DER Aufklärer

Dr. Sommer aus BRAVO ist tot

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Er starb mit 85 Jahren - 15 Jahre lang Aufklärungsarbeit für "Bravo"

Der Mann, der "Dr. Sommer" war und dem sich tausende Teenager anvertrauten, ist tot. Martin Goldstein wurde 85 Jahre alt. Der Sexualaufklärer, Autor und Psychotherapeut starb in einem Hospiz in Düsseldorf nach langer schwerer Krankheit, wie seine Familie am Freitag mitteilte. 15 Jahre lang beriet er in Deutschlands größter Jugendzeitschrift "Bravo" die junge Leserschaft in Fragen von Liebe, Sex und Zärtlichkeit.

Es war 1969, als der damalige Bravo-Chefredakteur anrief, weil er Goldsteins Aufklärungsbuch "Anders als bei Schmetterlingen" gelesen hatte. Bis dato war in dem Heft kaltes Duschen gegen Onanie empfohlen worden. Goldstein sollte diese Rubrik übernehmen und modernisieren. Er willigte ein: "Ich wollte die Jugendlichen direkt erreichen."

Sexualität war damals noch stark tabuisiert und die Teenager blieben mit ihren ganz konkreten, praktischen Fragen zur Sexualität oft allein. Schnell gingen tausende Briefe wöchentlich in der Redaktion ein und ein ganzes Team musste eingestellt werden, um sie nach Goldsteins Vorgaben "unverklemmt" zu beantworten.

Bravo wegen Dr. Sommer am Index!
Zweimal stand die Bravo 1972 wegen "Dr. Sommer" auf dem Index. Als Goldstein die Selbstbefriedigung enttabuisierte, befanden die staatlichen Jugendschützer in ihrer unnachahmlichen Art: "Die Geschlechtsreife allein berechtigt noch nicht zur Inbetriebnahme der Geschlechtsorgane."

Aus dem Dr. Sommer-Archiv der 60er Jahre (Quelle: bild.de) 1/4
Meine Tochter liebt einen Spanier. Muss ich Angst haben?
„Im Mai dieses Jahres kam meine Tochter nach Hause und erzählte mir, dass sie einen Spanier kennengelernt hat. Im Moment war ich schockiert und auch voller Angst. Aber dann habe ich meine Tochter gebeten, mir den Spanier vorzustellen.Ich habe ihm gesagt, dass ich es nicht gern sehe, wenn sie abends in den Straßen herumläuft. Dass ich gegen eine Freundschaft nichts habe, aber dass es keinesfalls zu mehr kommen darf. Der Spanier besucht uns regelmäßig seit einem halben Jahr, er hat meinen Wunsch und meine Bitte akzeptiert. Ich glaube, wenn man sich die Mühe gibt, die ich hinter mir habe, könnte manches Mädel vor einem Unheil bewahrt werden.“

Frau Edith B., 1964

BRAVO: „Jedes Wort ist mir aus dem Herzen gesprochen, und ich finde Ihr Verhalten geradezu beispielhaft. Aber ich fürchte, dass es nicht viele gibt, die Ihnen auf diesem Weg folgen werden. Die wenigsten Mütter haben heute noch die Zeit, das Interesse und die Nerven, die Probleme mit ihren Kindern zu diskutieren – und wer nimmt sich schon die Mühe, sich um der Tochter und der guten Sache willen in die Lage eines Ausländers zu versetzen?“


Dabei hatte der Knabe, der später "Dr. Sommer" werden sollte, selbst keine richtige Jugend. Wegen seines jüdischen Vaters wurde er von den Nationalsozialisten verfolgt. Der Vater wurde ins KZ verschleppt, die evangelische Mutter schaffte es, Martin aus einem Zwangsarbeiterlager in Sachsen zu holen. In einem Versteck im Wald bei Bielefeld überlebte er das "Dritte Reich": "Ich hatte Angst vor der Gestapo, nicht vor dem Geschlechtsverkehr", sagte er viel später. Goldstein brauchte 50 Jahre, um über diese Erlebnisse sprechen zu können.

Er wurde zum Aufklärer der Jugend, ohne selbst je aufgeklärt worden zu sein. "Mit 23 Jahren hatte ich das erste Mal näheren Kontakt zu einer Frau", erzählte er - im Präparierkurs an der Universität. "Sie hatte keinen Kopf und schwamm in einer giftigen Lauge." Goldstein studierte damals Medizin.

Danach wurde Goldstein aber nicht Arzt, sondern Leiter einer evangelischen Anlaufstelle für Jugendliche in Düsseldorf. Die Tabus, die seine eigene Pubertät zur Qual gemacht hatten, waren allgegenwärtig. Goldstein hatte das Thema seines Lebens gefunden.

15 Jahre lang, bis 1984, arbeitete Goldstein als "Dr. Sommer". Die Jugendlichen wüssten heute vielleicht mehr, aber sie seien noch genauso unsicher. "Kann ich schwanger werden, wenn ich Sperma schlucke", hätten Mädchen damals gefragt. Heute heiße es eher: "Wie viele Kalorien hat Sperma? Werde ich davon dick?"

Ab 1975 war Goldstein ärztlicher Psychotherapeut in der eigenen Praxis in Düsseldorf. Die letzten 15 Jahre seiner Praxis arbeitete er fast nur noch mit männlichen Klienten. 2000 ging er in den Ruhestand. Goldstein war Mitbegründer des "Männerhauses Hilden". Sein letztes Buch "Teenagerliebe" erschien 2009. Goldstein lebte zuletzt mit seiner Lebensgefährtin in einer Wohngemeinschaft in Kaarst bei Düsseldorf.

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