Gegen Frauengewalt

Maria Rösslhumer: "Mehr als 30 Prozent der Frauen erlebt Gewalt"

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Fast 25 Jahre lang leitete sie die Österreichischen Frauenhäuser – bis heute steht Maria Rösslhumer weiblichen Gewaltopfern und Angehörigen zur Seite.

"Ich möchte Frauen stärken auf dem Weg in ein selbstbestimmtes und gewaltfreies Leben“, so die ehemalige Geschäftsführerin der Österreichischen Frauenhäuser, Maria Rösslhumer (64), die sich dieser Aufgabe weiterhin verschrieben hat – und deshalb auch künftig in MADONNA im Rahmen eines Gastkommentars ihr Wissen in Sachen Gewaltprävention teilt. Das Interview mit der engagierten Frauenrechtlerin und Gewinnerin des MADONNA 100-Awards.

Der Kampf gegen Gewalt an Frauen und die Hilfestellung für Opfer und ihre Angehörigen sind seit Jahrzehnten Ihr Herzensanliegen – inwiefern hat sich die Situation in Österreich in der Zeit Ihrer Arbeit verbessert bzw. verschlechtert?
Maria Rösslhumer
: Österreich galt lange Zeit als internationales Vorbild im Gewalt- und Opferschutzbereich. Ich habe am 1. Juli 1997 meine Arbeit im Verein AÖF begonnen, zwei Monate nach dem das Bundesgesetz zum Gewaltschutz in Kraft getreten ist und wo erstmals Gewalttäter von ihrem Wohnort polizeilich oder gerichtlich für eine bestimmte Zeit weggewiesen werden konnten und seither Sanktionen für ihr gewalttätiges Verhalten erfahren. Das war ein großer Meilenstein in der Gewaltpräventionsarbeit und ein wichtiges Signal für gewaltbetroffene Frauen, weil seither der Staat gewaltbetroffene Frauen und Kinder in der Privatsphäre besser schützt, als davor. Mittlerweile gibt es zahlreiche weitere Gewaltschutzgesetze und Maßnahmen, die Frauen vor Gewalt schützen sollen. Auch die Opferrechte im Strafverfahren wurden ausgebaut, wie z.B. die kostenlose Prozessbegleitung. Darüber hinaus gibt ein flächendeckendes Netz an Frauenhäusern, Gewaltschutzzentren und Frauenberatungsstellen, Männerberatungsstellen etc. Dennoch konnte die Männergewalt an Frauen nicht reduziert werden. Ganz im Gegenteil, seit 2014 haben sich die Femizide verdoppelt, auch das Ausmaß der Gewalt an Frauen hat zugenommen. Mehr als 30 Prozent der weiblichen Bevölkerung erlebt ab dem 15. Lebensjahr körperliche und/oder sexuelle Gewalt.

Warum haben Sie sich diesem Thema schon in jungen Jahren angenommen?
Rösslhumer:
Weil ich sehr früh erkennen und erfahren musste, dass Mädchen und Burschen ungleich behandelt werden, bzw. Mädchen früh diskriminiert werden. Ich stamme aus einer größeren katholischen Familie, bei der konservative Rollenbilder und Genderstereotypen stark ausgeprägt waren. Dagegen habe ich früh protestiert und hatte das Glück mit 14 Jahren ausbrechen zu können. Das war der Beginn für meine heutige feministische Grundhaltung und mein frauenpolitisches Engagement.

Sie waren von 1998 bis 2023 Geschäftsführerin der Österreichischen Frauenhäuser – wie kann man sich die Arbeit der Frauenhäuser konkret vorstellen?
Rösslhumer:
Jährlich müssen mehr als 3.000 Frauen mit ihren Kindern von zu Hause, von ihren gewaltausübenden Ehemännern, Partnern und männlichen Familienmitgliedern flüchten und sich schützen. Frauenhäuser sind wichtiger denn je. Sie sind lebensrettende Einrichtungen, wo der Schutz und die Sicherheit oberste Priorität haben. Frauenhäuser schützen, unterstützen, beraten, begleiten Frauen und Kinder individuell auf den Weg in ein gewaltfreies und selbstbestimmtes Leben.

Wieso haben Sie trotz der Niederlegung der Geschäftsführung Ihren Kampf gegen Gewalt an Frauen keineswegs niedergelegt?
Rösslhumer:
Meine Arbeit war kein normaler Job, es war in erster Linie Berufung und Vision, daher werde ich auch weiterhin überall dort sein, wo Frauen und Männer solidarisch miteinander zusammenstehen, wo Frauen und Kinder Hilfe brauchen, ich werde auf der Straße sein, dort wo ich meine Stimme gegen jede Form der Gewalt erheben kann, ich werde weiterhin das Projekt StoP-Stadtteile ohne Partnergewalt, das ich 2019 nach Österreich geholt, gegründet und ausgebaut habe, weiterführen und vor allem präventiv Gewalt verhindern.

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