Literatur-Nobelpreisträger Le Clézio wird 70

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Der französische Literaturnobelpreisträger Jean-Marie Gustave Le Clézio hat angefangen zu schreiben, bevor er sein erstes richtiges Buch in den Händen hielt. Das klingt nach einem Romananfang über ein Wunderkind. Nicht so bei Le Clézio, der während des Zweiten Weltkriegs geboren wurde. Am 13. April feiert Le Clézio seinen 70. Geburtstag.

Der Schriftsteller, der inzwischen über 30 Bücher veröffentlicht hat, litt in seiner Kindheit an Hunger und Entbehrung. Aus Mangel an Papier schrieb er auf Lebensmittelkarten, und statt Kinderbüchern las er Landkarten und Lexika. Kindheitserinnerungen, zu denen der Autor in seinen Romanen häufig zurückkehrt - so auch in seinem jüngsten Werk "Lied vom Hunger" (2009). Darin beschreibt er die Lebensgeschichte eines Mädchens, das im Zweiten Weltkrieg aufwächst und mit ihren Eltern vor den deutschen Soldaten nach Nizza flüchtet. Das Buch weist viele Spuren seiner eigenen Lebensgeschichte auf. Der Schriftsteller ist in der südfranzösischen Stadt geboren, wo er als Kind von seinem Fenster aus sah, wie Feldmarschall Rommel mit seinen Truppen in Richtung Alpen zog. In Nizza erfuhr er auch, was es heißt, hungrig zu sein. Mit diesen Erinnerungen beginnt der erste Satz des Buches: "Ich weiß, was Hunger ist, ich habe ihn gespürt."

In "Der Afrikaner" beschäftigt sich der Autor mit seinem britischen Vater. In dem 2007 veröffentlichten Roman beschreibt der Schriftsteller sein Verhältnis zu seinem Erzeuger, der in Nigeria während des Zweiten Weltkriegs als Arzt tätig war und dem er als Achtjähriger dorthin nachgereist ist. Auf der Schiffsfahrt nach Nigeria schrieb er angeblich zwei Bücher, eines davon nannte er "Eine lange Reise".

Der Titel dieses Werkes könnte auch stellvertretend für Le Clézios Leben stehen: Nach dem Studium der Literaturwissenschaften zog es ihn als Lektor nach Bristol, London und Aix-en-Provence, gelebt hat er in Nigeria, Thailand, Panama und Mexiko. Seit den 1990er Jahren hält er sich mit seiner Frau abwechselnd in Albuquerque im US-Bundesstaat New Mexico, auf Mauritius und Nizza auf. Er ist ein Weltenwanderer, der in seinen Werken nach seinen Wurzeln sucht.

Le Clézio hat die Wüste bereist, sich für präkolumbianische und koreanische Kulturen interessiert. Er hat viel gesehen. Doch verändern will er nichts. "Der Schriftsteller besitzt schon seit einiger Zeit nicht mehr die Überheblichkeit zu glauben, dass er die Welt verändert und mit seinen Kurzgeschichten, seinen Romanen ein besseres Lebensmodell schafft. Heute will er nur noch Zeuge sein", sagte er wenige Tage vor der Preiszeremonie in Stockholm. Doch selbst das gelänge nicht, weshalb er die meiste Zeit einfacher Voyeur sei, meinte der Literat weiter.

"Wer schreibt, handelt nicht und hat Schwierigkeiten mit der Welt", schrieb der Weltenbummler in seiner Dankesrede für den Literaturnobelpreis. Damit hat der Schriftsteller viel über sich gesagt. Denn Le Clézio ist kein Analytiker der Zeitgeschichte, sondern ein großer Erzähler, dessen Sprachgewalt ihn in Frankreich zu einem der bedeutendsten Autoren werden ließ. Bereits für sein Debütwerk "Das Protokoll" erhielt er 1963 den Prix Renaudot. Das Buch handelt von Adam Pollo, der einsam in einem Haus am Meer lebt. Niemand weiß, woher er kommt, nicht einmal er selbst. Er ist ein Suchender - ähnlich wie Le Clézio, der in seinen Werken nach seinen Wurzeln sucht.

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