Für starke Mütter

Als Alleinerzieherin für die eigenen Rechte einstehen

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Alleinerziehende Mütter bekommen nach wie vor zu wenig Unterstützung von Staat und Politik, ist sich die Obfrau des Vereins „Feministische Alleinerzieherinnen –FEM.A“ sicher. Weshalb sie für Empowerment plädiert.

2023 lebten in Österreich 302.000 Ein-Eltern-Familien, wovon 91 Prozent Mütter mit Kindern unter 15 Jahren waren. „Alleinerzieherinnen sind starke Frauen, die täglich Unglaubliches leisten, sozialpolitisch und finanziell jedoch viel zu wenig Unterstützung bekommen“, erklärt Andrea Czak. Sie ist Gründerin und geschäftsführende Obfrau des Vereins „Feministische Alleinerzieherinnen“ – kurz FEM.A –, der dafür kämpft, dass Alleinerzieherinnen und ihre Kinder ein sorgenfreies Leben führen können. Über die diesbezüglichen Hürden haben wir mit ihr ausführlicher gesprochen.

Mit welchen Herausforderungen kämpfen Alleinerzieherinnen im Alltag?
Andrea Czak:
Sie sind stark armuts- und ausgrenzungsgefährdet: 41 Prozent der Alleinerzieherinnen und ihre Kinder leben in Armut, bei den Zwei-Eltern-Familien sind es nur 15 Prozent. 98 Prozent der Alleinerzieherinnen, die sich an uns wenden, sind außerdem von physischer, psychischer und/oder sexualisierter Gewalt betroffen. Eine zusätzliche Herausforderung ist die institutionelle Gewalt, wenn etwa das Familiengericht Gewalt nicht ernstnimmt.

Ist finanzielle Gewalt auch Thema?
Czak:
Leider ja. Die Hälfte der Kindesväter zahlt keinen Unterhalt, der durchschnittliche Unterhalt beträgt nur 300 Euro, die Kinderkosten inflationsbedingt über 1000 Euro. Derartige Gegebenheiten sind in einem reichen Staat wie Österreich ein sozialpolitisches Armutszeugnis! Man könnte einiges tun - z.b. eine Unterhaltsgarantie einführen.

Warum ist die Politik nicht aktiver?
Czak:
Vermutlich aufgrund ideologischer Hintergründe. Die heile, heterosexuelle Paarfamilie ist das Idealbild des Patriarchats. Frauen, die sich trennen, ordnen sich nicht der konservativen Geschlechterordnung unter. Sie wollen selbstbestimmt leben und fordern ihre Rechte ein, was in einem modernen Staat wie Österreich skurrilerweise nicht so einfach möglich ist...

Was sollten Frauen bedenken, bevor sie eine Partnerschaft eingehen?
Czak:
Die Partner- und auch Berufswahl sind die wichtigsten Entscheidungen im Leben einer jungen Frau. Auch wenn es in der Verliebtheitsphase vielleicht schwerfällt, ist es wichtig, rational zu bleiben, Finanzen und künftige Care Arbeit mit dem Partner auszuverhandeln und sich genau zu überlegen, inwiefern man finanziell abgesichert ist - und im Falle einer Trennung auch bleibt! Auch wenn Frauen Mütter werden, ist es essenziell, dass sie weiterhin auf eigenen Beinen stehen.

Sollten sich Mütter auf eine Trennung vorbereiten?
Czak:
In einer Trennung bzw. Scheidung strategisch vorzugehen und sich vorab über die eigenen Rechte und jene des Kindes zu informieren, ist das A und O. Dazu gehört z.B., die Einkommensunterlagen des Partners anzufordern, auf die Frauen während aufrechter Ehe Anrecht haben. Nach einer Trennung versuchen erfahrungsgemäß 90 Prozent der Väter, Dinge zu verstecken und den Kindesunterhalt herabzusetzen. Viele Männer unterscheiden nicht zwischen Eltern- und Paarebene und tragen ihre persönlichen Befindlichkeiten über den Unterhalt aus.

Was war Ihr Anliegen, als Sie FEM.A gegründet haben?
Czak:
Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schlecht die Unterhaltsgesetze in Österreich sind und mit welcher Selbstverständlichkeit Müttern die Verantwortung für ihre Kinder übergestülpt wird – zusätzlich zu einem Vollzeitjob. Ursprünglich habe ich FEM.A gegründet, um Frauen zu stärken und aufzuklären. Mittlerweile bieten wir eine Helpline, kostenlose Webinare, Strategieseminare, Erstgespräche mit Rechtsanwältinnen, Psychotherapeutinnen und Coachinnen und – ganz wichtig – ein Netzwerk für Austausch und gegenseitige Unterstützung an.

Wie tanken Alleinerzieherinnen Kraft?
Czak:
Es ist essenziell, sich ein gutes Netzwerk, bestehend aus Menschen, auf die man sich verlassen kann, zu schaffen. Man muss nicht alles alleine stemmen, sondern darf und soll Hilfe von Familie, Freunden und Bekannten ruhig annehmen. Auch die Unterstützung seitens und Vernetzungsmöglichkeit über Beratungsstellen ist wichtig, um als Alleinerzieherin ja nicht allein zu bleiben! Es geht so vielen Frauen gleich, ein ehrlicher Austausch kann sehr bestärkend und ermutigend sein.

Was können wir als Gesellschaft tun, um Alleinerzieherinnen zu unterstützen?

Czak: Umdenken ist angesagt! Die idealisierte Zwei-Eltern-Familie ist nicht mehr zeitgemäß, diverse Familiensysteme hingegen sind Realität. Wir müssen als Gesellschaft verstehen, dass das Konzept von Vater, Mutter, Kind nicht automatisch besser ist, nur weil die Eltern zu zweit bzw. ein Paar sind. Mütter sind unfassbar stark und resilient, bieten Kindern sichere Bindungen, Wärme, ein emotionales Zuhause. Sie können Kinder ganz prima alleine großziehen, vor allem dann, wenn das Verhältnis zum Vater von Streit und Qual geprägt war. Kinder wachsen oft friedlicher auf, wenn sie dieser Gewalt nicht mehr ausgesetzt sind. Ich wünsche mir von Herzen, dass Mütter, die für sich und ihre Kinder ein selbstbestimmtes Leben möchten, von der Politik endlich mehr Unterstützung bekommen.

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