Fratzen und Hexen beim Mullerlauf in Tirol

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Furcht erregende Fratzen mit dunklen Augenhöhlen, großen gebogenen Nasen und buschigen Bärten tanzen zum Lärm von Rasseln und Schellen im kalten Wind. Mullen heißt das höllische Spektakel mit heidnischen Wurzeln, das sich jedes Jahr im Februar in den Tiroler Orten Mühlau, Arzl, Rum, Thaur und Absam nahe Innsbruck abspielt.

Die sogenannten Martha-Dörfer gelten als der Ursprung des faszinierenden Fastnachtsbrauchs. Das große Mullerlaufen findet jedes Jahr in einem anderen Dorf statt. Am 7. Februar 2010 ist Rum an der Reihe. Dann kommen die Mullervereine der Nachbargemeinden in den Ort, um mit Masken, Kostümen und Blasmusik an tausenden Zuschauern vorbeizuziehen.

Männer und Burschen setzen am großen Tag ihre kunstvoll geschnitzten Holzmasken auf, um symbolisch den Winter zu vertreiben und den Frühling zu begrüßen. Wichtiger Bestandteil des Mullerlaufs ist das sogenannte Abmullen. Dabei schlagen die Figuren den Zuschauern leicht auf die Schulter, was Fruchtbarkeit und Glück bringen soll. Bekräftigt wird das Ritual anschließend mit einem kräftigen Schluck Schnaps, den die Muller ausschenken.

Grimmig aussehende Hexen und Krameter, die den Winter mit ihren Besen "auskehren", führen den Zug an. Ihnen folgt der Klötzler, eine mit Holzscheiten klappernde Figur, die Winterdämonen vertreiben soll. Den Frühling beschwören hingegen die Melcher. Sie tanzen zum Mullerwalzer eines Ziehharmonikaspielers Schuhplattler.

"Ein Melcher muss sehr musikalisch sein und seinen Rhythmus genau dem Takt des Ziehharmonikaspielers angleichen", sagt Josef Posch vom Thaurer Mullerverein. Ein Takt, der die Männer unter ihren schweren Masken und Kostümen gehörig ins Schwitzen bringt. Beim Vorbeiwirbeln hört man sie keuchen, nass geschwitzte Haare lugen unter den Masken hervor.

Am schwersten hat der Sommer in Gestalt des Spiegeltuxers zu tragen. Denn seine reich verzierte Maske besitzt einen riesigen Spiegel in der Mitte. "So eine Spiegeltuxer-Maske kann bis zu zwölf Kilogramm wiegen, dafür braucht es eine Menge Kraft und Kondition", sagt Maskenschnitzer Christian Pittl. Der 53-Jährige schnitzt pro Jahr rund 15 Masken aus hellem Zirbenholz. Bis zu zwölf Stunden arbeitet er an einer Maske.

Jede Pittl-Maske ist ein Unikat mit einzigartigem Gesichtsausdruck ist. Mindestens 300 Euro kostet eine Maske, bis zu 8.000 Euro müssen Interessenten für einen Spiegeltuxer hinlegen. Doch wer einmal das Geld investiert hat, hat etwas fürs ganze Leben, sagt Pittl: "Eine Maske lässt man sich nur einmal im Leben schnitzen, und wenn man nicht mehr mullt, dann vererbt man sie weiter an den Sohn."

Über Nachwuchsprobleme können sich die Martha-Mullervereine nicht beklagen. Mit großem Ehrgeiz versuchen sich schon die Kleinsten an waghalsigen Sprüngen, die zum Mullerlaufen gehören. "Das wurde mir in die Wiege gelegt, ich bin schon seit meinem zweiten Lebensjahr aktiv", erklärt etwa der zwölfjährige Romed Bicheler aus Thaur seine Leidenschaft. Wie viele seiner Altersgenossen träumt er davon, einmal die Maske des Spiegeltuxers tragen zu dürfen.

Das wünschen sich auch der achtjährige Fabian Braito und sein zwei Jahre jüngerer Bruder David. Sie wollen die Familientradition aufrecht halten, sagen sie. Schließlich sei ihr Großvater Adi einer der bekanntesten Spiegeltuxer Tirols gewesen.

INFO: www.regionhall.at, www.austria.info

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