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Die Folgen der Klimakrise sind erschreckend, viele Menschen fühlen sich dadurch belastet. Wie Sie psychisch gesund bleiben und damit obendrein einen wichtigen Beitrag für die Umwelt leisten. 

Überschwemmungen, Hitzewellen, Brände und Tornados - die Auswirkungen der Umweltkrise erreichen uns jetzt schon und betreffen uns alle -und zwar auf den unterschiedlichsten Ebenen. Sie stellen unser gesamtes Leben in Frage und tangieren in hohem Maß unser Sicherheitsgefühl, unser Verständnis der Welt, wie wir sie bisher gekannt haben. Die Sorge um das Klima und somit auch um die Zukunft unserer Kinder schlägt vielen von uns mit aller Gewalt auf die Psyche. Die Konsequenzen: Ohnmachtsgefühle und in weiterer Folge innerliche Verdrängung des Problems.

Für gutes Klima
© Getty Images
× Für gutes Klima

Ins Tun kommen. Gleichzeitig wissen die meisten Menschen allerdings doch, wie wichtig es ist, sich zu engagieren und aktiv etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen. Doch wie sollen wir aktiv werden, wenn wir aus dem Gefühl der Hilflosigkeit nur schwer herausfinden und eine Hiobsbotschaft die andere jagt? Für Sie haben wir bei den beiden Psychotherapeutinnen Lea Dohm und Mareike Schulze nachgefragt, die vor Kurzem ihr Buch "Klimagefühle -wie wir an der Umweltkrise wachsen, statt zu verzweifeln" veröffentlicht haben. Die beiden Expertinnen sind sich sicher, dass wir die Erde nur gemeinsam retten können -und zwar nur dann, wenn es auch uns gut geht und wir mit unseren Gefühlen in Kontakt kommen.

Mit welchen Gefühlen reagieren die Menschen auf die Umweltkrise?
Mareike Schulze: Es gibt wohl kaum ein Gefühl, das in der Auseinandersetzung mit dem Klima nicht auftreten kann. Die Reaktionen der Menschen sind sehr individuell. Die meisten sind sich bewusst, dass wir weltweit ein großes Problem haben. Viele reagieren darauf mit Angst, sind wütend, traurig und fühlen sich schuldig.

Lea Dohm: Wir beobachten außerdem, dass viele Menschen, die sich mit dem Klimawandel auseinandersetzen, gerade sehr frustriert sind. Denn obwohl das Klimaproblem bekannt ist, obwohl viele Menschen bereits aktiv sind, mag sich nicht so recht etwas tun. Viele empfinden ihre Klimagefühle zunächst als sehr unangenehm, was Abwehrmechanismen und Verdrängung begünstigen kann. Im Hinblick auf die Bewältigung der Krise ist das natürlich ein großes Problem. Denn die Zeit läuft uns davon.

Welche Rolle spielt hier die mediale Kommunikation?
Dohm: Tatsächlich haben Medien und Nachrichten einen sehr großen Einfluss auf die (Klima-)Gefühle der Menschen. Viele Menschen sind durchaus bemüht, einen aktiven Beitrag zu einer gesünderen Umwelt zu leisten. Sie kochen achtsamer und umweltbewusster, fahren öfter mit dem Fahrrad, kaufen umweltschonend ein, engagieren sich politisch etc. Wenn nun in den Nachrichten eine Hiobsbotschaft der anderen folgt, so kann sich das verstärkend auf Frustgefühle und in weiterer Folge Abwehrreaktionen auswirken. Auch Resignationsgefühle sind möglich. Viele Leute fragen sich: "Jetzt tue ich doch schon so viel, dennoch geht es immer weiter. Bringt das alles denn überhaupt noch etwas?".

Schulze: Vielen Menschen ist außerdem oft gar nicht bewusst, dass gewisse Ereignisse etwas mit dem Klimawandel zu tun haben. Auf Basis der medialen Berichterstattung können sie den Sachzusammenhang nicht herstellen, was allerdings sehr wichtig wäre, um das Allgemeinbewusstsein in puncto Klimanotfall weiter zu steigern.

Welche Unterstützung bräuchten die Menschen im Hinblick auf ihre Klimagefühle?
Dohm
: Die Leute brauchen Werkzeuge an die Hand, um zu lernen, mit ihren Gefühlen umzugehen. Aus psychologischer Perspektive würden wir uns eine konstruktive Berichterstattung seitens der Medien wünschen: Es braucht die umfassende Information, die dann in weiterer Folge mit konkreten Handlungsmöglichkeiten verknüpft wird. Außerdem müssen Gefühle zunächst einmal validiert werden. Wenn einem schwere Umweltkatastrophen Angst machen, dann ist das etwas ganz Normales und Gesundes. Gefühle zunächst anzuerkennen und sie anschließend mit konkreten Handlungsoptionen zu verbinden - genau das würde dazu führen, dass die Menschen eher in die Aktion anstatt in die Erstarrung geraten. Schulze: Es ist wichtig, dass die Leute verstehen, wozu ein Gefühl überhaupt da ist. Gefühle sind immer Bedürfnisanzeiger, es ist also schon einmal ganz wesentlich, das Bedürfnis hinter einem Gefühl zu überprüfen. Und danach gilt es zu eruieren, wie man mit einem Bedürfnis umgehen kann, wie man in die Handlung kommen kann, wie man aus der Ohnmacht, der Angst, dem Frust, der Wut und dem Schuldgefühl rauskommen kann. Es geht nicht darum, Gefühle zu streichen oder zu verhindern. Es geht darum, Werkzeuge für sich zu finden, wie man mit bestimmten Gefühlen umgehen kann, sodass man eher in die Entspannung kommt.

Brauchen wir also generell mehr Mut zu unseren Gefühlen?
Schulze
: Unbedingt. Es ist so wichtig, dass wir als Gesellschaft endlich aus dieser Entemotionalisierung, die auf Dauer zu ungesundem Druck führt, rauskommen und unser eigenes Unwohlsein hinterfragen. Die Psychotherapie-Praxen sind überfüllt, die Krankheitslast an psychischen Erkrankungen ist enorm hoch und wird durch die voranschreitenden klimatischen Veränderungen weiter zunehmen. Sowohl im gesellschaftlichen als auch im klimatischen Kontext ist es ganz wichtig, Gefühle miteinander zu teilen, sodass man sieht, dass man nicht alleine damit ist. Das wiederum erhöht am Ende des Tages die Chance, ins Handeln zu kommen.

Wie kam es überhaupt zu Ihrem gemeinsamen Engagement im Bereich Psyche und Klima?
Schulze: Die Reise begann ursprünglich in einer Facebookgruppe für Psychotherapeuten (lacht). Ich erkundigte mich dort, ob andere Kollegen denn auch einen Zusammenhang zwischen Psychologie, Psychotherapie und Klimakrise sehen. Beim Gedanken daran muss ich heute noch schmunzeln, denn normalerweise poste ich nie etwas in solchen Gruppen. Wie es weiterging? Nun ja, trotz des Gegenwinds, der von vielen Seiten kam, war Lea gleich an Bord. Wir haben einige Male telefoniert und schließlich beschlossen, die Initiative Psychologists/Psychotherapists for Future (Psy4F) zu gründen.

Dohm: Sehr spannend ist, dass Kollegen, die anfangs eher skeptisch waren, mittlerweile merken, dass Klima und Psyche eng miteinander verbunden sind. Mittlerweile haben die Psy4F im deutschsprachigen Raum etwa 1.500 engagierte Kollegen. Seit kurzem gibt es uns in Deutschland und Österreich auch als Verein.

Für gutes Klima
© Lea Dohm / Mareike Schulze

Wie entstand daraus die Idee, ein Buch über Klimagefühle zu schreiben?
Dohm
: Im Grunde war uns mit der Gründung der Psy4F von Anfang an klar, dass wir unsere "Bubble" verlassen und dieses Wissen um den Zusammenhang zwischen Klima und Gefühlen an die Öffentlichkeit bringen müssen. Ziel war es immer, das Klimabewusstsein in der Gesellschaft voranzutreiben und den Menschen psychologisches Fachwissen in Bezug auf die Umweltkrise zur Verfügung zu stellen, um Transformationsprozesse professionell zu unterstützen.

Schulze: Wir möchten den Menschen mit unserem Buch außerdem möglichst viele Identifikationsmöglichkeiten bieten , sodass sie sich darin wiedererkennen, verstanden fühlen und ihre Gefühle besser einordnen und damit konstruktiv umgehen können.

Sie sind beide Mütter - mit welchen Gefühlen blicken Sie in die Zukunft?
Schulze: Einerseits sehe ich in der Krise die Chance auf mehr gesellschaftliches Miteinander, Rücksichtnahme und Solidarität - Dinge, die Mittel und Ziel zugleich sind. Andererseits sitzt uns die Zeit im Nacken. Wenn es uns nicht gelingt, das Ruder jetzt herumzureißen, dann wird die Welt für meine Tochter einmal ganz anders aussehen.

Dohm: Auch ich habe große Sorge um die Zukunft meiner Kinder. Das ist auch ein zentraler Motor für mein Engagement. Es ist wichtig, dass wir alle verstehen, dass wir auch mit kleinen Veränderungen im Alltag einen wichtigen Beitrag leisten können - nicht nur für die Umwelt, sondern auch im Hinblick auf das gesellschaftliche und soziale Miteinander. Wir alle können unsere Kinder, um deren Wohl es in Zukunft geht, entlasten, indem wir uns mehr kümmern.

Für gutes Klima
© Getty Images
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Klimagefühle – ein paar Tipps

Gefühle wahrnehmen:
Es ist ganz normal und gesund, angesichts der Umweltextreme heftige Gefühle zu empfinden. Verdrängen Sie diese nicht und versuchen Sie, dem Bedürfnis hinter Ihren Gefühlen auf den Grund zu gehen.

Gefühle teilen: Sprechen Sie mit anderen Menschen darüber, wie es Ihnen geht. So sehen Sie, dass Sie nicht alleine sind und kommen eher ins Tun. Es geht niemals darum, Gefühle zu verhindern, vielmehr ist es wichtig, für sich selbst - und in weiterer Folge die Umwelt - Handlungsoptionen zu identifizieren.

Nehmen Sie Rücksicht: Das Klima geht uns alle etwas an. Seien Sie sich des zentralen Stellenwerts von sozialem Miteinander, Solidarität und gegenseitiger Rücksichtnahme bewusst.

Fangen Sie klein an: Auch kleine Veränderungen im Alltag können in Summe und auf Dauer Großes bewirken. Fahren Sie einmal mehr mit dem Fahrrad, kochen Sie gesünder, reduzieren Sie Abfall und seien Sie freundlich zur Natur und zu Ihren Mitmenschen. Wichtig ist vor allem auch politisches Engagement. Hier verbinden Sie am besten das, was Sie gerne tun und gut können, mit Klimaschutz.
 

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