Neurologen: Sprung vorwärts bei MS-Behandlung

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Patienten mit multipler Sklerose und Personen mit schwerer Migräne dürften - zumindest zum Teil - in nächster Zukunft mit besseren Behandlungsmöglichkeiten rechnen können. Bei der MS werden ein altbekanntes Zytostatikum und ein Wirkstoff, welcher aggressive Immunzellen in den Lymphknoten hält, untersucht, hieß es am Montag bei einer Pressekonferenz der österreichischen Gesellschaft für Neurologie.

"Die Multiple Sklerose ist insofern eine spezielle neurologische Erkrankung, als sie junge Erwachsene betrifft. (...) Man hat in den letzten 15 bis 20 Jahren mit der Magnetresonanz weltweit einen Fortschritt in der Diagnose erreicht. Wir konnten mit Beta-Interferon oder Glatirameracetat die Schubraten (akute Krankheitsschübe, Anm.) um ein Drittel senken", sagte der Präsident der Gesellschaft, Michael Ackerl (Oberpullendorf), bei der Pressekonferenz in Wien.

Seit 2006 gibt es mit dem monoklonalen Antikörper Natalizumab ein per monatlicher Infusion anzuwendendes Medikament, das die Häufigkeit akuter MS-Schübe sogar um 70 Prozent und mehr reduziert. Das Manko: Bei einem von 1.000 Behandelten kommt es zu einer oft tödlich verlaufenden Gehirnerkrankung (progressive multifokale Leukoenzephalopathie). In Österreich haben die Neurologen ein Register über die MS-Patienten angelegt, welche dieses Arzneimittel erhalten. Unter den bisher an die 590 Behandelten in Österreich zeigte sich aber noch kein solcher Zwischenfall.

Doch es gibt Neuheiten. Zwei Medikamente, welche in Tablettenform eingenommen werden können, stehen - mit offenbar besserem Wirkungsgrad als die bisherigen Therapeutika - in den Startlöchern. Ackerl: "Das eine ist Cladribin, das bisher als Krebsmittel eingesetzt wurde und die Teilung bestimmter weißer Blutkörperchen hemmt." Die MS besteht ja im Grunde aus einem Angriff aggressiver weißer Blutkörperchen auf die Isolierschichten von Nervenbahnen im Gehirn sowie auf die Nervenbahnen selbst.

Im Vergleich zu Placebo zeigte sich in einer klinischen Studie mit Cladribin in einem Zeitraum von 96 Wochen eine Verringerung der Häufigkeit akuter MS-Schübe um 54,5 bis 57,5 Prozent. Fast 80 Prozent der Behandelten blieben zwei Jahre lang schubfrei, allerdings auch 60 Prozent der nur mit einem Scheinmedikament Therapierten.

Allerdings, Cladribin ist auch ein bezüglich potenzieller Nebenwirkungen ausgesprochen "unangenehmes" Medikament. Man befürchtet eventuell die Auslösung von Krebs als Nebeneffekt. Die Anwendung soll ebenfalls via MS-Register beobachtet werden. Die Dosierung bei der Multiplen Sklerose dürfte allerdings niedriger sein als bei Krebspatienten. Außerdem soll das Arzneimittel erst eingesetzt werden, wenn herkömmliche Therapien versagen.

Neu in der Therapie der Multiplen Sklerose ist die Substanz Fingolimod. Michael Ackerl, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie: "Fingolimod verhindert, dass potenziell schädliche Immunzellen aus den Lymphknoten in die Blutbahn kommen." Die aggressiven Zellen werden sozusagen in den Lymphknoten "festgesetzt".

In einer großen wissenschaftlichen Studie mit fast 1.300 Patienten und schubförmiger MS ließ sich im Vergleich zu einer Behandlung mit Beta-Interferon die Häufigkeit von Krankheitsschüben um 38 bis 52 Prozent reduzieren. Auch Fingolimod wird in Tablettenform eingenommen.

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