Diagonale 10: "Der Kameramörder" zur Eröffnung

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Es ist definitiv kein Lustspiel, was sich hier im Schilf auf der ungarischen Seite des Neusiedlersees abspielt. Aber Andreas Lust drückt dem Psychodrama "Der Kameramörder" rund um verschwundene Kinder und einen psychopathischen Snuff-Video-Freak durchaus seinen Stempel auf.

Gemeinsam mit der großartigen Dorka Gryllus sowie Merab Ninidze und Ursina Lardi stand der Star aus "Der Räuber" für die Verfilmung des Romans von Thomas Glavinic vor der Kamera. Der Film von Robert Adrian Pejo eröffnet am 16. März die Diagonale 2010. "Der Kameramörder" stellt zwei Paare in den Mittelpunkt, die rund um Ostern ein paar Tage gemeinsam verbringen. Die ruhige Szenerie wird durch ein im Internet auftauchendes Video gestört, in dem Nachbarskinder in der Nähe des Hauses gequält werden. Schritt für Schritt verändert sich die Welt der vier Personen, immer mehr zeigt sich, wie brüchig die Fassaden sind. Irgendwann verdächtigt jeder jeden - und die Polizei den undurchsichtigen Zyniker Heinrich (Lust), der auf Snuff-Videos, also die filmische Aufzeichnung von Morden, steht.

Manches in diesem Film wirkt so konstruiert wie das Designerhaus mitten im paradiesischen Idyll am Neusiedlersee, in dem sich die ehemaligen Freunde fast den ganzen Film über aufhalten. Die Sprache ist vor allem zu Beginn sehr künstlich, das Kinder-Thema omnipräsent, die Atmosphäre nie sonderlich entspannt. Doch mit jedem neuen Verdacht - sei es ein aufgetauchter roter Gummistiefel, seien es tote Katzen oder eine versteckte Kamera - weicht die Offensichtlichkeit der Konstruktion ein wenig und steigt die Anspannung in der Gruppe - und im Publikum.

"Es ist sehr erfreulich, wie die Leute in den Sitzen kleben und dem Film gebannt folgen", sagte Autor Glavinic der APA nach der Uraufführung und dem Regiepreis für Pejo in Budapest. Und tatsächlich packt einen die Inszenierung recht bald, hält einen in unsicherer Schwebe und hinterlässt das Gefühl, dass jederzeit etwas Grobes passieren könnte. Aus dem Drama wird ein Thriller, der ganz den Genre-Konventionen vergleichbarer US-Vorbilder folgt.

Dass man schließlich trotzdem etwas unbefriedigt aus dem Kino geht, hängt wohl auch damit zusammen, dass Pejo nicht das geringste Interesse zeigt, diesen Konventionen am Ende auch nachzugeben. "Man geht mit einer gewissen Erwartungshaltung rein, aber diese wollte ich auch brechen", erzählte Pejo im Gespräch mit der APA. "Der Film handelt auch davon, was in unseren Köpfen vorgeht" - und funktioniert über diese emotionale Verquickung quasi auch als Spiegel der Gesellschaft.

Für Andreas Lust stand die Eingesperrtheit beim "Kameramörder" im krassen Gegensatz zur wortlosen läuferischen Dynamik bei "Der Räuber". "Das war eine komplett andere Welt", meinte Lust. "Alles, was ich mir an Text im 'Räuber' aufgespart habe, bin ich im 'Kameramörder' doppelt losgeworden." Die österreichisch-schweizerisch-ungarische Koproduktion sei jedenfalls auch eine "einprägsame Erfahrung" und aufgrund von Verständigungsschwierigkeiten am ungarischen Set auch ziemlich unvergesslich gewesen.

Für Diagonale-Intendantin Barbara Pichler konfrontiert einen der Film mit dem "eigenen Medienverhalten". Nicht zuletzt aus diesem Grund wählte sie den "Kameramörder" zum Auftakt der zweiten Diagonale unter ihrer Ägide aus. Kinostart der Lotus-Filmproduktion ist zehn Tage später am 26. März.

INFO. http://www.diagonale.at; http://www.derkameramörder.at

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