TV-Hit

Morzé: Die neue Austro-Carrie

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,Sex and the City' made in Austria: Petra Morzé spielt Angelika Hagers Kultfigur ,Polly Adler'. Der Talk über Kind, Karriere & Chaos.

(c) Christian SingerNew York hat Carrie Bradshaw, Wien hat Polly Adler. Das Liebeschaos zwischen Ex-Mann und neuer Flamme, die Sensationsstorys des Redaktionsalltages und die Zickerei der pubertierenden Tochter: Journalistin Angelika Hagers (45) Kultfigur und Alter Ego „Polly Adler“ birgt genug Stoff für eine TV-Serie. Start des ORF-Vierteilers ist am 13. Mai.

Alltagsbaustellen
Burgtheater-Star Petra Morzé (43), Single-Frau und Alleinerzieherin von Simon (12) und Merle (10), schlüpft in die Titelrolle. „Trautmann“ Wolfgang Böck (55) – privat seit 22 Jahren mit Ehefrau Sonja glücklich – schwimmt in der TV-Serie zwischen drei Frauen und ist Pollys Chef. Jung-Mime Florian Teichtmeister (28) gibt den schwulen Fotografen. MADONNA traf Morzé, Böck, Teichtmeister und Hager zum Talk über
„Monster-Töchter“, Bussi-Bussi-Gesellschaft und warum es Männer nervt, dass Frauen immer ­reden wollen.

Was ist das Faszinierende an der Figur der Polly Adler?
Angelika Hager:
Die Leute sehen gerne jemanden, der ein genauso beschissenes Leben hat wie sie selbst (lacht). Polly führt die klassischen Gerangel vor, die sich in Österreichs Wohnungen abspielen. Sie ist erfrischend, weil sie ihre ­Alltagsbaustellen nicht unter Kontrolle hat und Humor als Waffe benutzt, der sie vor dem Abdriften in den kompletten Wahnsinn bewahrt.
Petra Morzé: manchmal auch den Alkohol... (lacht).

Wie viel Polly Adler steckt in Petra Morzé?
Morzé:
Eigentlich nur, dass ich wie Polly Mutter bin und Beruf und Mutter-Dasein unter einen Hut bekommen muss. Aber bei mir ist Gott sei Dank nicht täglich Apokalypse, das würde ich nicht durchhalten.

Steckt in jeder Frau ein bisschen Polly Adler?
Hager: Jede – von der Billaverkäuferin bis hin zur Frau Anwältin – hat ähnliche Probleme. Gerade das Dilemma Kind und Beruf betrifft so ziemlich alle, nicht nur Alleinerzieherinnen. Ich kenne wenige Fälle, wo Erziehung auf Mann und Frau zu je fünfzig Prozent aufgeteilt wird. Jede Frau, die als Mutter und im Job aufgehen möchte, hat von vorne herein schlechtere Karten.
Wolfgang Böck: Das stimmt wohl. Meine Frau ist Architektin und hat noch studiert, als unser Sohn zur Welt gekommen ist. Wir haben uns zwar vieles aufgeteilt, aber wenn man es genau nimmt, blieb die meiste Arbeit bei Sonja.

Haben die Männer Angst vor starken Frauen, sogenannten Karrierefrauen?
Florian Teichtmeister:
Mir gefällt der Begriff Karrierefrau nicht. Egal ob Mann oder Frau: Ein Karrieremann ist ­sicher auch kein guter Vater.
Böck: Karriere ist o.k. Es wäre langweilig, jemanden zu Hause zu haben, der nur die Wäsche wäscht.
Hager: Natürlich finden Männer es toll, wenn eine Frau Karriere macht. In der Praxis sieht es anders aus: Denn ich glaube, dass Frauen eine gewisse Stärke nach außen zeigen und sich zu Hause in den vier Wänden automatisch kleiner machen, damit der Mann sich nicht fürchten muss.
Morzé: Es kommt darauf an, wie man Stärke definiert. Grundsätzlich muss man die Frage auch umgekehrt stellen: Habe ich Angst vor einem ­starken Mann? Ich persönlich wünsche mir ein starkes Gegenüber. Stärke kann man als Kritikpunkt, als Herausforderung definieren. Verunsicherungen entstehen auf beiden Seiten.

Wie war es für Sie als Schauspielerin, die Medienwelt einmal aus der Sicht des Redaktionsalltages kennenzulernen?
Morzé:
Mit ihrer Fähigkeit des genauen Hinhörens war Angelika für mich absolutes Vorbild. Der Journalismus ist meines Erachtens nicht das zentrale Thema. Das Berufsbild einer Ärztin, Schauspielerin oder Architektin passt genauso gut zur Figur der Polly.

Herr Böck, war es schwierig, in die Macho-Rolle des Chef­redakteurs zu schlüpfen?
Böck:
Ich sehe die Figur nicht als Macho. Anatol Grünberg ist vielmehr eine skurrile
Erscheinung. Für ihn zählt einzig das Erscheinen seines Blattes. Nebenbei lebt er in
einem Frauendreieck zwischen der engagierten Polly, seinem Gspusi Katja und
seiner fürsorglichen Mutter.

Herr Teichtmeister, Sie spielen einen Homosexuellen
Teichtmeister: Ja, aber nicht den netten Schwulen aus der Nachbarschaft mit rosa Hemden und exaltierten Handbewegungen. Die sexuelle Ausrichtung spielt keine Rolle. Spannend wird die Homosexualität, wenn Polly und ich über Männer reden, wenn meine Wahrnehmung von Männern sich mit ihrer deckt.
Hager: Lo ist meinen schwulen Freunde nachempfunden, die sich nicht ständig für ihre sexuelle Orientierung rechtfertigen müssen.

Schwule als Frauenversteher: nur ein Klischee?
Morzé:
Einer meiner besten Freunde ist schwul und ich war, seitdem ich sechszehn bin, mit schwulen Männern sehr gut befreundet. Das klappt wohl deshalb so gut, weil die Kampfkomponente fehlt.

Stichwort Partnerschaft. Warum gibt es immer weniger ­intakte Beziehungen zwischen Männern und Frauen?
Hager:
Weil wir so viele Freiheiten haben, unsere Partnerschaften zu gestalten, wie noch nie. Diese Freiheit erhöht aber das Enttäuschungspotenzial. Sobald es ein bisserl mühsam wird, entsorgt man Beziehungen wie ein Spielzeug, das einem nicht mehr gefällt.
Morzé: Oft will man sich nur das Schöne in der Partnerschaft herauspicken und sich selbst nicht allzu sehr in die Pflicht nehmen. Verantwortung übernimmt man einzig für die Kinder. Im Übrigen nehmen wir uns auch für Freundschaften zu wenig Zeit. Schließlich geht es da um ein gemeinsames, geistiges Leben und nicht nur um ein Anknüpfen an ein Gespräch, dass man vor Monaten mal geführt hat.
Hager: Dieses depperte Wort Beziehungsarbeit ist zwar schrecklich, aber darum geht es. Das Problem ist nur: Frauen wollen dauernd reden, was den Männern auf die Nerven geht.
Teichtmeister: Finde ich nicht. Das ist nur eines von ­vielen geschlechtsspezifischen Vorurteilen.
Böck: Das Reden ist unglaublich wichtig. Obwohl ich keinen Schimmer vom Architekten-Job meiner Frau habe, erzählt sie mir von den Ärgernissen auf den Baustellen. Und wenn es um vier Uhr in der Früh ist: Ich höre ihr zu. Wir sind seit zweiundzwanzig Jahren zusammen und ich kann nur sagen: Beziehung ist ein Wollen. Je länger die Verbindung dauert, umso mehr kann die Leidenschaft abflachen. Dann entscheidet sich: Habe ich Interesse an meinem Gegenüber als Mensch oder ist es nur eine oberflächliche sexuelle Geschichte.
Teichtmeister: Stimmt. Ich lebe auch in einer langjährigen Beziehung und finde Beziehungsarbeit nicht so schlimm: Partnerschaften brauchen eben Zuversicht und Liebe.

Polly ist Alleinerzieherin: Wie schwierig ist es, eine pubertierende Tochter zu erziehen?

Hager: Ich durchlebe eine Höllenphase mit meiner vierzehnjährigen Tochter. Stella ist autistisch, wir brüllen und schreien uns an. Jeder, der ein pubertierendes Kind hat, weiß, das sind kleine Monster (lacht). Mädchen haben es sicher schwieriger mit all dem Celebrity-Wahn rund um Lindsay ­Lohan, Brangelina & Co.
Morzé: Diese Tussihaftigkeit ist bei Mädchen tatsächlich ein Thema. Aber auch Simon (12) will cool sein und sagt: Mama, komm bitte ja nicht in die Schule, weil es ihm peinlich ist. Noch lache ich darüber...
Hager: Jahre des Feminismus haben scheinbar nichts genutzt. Alles, was zählt, sind Aussehen und Mode-Fetzen.
Morzé: Man muss sich mal vorstellen, dass sich Teenager heute schon Fett absaugen lassen wollen. Ich dachte in der Volksschule nicht darüber nach, ob ich zu dick bin.

Alleinerzieherinnen tun sich oft schwer, einen festen Partner zu finden. Sind die Kinder der Hauptgrund?
Hager:
Na sicher! Meine Tochter hat Stacheldraht in der Wohnung ausgelegt, jedes Mal wenn irgendein Typ für sie ­eine Gefahr bedeutet hat. Mittlerweile ist sie froh, wenn ich beschäftigt bin (lacht). Nein im Ernst: Ich glaube, dass Patchwork-Gebilde in der Realität sehr problembehaftet sind. Meine Tochter ist sicher für jeden Partner ein anstrengendes Challenge-Programm.

Frau Hager, sind Beziehungen das Zentralthema der Serie?
Hager:
Ich entführe den Zuseher in die Welt von Gala und Bunte. Es ist leider Teil unserer Lebenskultur, dass man sich wochenlang fragt: Wer ist der Neue von Christina Lugner? Polly Adler ist ein Versuch, die Bussi-Bussi-Gesellschaft aus einer ironischen Distanz heraus offenzulegen.
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