Wandern im Latmosgebirge

Teilen

Das Schreien der Esel vermischt sich mit dem Lautsprecher-Ruf des Muezzins: "Allahu akbar" - Gott ist groß. Die Frauen von Kapikiri bauen vor den Pensionen ihr mobiles Geschäft auf: Auf den Tabletts liegen Häkeldecken und Perlenketten.

Das Dorf am 15 Kilometer langen Bafa-See im Westen der Türkei erwacht und bereitet sich auf die Touristen vor. Sie kommen, um sich den Athena-Tempel und die 6,5 Kilometer lange Stadtmauer anzusehen. Einige aber sind auch hier, um ins Latmosgebirge zu gehen, das heute Besparmak ("Fünffinger") heißt und 150 Kilometer südlich von Izmir liegt.

Mithat Sercin ist Wanderführer. Der junge Mann ist am Bafa-See aufgewachsen. Es gibt keine Weg-Markierungen, keine Wanderkarten und keine Schilder, aber Mithat scheint jede Abzweigung zu kennen. Eine Gruppe wandert mit Rucksack, eine zweite hat Esel dabei, die das Gepäck tragen und von den Touristen geführt werden. Das sei "schon anstrengend, weil man sich auf das Tier einstellen muss", sagt Wiebke, die den Esel Kara Fatma führt. "Der eine Esel ist verträumter und vorsichtiger. Dann gibt es Esel, die einfach so drauflos laufen und die auch mal schubsen, wenn sie schneller gehen wollen."

Ursprünglich gehörte der Bafa-See zum Mittelmeer, im Laufe der Zeit wurde der Latmische Golf aber durch angeschwemmte Erdmassen von ihm abgeschnitten, bis er sich im Mittelalter in einen Binnensee verwandelte. Heute ist der Wasserspiegel des Sees höher als der des Meeres, so dass einige antike Bauten in den Fluten versunken sind.

Am Nachmittag ist die Alm von Hatice erreicht. Die Sennerin trägt Pluderhosen im Blümchenmuster und eine Sonnenbrille. Sie lebt seit ihrer Geburt auf der Alm, die aus zwei Zimmern besteht. "Ich lebe mit den Jahreszeiten", sagt sie. "Im Sommer stehe ich früh auf und gehe später ins Bett. Im Winter stehe ich eben erst später auf und gehe früh ins Bett", erzählt die Mittfünfzigerin. "Das Schönste hier ist die Ruhe", sagt sie. "In der Stadt wird mir richtig schwindelig."

In der Nähe von Hatices Haus befindet sich versteckt eine Höhle mit Felsbildern. Mehrere rötliche Figuren sind zu sehen. Dargestellt ist mit großer Wahrscheinlichkeit der Wettergott, der auf der Spitze des Berges Tekke Dagi verehrt wurde. Auch verfallene Tempel und das Stylos-Kloster aus dem 10. Jahrhundert sind in der Nähe zu finden.

Am Abend sitzen die Wanderer vor Hatices Haus, essen Gemüse, das am offenen Feuer gekocht wurde, und trinken Raki. Der Anisschnaps wird mit frischem Quellwasser verdünnt. Eselsführer Mehmet spielt auf seiner "cümbüs", einer türkischen Laute, und singt von unerhörter Liebe. Nach einem türkischen Frühstück mit Brot, Käse, Tomaten, Oliven und Gurken geht es am Morgen weiter. Das nächste Ziel ist das Dorf Bagircik. Die Landschaft verändert sich hier: Statt durch Olivenhaine laufen die Wanderer nun durch Pinienwälder. In Bagircik kommt der Weckruf am nächsten Morgen vom Muezzin des Dorfes.

Dann geht es wieder bergauf. Die Wanderer nehmen den höchsten Punkt im Latmosgebirge in Angriff. Doch der Wind bläst stark - zu stark für die letzten Meter zum 1.375 Meter hohen Tekke-Dagi-Gipfel. Wanderführer Mithat rät vom Aufstieg ab, und so geht es zurück ins Tal, vorbei an Pinien, Rotkiefern, Steineichen und Platanen. Die Esel klappern mit ihren Hufen über die Gneis- und Granitfelsen. Der Wind weht noch immer heftig. Wolkenfetzen ziehen vorbei - bald wird es regnen. Vielleicht sitzt auf dem Gipfel ja wirklich der Wettergott?

INFO: http://www.reiseland-tuerkei.info.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.