Taktgefühl

Neues Anti-Stress-Management

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Wie findet man in der Hektik einen Weg, die Uhr nach sich selbst zu stellen.

Sie hat es sich noch nie leicht gemacht: Elisabeth Gürtler-Mauthner war Ende der Siebzigerjahre Dressurreiterin, betreibt seit 20 Jahren das Hotel Sacher und verhilft der Spanischen Hofreitschule zu neuem Glanz. Sie könnte sich längst gemütlich zurücklehnen und Sachertorten ohne Ende genießen. Doch die Grande Dame tickt ganz anders. Sie glaubt, immer noch zu wenig zu leisten: „Ich suche immer noch nach Anerkennung.“ Das erzeugt massiven Stress . Dem versucht sie frühmorgens im Schwimmbecken zu entkommen: „Das schafft Ruhe.“ Und sie entwickelte ihre ganz persönliche Anti-Stress-Strategie: Das „Bündel an Disziplin“  beherrscht die Kunst, zwei Schritte zurück zu machen, wenn sie zügig vorankommen will.

Neues Anti-Stress-Management
© oe24

Anti-Stress-Buch. Gabi Weiss: Höchste Zeit die Uhr nach sich selbst zu stellen, Brandstätter Verlaf um 16 Euro.

Zeit-Frage
Elisabeth Gürtler ist eine von zwanzig Prominenten, die Autorin Gabi Weiss für ihr aktuelles Buch Höchste Zeit die Uhr nach sich selbst zu stellen (erschienen im Brandstätter Verlag) porträtiert hat. Jeder Mensch, so das Fazit des Buches, müsse mit seiner Zeit so umzugehen lernen, dass er seinen eigenen, für ihn richtigen Rhythmus findet.

Wie aber geht das?
„Um seinen Rhythmus zu finden, muss man sich Zeit nehmen, ständig an sich arbeiten, in sich gehen. Und dann das nähren, was wichtig ist, das weglassen, was es nicht braucht“, meint etwa Haubenköchin Johanna Maier, die stets „vom Komplizierten zum Einfachen“ strebt.

Auch die Wiener Psychotherapeutin Rotraud Perner ist sich sicher: „Je schneller wir leben, desto weniger sind wir in der Lage, uns zu spüren, ein Gefühl für unseren Stress zu entwickeln und rechtzeitig auf die Bremse zu steigen.“ Arbeiten sei in Ordnung, auch viel arbeiten. Aber man müsse für Ausgleich in Form von „Entspannungsinseln“ sorgen. Denn Leben besteht nicht nur aus Leistung: „Wer nicht genießen kann, wird ungenießbar“, zitiert sie den Volksmund und weiß, wie sehr dann die Seele leidet: „Die Psyche wird gereizt und aggressiv.“

Auch Weltenwanderer Gregor Sieböck oder Dancing Star Ramesh Nair haben gelernt, die Uhr nach sich selbst zu stellen: Der Inder erhielt nach zehn Jahren Dauerarbeit ohne Urlaub die Diagnose „Stressherz“. Er musste lernen, Nein zu sagen und seinen Lebensrhythmus zu verändern. Nun stimmt er wieder mit sich selbst überein.

 

Prominente verraten, wie sie es geschafft haben

Elisabeth Gürtler, Sacher-Chefin
Grande Dame. Elisabeth Gürtler-Mauthner, Chefin des Hotel Sacher in Wien, ist mit allem, was sie angreift, erfolgreich. Ihr Anti-Stress-Motto lautet: Zwei Schritte zurück machen, wenn man zügig vorankommen will.

Eine Kunst, die sie schon als Vizestaatsmeisterin im Dressurreiten beherrschte: „Da ist man nicht nur von der eigenen Leistung abhängig, sondern auch von der des Pferdes. Und von dessen Psyche.“ Man lernt dabei, Dinge von einer ruhigen Warte aus zu betrachten und sich zu beherrschen. „Das kann man im Privatleben und als Manager gut brauchen“, so die Geschäftsfrau. Perfektion und Leistung motivieren die Grande Dame. Das „Bündel an Disziplin“ genügt sich immer noch nicht, sucht immer noch nach der Anerkennung ihrer Mutter: „Sie (die Mutter, Anm.) sagt: ‚An der Spanischen Hofreitschule wirst du scheitern.‘ Daher denke ich, dass es immer noch zu wenig ist, was ich leiste.“ Wer sich die Latte selbst so hoch legt, ist oft angespannt. Gürtler: „Ich habe Stress – keine Frage. Aber wenn ich merke, dass der Stress mir schadet, dann mache ich das, was ich vor einer Dressurprüfung gemacht habe: Ich atme tief durch, bewahre Ruhe, rege mich nicht auf, führe mich zurück in eine entspannte Situation, streife die Sache ab, die mich belastet, und mache das Beste daraus.“ Und sie nimmt sich jeden Morgen Zeit zum Schwimmen: „Das schafft Ruhe.“

Johanna Maier, 4-Hauben-Köchin
In Balance. In den Schoß fiel der einzigen 4-Hauben-Köchin der Welt nichts – nicht einmal das Kochen. Doch Johanna Maier spürte, was in ihr steckt und gab nicht auf. Die Wertschätzung ließ sich Zeit: „Letztendlich wurde ich aber reich beschenkt.“ Stolz ist sie nicht darauf, aber dankbar. Dankbar dafür, dass sie die schweren Zeiten gemeistert und nicht aufgegeben hat. Auch ihren Rhythmus hat die Ausnahme-­Köchin erst spät gefunden: „Dazu muss man sich Zeit nehmen, ständig an sich arbeiten, in sich gehen. Und dann das nähren, was wichtig ist, das weglassen, was es nicht mehr braucht.“ Vom Komplizierten zum Einfachen – darin liegt das größte Geschenk für sie: „Es gelingt nicht immer, sich für das Einfache zu entscheiden. Aber wenn es gelingt, ist es ein Fortschritt.“ Abweichungen von ihrem Lebensrhythmus nimmt sie genau wahr. Denn die innere Balance zu wahren, ist gerade beim Kochen eine der wichtigsten Zutaten.


Rotraut Perner, Psychotherapeutin

Genießen. „Ich bin sehr sensibel und merke genau, wenn etwas nicht passt“, sagt die Wiener Psychotherapeutin Rotraud Perner. Kinder tragen dieses Gespür, ob etwas für sie stimmt oder nicht, noch in sich. Eltern sollen sie ermutigen, diesem Gefühl zu vertrauen. Und ihre Kinder so lieben, wie sie sind. Denn: Nicht nur Leistung zählt. Perner: „Wer nicht genießt, wird ungenießbar. Wir spannen uns an, das übersäuert den Organismus. Und auch die Psyche ist dann gereizt und aggressiv.“ Die Therapeutin schafft sich Inseln, über den Tag verteilt, auf denen sie sich erholen kann. Stricken, Nähen oder Stepptanzen beim Fernsehen: „Da reinigen sich meine Gedanken.“ Und es ist ihr wichtig, Zeit zum Lieben zu haben. Andere Menschen und sich selbst.

Gregor Sieböck, Weltenwanderer
Im Jetzt sein. Gregor Sieböck ist zu Fuß um die Welt gewandert: 15.000 Kilometer von Bad Ischl bis Tokio. Dabei hat er seinen Rucksack Schritt für Schritt erleichtert. Und weiß jetzt: Auch im Leben geht es leichter besser: „Bevor ich mir etwas Neues kaufe, denke ich an meinen Rucksack. Und daran, dass ich das dann mit mir herumtragen müsste.“ Auch Sinnsprüche wie „Ohne Fleiß kein Preis“ ließ er im Zuge der Reise über Bord gehen. Er will leben, nicht gelebt werden.

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