Verspannungen vermeiden

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Der PC-Spezialist, die Goldschmiedin, der LKW-Fahrer: Sie sind - wie viele andere Berufstätige auch - typische Kandidaten für Verspannungen. Jeder, der über mehrere Stunden hochkonzentriert arbeitet oder sich lange einseitig belastet, ist gefährdet.

Aber auch eine Sportverletzung, altersbedingter Verschleiß oder sogenannte statische Beschwerden wie ein Hohlrundrücken oder ein Knick-Senk-Fuß können zu einem steifen Nacken oder Zwicken im Kreuz führen, erläutert Nils Graf Stenbock-Fermor vom Deutschen Orthopäden-Verband in Köln. Wichtig sei, die Ursache für die Verspannung zu finden - denn sie ist immer nur ein Symptom.

Bei einer Verspannung zieht sich der Muskel zusammen und verhärtet dadurch. "Es sind bestimmte Muskeln, die so reagieren: im Nacken und am oberen Rücken neben der Wirbelsäule", sagt Frank Naeve vom Deutschen Verband für Physiotherapie in München. "Der Muskel ist in fühlbar höherer Spannung - messbar ist das allerdings nicht." Was im Muskel abläuft, sei der Wissenschaft bislang nicht genau bekannt.

Als "klassisches Erbe unserer Evolutionsgeschichte" bezeichnet Dieter Breithecker von der Bundesarbeitsgemeinschaft für Haltungs-und Bewegungsförderung in Wiesbaden das Phänomen. Die Verspannung entstehe aus einer Anspannung heraus, die auf dem urzeitlichen Reflex "Zuschlagen oder Wegrennen" beruhe. "Wenn keine Bewegung folgt, bleibt die Anspannung erhalten, der Muskel wird nicht mehr durchblutet und kann nicht mehr entspannen", erklärt er.

Oft handele es sich bei Verspannungen um Zivilisationsbeschwerden, ergänzt Stenbock-Fermor. Der Mensch sei nicht für das Sitzen auf einem Stuhl gemacht. "Der Mensch ist ein Bewegungswesen", sagt auch Breithecker. Wer das beherzigt, hat weniger Beschwerden als der phlegmatische Kollege am Schreibtisch gegenüber. Schon kleine Dinge können helfen: Treppe statt Lift nehmen, im Stehen statt im Sitzen telefonieren, den Drucker am anderen Ende des Raums aufstellen.

Eine Verspannung kann auch auf sogenanntem Distress beruhen, also psychologische Gründe haben. Denn die Muskulatur gilt laut Breithecker als Organ der Seele: "Im Beruf kann große Belastung, Kündigungsangst oder Erwartungsdruck vom Chef zu Verspannungen führen." Das treffe auch für familiäre oder sonstige psychosoziale Probleme zu. Die Ursachenforschung ist in solchen Fällen naturgemäß schwieriger, als wenn die Verspannung auf Verschleiß, einer Verletzung oder falscher Körperstatik beruht.

In der Regel hilft Bewegung. Oft machen Betroffene das unbewusst. "Ist der Nacken steif, bewegt man automatisch den Kopf nach links und rechts oder massiert unbewusst die betreffende Stelle, um die Muskeln zu lockern", sagt Breithecker. Wer allerdings schon Schmerzen hat, lasse sich nicht zu mehr körperlicher Aktivität verleiten, erklärt Stenbock-Fermor. Im akuten Fall gilt daher: Erst muss der Betroffene schmerzfrei sein.

Wärme, Massagen oder eine Physiotherapie lindern die Beschwerden. "Ein guter Masseur kann die Symptome minimieren. Muskelentspannende Präparate sind - auf Dauer - die schlechteste aller Möglichkeiten und nur im Anfangsstadium, also bei akuten Beschwerden, sinnvoll." Anschließend sollte sich der Patient rasch mehr bewegen, damit sich seine Muskelmasse nicht abbaut. Der Orthopäde empfiehlt angeleitete Kräftigungsübungen - zum Beispiel Reha-Sport-, gerätegestützte Krankengymnastik oder Fitness-Übungen.

Wer rechtzeitig vorbeugt, kann Verspannungen vermeiden. "Sorgen Sie für Ausgleich zu Ihren Alltagsbelastungen durch regelmäßigen und abwechslungsreichen Sport", rät Physiotherapeut Naeve. Auch Entspannungstechniken können helfen. Das sei wissenschaftlich fundiert: Yoga etwa führe zu einer massiven Mehrdurchblutung der Muskeln und beuge somit vor. Wer solchen "organisierten Ausgleich" nicht mag, dem helfen vielleicht regelmäßige Spaziergänge oder lockeres Joggen, ergänzt Breithecker.

Auch eine "aktive Pause" am Arbeitsplatz mit regelmäßigen Dehnübungen wirkt präventiv. Weitere sinnvolle Mittel sind eine ergonomische Tastatur, die richtige Sitzhöhe, ein Stehpult oder ein Stuhl mit kippelnder Sitzfläche. "Schreiben Sie dem Kollegen keine Mail, sondern gehen Sie zu ihm", empfiehlt Breithecker. Er warnt vor einem großen Fehler: "Werden Sie nicht zu einem 'Weekend-Warrior', indem Sie meinen, Sie müssten am Wochenende im Fitnessstudio die in der Woche versäumte Bewegung nachholen." Dadurch entstehe nur neuer Stress, der zu neuen Verspannungen führen kann. Sinnvoller sei es, das Sportpensum in kleinen Häppchen über die ganze Woche zu verteilen.

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