Freche Feministin

Talk mit Charlotte Roche

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Weibliche Tabus. Kult-Moderatorin Charlotte Roche über ihr scharfes Sex-Buch und ihre feministischen Vorbilder.

Provokation ist das Spezialgebiet von Charlotte Roche. Ob als Moderatorin des früheren VIVA-Formates Fast Forward, als Vertreterin einer neuen
feministischen Generation oder – ganz aktuell – als Buchautorin .

Schonungslos offen
Feuchtgebiete (DuMont) heißt der erste Roman der 29-Jährigen, in dem es tabulos um den Umgang mit dem weiblichen Körper und die Sexualität von Frauen geht. Im Interview spricht die Mutter einer fünfjährigen Tochter über ihr viel diskutiertes Buch und ihre Rolle als moderne Feministin.

Ein Schlüsselthema Ihres Romans ist Körperpflege. Bedauern Sie, dass die Welt so steril ist? Überall Deos, Parfüm, Raumspray

Charlotte Roche:
Ich kann diesen ganzen Reinlichkeitswahn nicht nachvollziehen. Man ist so entfremdet, dass man Parfüm als gut riechend empfindet und Schweiß als stinkend. Sex ist dreckig, aber man will sich doch verlieben und man will Sex und man will Kinder. Und das funktioniert nicht, ohne Körperflüssig­keiten zu vermischen.

Sie schreiben sehr brutal. Zum Beispiel von geiler Intimrasur und Hämorrhoiden. War das eine sexuelle Befreiung für Sie?

Roche:
Auf jeden Fall. Meine Themen sind die, die alle beschäftigen, nur fehlen uns dafür die Worte. Es gibt Frauen, die nicht einmal ein Wort für ihr eigenes Geschlechtsteil haben. Männer sind da besser. Ich sehe es als meine Aufgabe an, dort hinzusehen, wo andere nicht hinsehen. Dorthin, wo die Sprache versagt. Frauen haben nach der Lektüre meines Buches gesagt: Jetzt ist mir nichts mehr peinlich!

Der weibliche Körper gilt ja auch als etwas, das es permanent zu optimieren gilt ...

Roche:
Frauen haben enorme  Ansprüche an sich und so einen Druck, der sich auf jedes Körperteil überträgt. Auch auf die Muschi. Ich bin aber zuversichtlich, dass sich das ändern wird. Frauen müssen noch lernen, die Gleichberechtigung auszufüllen.

Sie gelten ja als junge, coole Feministin. Ist diese Typisierung in Ordnung für Sie?

Roche:
Warum nicht? Den Feminismus habe ich mit der Muttermilch aufgesogen. Konkret bedeutet das, dass meine Mutter mir beigebracht hat, dass die Welt frauenfeindlich ist und dass es noch viel zu tun gibt, bis Frauen dieselben Chancen haben wie Männer. Das hat auch etwas mit Zivilcourage zu tun: Wir müssen uns streiten. So wie ich das sehe, verdienen Frauen in gleichen Jobs und nach der gleichen Ausbildung wie Männer immer noch rund 15 Prozent weniger als Männer.

Ist Alice Schwarzer in Ihren Augen zu alt, um eine gute Feministin zu sein?

Roche:
Junge Feministinnen müssen Alice Schwarzer dankbar sein, zum Beispiel dafür, dass Frauen ihre Männer nicht mehr fragen müssen, ob sie arbeiten gehen dürfen.
Aber sie wird heute dem Menschen in der Frau nicht mehr gerecht. Ich finde es schrecklich, dass es für so etwas Wichtiges wie Feminismus nur diese eine Frau gibt.

Wer ist Ihr Vorbild?

Roche:
Wenn ich eine Heldin nennen soll, dann ist das Maude aus dem Film Harold und Maude: Das ist eine fast 80-jährige, radikale Kämpferin mit langen Haaren, die Sex mit einem 20-Jährigen hat.
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