Ungebremster Tatendrang: Uwe Timm wird 70

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Den Trubel um seinen Geburtstag kann Uwe Timm nicht verstehen. "Ich habe in den letzen Tagen so viele Interviews gegeben", sagt er verwundert. Der Schriftsteller, einer der wichtigsten deutschen Vertreter der 1968er-Bewegung, wird am 30. März 70 Jahre alt. Pünktlich zum Ehrentag ist sein neues Buch "Am Beispiel eines Lebens" erschienen.

"Es enthält mehrere biografische Beispiele zum 70. Geburtstag", sagt er im Gespräch mit der dpa in München. Es sind vor allem die Beziehungen zu seinen Mitmenschen, die Timm zu seinen literarischen Werken inspiriert haben. Seinem Großonkel aus dem oberfränkischen Coburg, bei dem er während des Zweiten Weltkriegs einen Teil seiner Kindheit verbrachte, setzte er später mit seiner Familienlegende "Der Mann auf dem Hochrad" ein literarisches Denkmal. In der autobiografischen Erzählung "Am Beispiel meines Bruders" (2003) unternahm Timm den Versuch, sich seinem Bruder literarisch zu nähern. Der 16 Jahre ältere Karl-Heinz hatte sich freiwillig zur SS-Totenkopfdivision gemeldet und starb 1943 in einem Lazarett in der Ukraine.

Seine enge Freundschaft zu dem Studenten Benno Ohnesorg, der 1967 bei einer Demonstration in Berlin erschossen und damit zur Symbolfigur der Studentenbewegung wurde, verarbeitete Timm in der Erzählung "Der Freund und der Fremde" (2005). Ohnesorg und er hatten gemeinsam ihr Abitur am Braunschweig-Kolleg nachgeholt und die Liebe zur Literatur geteilt.

Zunächst hatte Timms berufliche Laufbahn allerdings einen ganz anderen Weg eingeschlagen: Der spätere Literat absolvierte eine Ausbildung zum Kürschner. Nach der Lehre, die er mit Auszeichnung abschloss, übernahm Timm das verschuldete Familiengeschäft seines Vaters. Mit 23 holte er dann das Abitur nach. Danach studierte er in München und Paris Philosophie und Germanistik und promovierte mit einer Arbeit über den Nobelpreisträger Albert Camus.

1971 ließ Timm sich als freier Schriftsteller nieder. In den Jahren 1967/68 war er im Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) aktiv, dem auch die Galionsfigur der 68er, Rudi Dutschke, angehörte. Als Mitbegründer der "Wortgruppe München" war Timm in den 1970er Jahren Mitherausgeber der Autoren-Edition und der Zeitschrift "Literarische Hefte".

Einen Namen machte sich der Autor vor allem mit Werken über den Kolonialismus, die Dritte Welt und die 68er-Bewegung. In den Romanen "Heißer Sommer" (1974), "Kerbels Flucht" (1980) und "Rot" (2001) griff Timm die Studentenbewegung der 1960er Jahre auf und verband dabei politische mit persönlichen Erfahrungen. Seine Novelle "Die Entdeckung der Currywurst" (1993) wurde in 20 Sprachen übersetzt und im Jahr 2008 - wie viele seiner anderen Werke auch - verfilmt. Für sein bekanntestes Kinderbuch, "Rennschwein Rudi Rüssel", erhielt er 1990 den Deutschen Jugendliteraturpreis.

Von den zahlreichen Auszeichnungen liegen ihm drei ganz besonders am Herzen: "Die wichtigsten waren für mich die beiden italienischen Preise Premio Mondello und Premio Napoli sowie der Heinrich-Böll-Preis im vergangenen Jahr", resümiert Timm, der 1994 in die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung und vor vier Jahren in die Berliner Akademie der Künste aufgenommen wurde.

Heute lebt der Vater von vier Kindern mit seiner Ehefrau, der Literaturkritikerin und Übersetzerin Dagmar Ploetz, in München. Auch mit 70 Jahren steckt der Schriftsteller noch immer voller Tatendrang. Er hält Vorlesungen als Gastdozent an den Universitäten Lüneburg und Frankfurt am Main und arbeitet an einem neuen Projekt: "Als nächstes werde ich mich mit längeren Prosatexten beschäftigen."

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