir dabei eine Arbeit von Elaine Sturtevant, die sich Beuys und Warhol feministisch aneignet.

Das gesamte Interview finden Sie in der MADONNA Premium Ausgabe vom 29. April.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.
OE24 Logo
Es gibt neue Nachrichten