Die neue Hausarbeit

Drei Leading Ladies über Vor- und Nachteile des Homeoffice

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Noch bis mindestens Ende April sollen Homeoffice & Teleworking beibehalten werden. Eine Herausforderung – vorallem auch für Führungskräfte. Drei Powerfrauen berichten ehrlich über ihre Erfahrungen. 

Die Schlüsselworte lauten, wie so oft im Leben, Vertrauen und Kommunikation. Was für viele Arbeitnehmer, aber auch Arbeitgeber einst undenkbar war, wurde Mitte März innerhalb weniger Tage zur Realität: Anstatt zusammen in Teams zu arbeiten, saßen plötzlich  Tausende Angestellte an ihren Schreib-, Ess- oder Küchentischen daheim. Nach anfänglichen technischen, aber auch kommunikationstechnischen oder gar zwischenmenschlichen Schwierigkeiten haben sich Homeoffice, Tele- bzw. Remote Working, wie die Arbeit von zu Hause unterschiedlich bezeichnet wird, in nahezu allen Unternehmen eingespielt. Was sein muss, muss eben in Zeiten strenger Ausgangsbeschränkungen eben sein.  
 
Klare Vorteile darin, von zu Hause die Arbeit zu erledigen, sehen inzwischen – laut aktuellem Arbeitsklima Index der AK OÖ – sogar knapp zwei Drittel der rund 40 Prozent im Homeoffice befindlichen Arbeitnehmer. Darüber dass die Coronakrise nicht nur das Leben, sondern auch Arbeitsweisen und -strategien der Zukunft maßgeblich prägen werden, sind sich eigentlich alle einig. „Das vormals des Öfteren belächelte Homeoffice hat nun bestimmt seine letzten Kritiker bekehrt“, ist sich auch Viviane Shklarek sicher. Als Head of Marketing & Communications Austria und Mitglied der Geschäftsleitung bei Philip Morris Austria musste für die Powerlady trotz Krise die Arbeit weiterlaufen wie am Schnürchen. „Mein Arbeitsalltag ist sogar intensiver als vorher“, kontert sie jedem, der der Meinung ist, dass Teleworking nicht ernst zu nehmen sei. Die größte Herausforderung sei, neben einer empathischen Teamleitung aus der Ferne, die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit zu ziehen, spricht Shklarek vielen aus der Seele. Nämlich im Sinne der Freizeit, die oftmals aufgrund der ständigen Erreichbarkeit leidet.     
 
Viviane Shklarek Marketing-Chefin Philip Morris AT
Als Head of Marketing & Communications Austria und Mitglied der Geschäftsleitung bei Philip Morris Austria GmbH ist Viviane Shklarek trotz Ausgangsbeschränkung voll im beruflichen Einsatz. Wie sie ihren Job aus dem Homeoffice managt:  
 
Viviane Shklarek
© privat

 
Inwiefern hat die Coronakrise Ihren Arbeitsalltag verändert? 
Shklarek: Mein Arbeitsalltag ist ­sogar intensiver als vorher und ist hauptsächlich geprägt von Telkos und Videocalls. Wenn es mal eine halbe Stunde Pause zwischendrin gibt, versuche ich, an der frischen Luft etwas Energie zu tanken. Was mir definitiv abgeht, ist der Weg in die Arbeit und von der Arbeit nach Hause – während der Autofahrt kann ich gut abschalten und „runterkommen“. Durch das Homeoffice fällt es mir etwas schwerer, die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit zu ziehen, da die räumliche Distanz fehlt.
 
Welche Voraussetzung muss ein Unternehmen, ein Team für gut funktionierendes Homeoffice mitbringen? 
Shklarek: Neben den Hard Skills wie das Zurverfügungstellen von technischem Equipment und diverser Kommunikationssoftwares sind Soft Skills mehr gefragt denn je. Vertrauen und Kommunikation sind Dreh- und Angelpunkt als Führungskraft während dieser Zeiten. Durch die fehlende persönliche Interaktion ist es jetzt besonders wichtig, transparent und pro-aktiv zu kommunizieren. Die Herausforderung ist es, mit dem Team klare Ziele und Timings zu vereinbaren, um ihnen genügend  Freiraum zu geben, und sich nicht in Micromanagement zu verlieren.  
 
Was mussten Sie erst aus der neuen Arbeitsstruktur lernen – welchen Rat können Sie anderen Führungskräften für diese Zeit geben?
Shklarek:  In der Psychologie gibt es ein Modell, das die Krisenbewältigung von Menschen in verschiedene Phasen unterteilt: Schock, Ärger, Depression, Akzeptanz, Integration. Es ist meine Aufgabe, zu erkennen, welche Phase die einzelnen Teammitglieder gerade durchleben und meinen Führungsstil entsprechend anzupassen. In der Schockphase brauchen selbst erfahrene und vormals sehr „sichere“ Mitarbeiter einen direktiveren Führungsstil und Unterstützung. Wir sind alle Menschen und es ist völlig normal, dass es in Zeiten wie diesen mal zu Frustration kommt. Dann braucht mein Team mich am meisten. 
 
Sind Frauen in Führungspositionen vielleicht sogar krisensicherer?
Shklarek: Tendenziell sind Frauen von Natur aus empathischer und intuitiver. Sie haben historisch in Familien oder Partnerschaften oftmals die Rolle der universellen Krisenmanagerin inne – sie müssen nach wie vor oft Familie, Haushalt und Beruf unter einen Hut bringen. Natürlich kann man das nicht  verallgemeinern und vieles hat sich in den letzten Jahren  geändert – dennoch navigieren wir durch Krisen unter Zuhilfenahme dieses verinnerlichten Skillsets. 

Inwiefern wird die Krise den Arbeitsmarkt und Arbeitsweisen aus Ihrer Sicht verändern?
Shklarek: Das vormals des Öfteren belächelte Homeoffice hat nun bestimmt seine letzten Kritiker bekehrt. Ich denke, dass Arbeitgeber in Zukunft gewillter diese Möglichkeit anbieten werden. Sonst wird mittelfristig die berufliche Reisetätigkeit zurückgehen und  virtuelle Meetings an Bedeutung gewinnen. 
 
16 Stunden Arbeit sind derzeit auch für Aline Basel Alltag. Als Prokuristin eines großen Dienstleistungskonzerns, zu dem u. a. Reinigungsfirmen wie Blitzblank und acht Pflegeheime zählen, stehen Telefon und Laptop derzeit keineswegs still. „In der Reinigungsbranche ist gerade Hochbetrieb und wir sind ununterbrochen im Einsatz“, so Basel im Interview. Homeoffice ist für sie allerdings keine Neuerung, denn die Mutter einer 15-jährigen Tochter arbeitet seit Jahren flexibel von zu Hause aus. 

Aline Basel, Prokuristin R&S
Als Prokuristin der R&S Projektentwicklungs GmbH kümmert sich Aline ­Basel konzernübergreifend um Vertrieb, Marketing und Kundennetzwerk des Dienstleistungskonzerns mit drei Top-Reinigungsfirmen (u. a. Blitzblank).  Homeoffice ist für die Mutter einer 15-jährigen Tochter kein Novum. 
 
Basel
© Bubu Dujmic

 
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag derzeit aus? 
Basel: Ich arbeite gerade doppelt so viel und bin wirklich dankbar dafür. (lacht) Gearbeitet habe ich immer schon viel. Jeder, der aus den Medien kommt, weiß, dass 14-Stunden-Tage ganz normal sind. Als ich in die Dienstleistungsbranche gewechselt habe, ist mir aufgefallen, dass das Arbeitsvolumen ähnlich ist, allerdings der Rhythmus ein ganz anderer. Man hat Zeit, den berühmten Schritt zurückzudenken und zu reflektieren, was man gerade getan hat. Das ist seit Corona nicht so. In der Reinigungsbranche ist gerade Hochbetrieb und wir sind ununterbrochen im Einsatz. Jeden Tag, wenn ich nach 16 Stunden ins Bett falle, halte ich mir dennoch vor Augen, wie dankbar ich dafür bin und was für ein Glück es ist, in der derzeitigen Situation einen Job zu haben und nicht existenziell bedroht zu sein.  
 
Wie stehen Sie ganz allgemein zum Thema Homeoffice? 
Basel: Ich bin ein großer Befürworter von Homeoffice. Und tatsächlich ist Homeoffice für mich der Normalzustand. Das heißt nicht, dass ich 24/7 in meinem Leben zu Hause bin.  Ich arbeite als Prokuristin eines großen Dienstleistungskonzerns für sieben Firmen gleichzeitig und mache für alle diese Firmen bis zu fünf Termine pro Tag. All das mache ich immer von zu Hause. My home ist daher immer my office. Ich habe einen Riesen-Tisch, den ich als Besprechungs- und Schreibtisch nutze. Homeoffice bedeutet von zu Hause zu arbeiten, und daher auch, sein zu Hause für Kunden und Partner, Mitarbeiter und Kollegen zu öffnen. Viele Menschen, mit denen ich arbeite, waren schon bei mir zu Hause. Wenn mein Mann aus dem Büro nach Hause kommt, weiß er, dass ich meistens noch arbeite und hält mir den Rücken frei.  Das ist für mich völlig normal. Unsere Tochter ist 15 und weiß genau, dass, wenn sie um 15.30 Uhr von der Schule nach Hause kommt, meistens in unserem Esszimmer Termine stattfinden. Auf der anderen Seite bin ich für sie da, wenn sie mich braucht und zwar tatsächlich auch physisch. 
 
Können Sie die Ressentiments verstehen?
Basel: Ja und nein. Und: Es kommt auf den Job und die Eigenverantwortung des Mitarbeiters an. Ich habe nie Druck gebraucht, denn der Druck, den ich mir selber mache, reicht für ein ganzes Unternehmen! (lacht) Natürlich gibt es viele, die Homeoffice mit Urlaub verwechseln, und das funktioniert dann nicht. Ich habe gestern mit einer Freundin telefoniert und sie gefragt, wie es ihr geht. Eine erfolgreiche Managerin mit 800 Mitarbeitern im Handel. Sie hat allen Ernstes gesagt: „Na ja, Urlaub halt, also Corona-Urlaub!“ Diese Frau ist hochgebildet und seit Jahren sehr erfolgreich! Momentan erbringen viele Menschen täglich den Beweis dafür, dass sie nicht für Home­office geeignet sind. Sie wollen sich jeden Tag anziehen und in ein Büro fahren, um ihre eigene Leistung abzurufen. Allerdings gibt es viele andere, die gerne von zu Hause arbeiten würden und die nicht einmal die Chance bekommen, zu zeigen, dass es funktionieren kann. Ich habe meine Mitarbeiter immer so gut gekannt, dass ich einschätzen konnte, ob sie genug Eigenverantwortung mitbringen, um im Homeoffice zu arbeiten, und auch in all meinen Jobs Mitarbeitern die Freiheit gegeben, es zu tun. 
 
Sie verkörpern Female Leadership. Haben es Frauen in Führungspositionen aus Ihrer Sicht schwerer?
Basel: Männer in Führungspositionen erreichen oft ihre Macht oder ihre Positionen durch Autorität und Stärke. Frauen punkten mit Kompetenz und Empathie. Ich bin gerne eine Frau. (grinst) In all meinen Führungspositionen seit fast 20 Jahren musste ich immer erst beweisen, dass ich mit gutem Grund in meinem Sessel sitze. Ein Mann kommt, sieht und siegt. Eine Frau kommt, wird angezweifelt, sieht, hört zu, wird wieder angezweifelt, funktioniert und irgendwann siegt sie … dafür haushoch. 
 
Zurück zum Homeoffice: Bemerken Sie selbst, dass man zu Hause vielleicht auch mal abgelenkt ist?
Basel: Wir sind doch Frauen und multitaskingfähig! (lacht) Ich habe einen Mann, eine Tochter und zwei Dackel … Ich bin nie abgelenkt! (lacht) Und wenn doch, dann schwinge ich den Kochlöffel für meine Familie in einer Hand, die Zeitung, um die Hunde zu bedrohen, in der zweiten und das Telefon ist zwischen Ohr und Schulter eingezwickt und ich spreche mit meinen Konzerneigentümern. Aber um ernst zu bleiben: Ich habe großartige drei Männer als Konzerneigentümer, die an mich glauben und volles Verständnis für jede private Situation haben! Das ist selten, wohltuend und hilft ungemein.
 

 

Wie sich Arbeit in Zukunft gestalten wird, war auch Inhalt des von Bene initiierten Reports „Challenge The Future Work“. Fakt ist: „Wir erleben aktuell den größten Stresstest für das Konzept Homeoffice“, so Product Marketing Managerin Mona Meusburger. Erfahrung macht bekanntlich klug. 
 
 
Mona Meusburger Product Marketing Manager Bene
Im „Challenge The Future Of Work“-Report hat der Büromöbel-Gigant Bene die Zukunft von Arbeitsmethoden und Strategien analysiert. Dass die Krise wieder neue Herausforderungen und damit neue Anforderungen mit sich bringt, weiß auch  Product Marketing Managerin Mona Meusburger.
 
Meusberger
© privat
 
Wie schwierig war es, sich auf die neue Arbeitssituation einzustellen? 
Meusburger: Unser Team ist für Remote Working gut gerüstet, als internationales Unternehmen gehörten Meetings via Videocall oder Telefon schon zuvor zu unserem Alltag. Wichtig ist mir, ganz speziell jetzt, ein besonderes Augenmerk auf die menschliche Komponente und dafür bewusst genug Raum für informelle Gespräche zu schaffen. In Zeiten der Unsicherheit ist es uns im Team wichtig, einander Halt und Struktur zu geben und Gemeinsamkeit zu schaffen. 

Welche spezielle Rolle hat man in einer derartigen Krise im Job einzunehmen? 
Meusburger: Besonders in herausfordernden Situationen sind Führungskräfte als Role Models gefordert. Eine der Erkenntnisse unserer aktuellen Studie zur Zukunft der Arbeit mit dem Fraunhofer Institut ist, dass Wandel und neue Wege von oben initiiert werden sollen, aber noch viel wichtiger von oben vorgelebt werden sollen. Hier gilt es einen Rahmen mit klaren Strukturen zu schaffen und gleichzeitig flexibel zu bleiben und ein noch offeneres Ohr für persönliche Anliegen der MitarbeiterInnen zu haben.
 
Viele sagen, man kann alles im Home­office erledigen – stimmt das bzw. inwiefern sind die Möglichkeiten im Home­office dann vielleicht doch begrenzt? 
Meusburger: Aktuell erleben wir den größten Stresstest für das Konzept ­Homeoffice. Unternehmen sowie MitarbeiterInnen sehen, was funktioniert, was aber auch nicht. Aufgaben wie konzentriertes Arbeiten können zu Hause gut gelingen, hier muss man allerdings zwischen unterschiedlichen persönlichen Situationen unterscheiden. Wer neben seiner Arbeit auch Kinder betreuen muss, wird das Homeoffice oft nicht als Ort für fokussierte Tätigkeiten wahrnehmen. Arbeitsplätze müssen für unterschiedliche Tätigkeiten, ganz egal wo, gewisse Qualitäten erfüllen und so zeigt sich im Moment auch, was uns am Büroalltag besonders fehlt: der Ort der Begegnung, des Austausches, an dem wir Kollegen spontan treffen, an dem wir in der Gruppe arbeiten. In unserer Studie war genau auch dies eines der Ergebnisse. Menschen brauchen beides, sie brauchen Orte für Konzentration und auch Raum für die Begegnung mit anderen. 
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