Stress und Erkältungen lösen Herpes aus

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Am Anfang juckt und kribbelt es ganz leicht. Dann - meist nur Minuten später - entwickelt sich ein leichtes Spannungsgefühl an der Ober- oder Unterlippe. Und schließlich kommt die bittere Erkenntnis: Es ist soweit, der Herpes ist wieder da.

Herpes-Leidgeprüfte wissen spätestens jetzt, dass sie die nächsten Tage mit den unangenehmen und schmerzenden Bläschen zu kämpfen haben und entsprechende Blicke und Sprüche netter Mitmenschen über sich ergehen lassen müssen. Auch Markus Kütterer ist "Wiederholungstäter". Er leidet seit rund 15 Jahren unter den immer wiederkehrenden Lippenbläschen. Etwa einmal im Jahr kommen bei ihm mehrere Faktoren zusammen, die den Krankheitsausbruch begünstigen: "Viel Stress in Kombination mit einer Erkältung ist bei mir eine Garantie dafür, dass ich Herpes bekomme", sagt der 42-Jährige aus Weinstadt.

Unglücklicherweise spüre er die ersten Anzeichen meistens genau dann, wenn er unterwegs ist und keine entsprechende Prophylaxe wie eine Salbe dabei hat. Bei ihm dauert die Herpes-Episode etwa eine Woche, und auch wenn es jedes Mal eine unangenehme Angelegenheit ist, hat er sich mittlerweile damit arrangiert. "Herpes ist wirklich lästig, aber wenn man weiß, dass es nach einer Woche wieder vorbei ist, kann man gelassener damit umgehen", sagt er.

Viele Menschen tragen die tückischen Herpes-Viren in sich - die meisten, ohne jemals Beschwerden zu haben oder überhaupt davon zu ahnen. Die Erstübertragung findet ohne jegliche Symptome durch Tröpfchen oder Hautkontakt statt, also über kleine Hautverletzungen oder über die Schleimhäute. Ist jemand erst einmal infiziert, verbleiben die Erreger im Ruhezustand im Körper und lösen erst dann eine Infektion aus, wenn das körpereigene Immunsystem zu schwach ist, um sie zu unterdrücken. Das kann beispielsweise bei einer Erkältung oder Grippe der Fall sein, aber auch bei Erschöpfung oder nach einem exzessiven Sonnenbad.

Je nach Veranlagung haben Menschen ständig oder seltener Herpes, manche Frauen vor oder während ihrer Menstruation. Ein Ausbruch von bis zu sechsmal im Jahr sei noch im grünen Bereich, sagt die Hautärztin Miriam Zago aus Kaarst bei Düsseldorf. "Aber alles, was darüber hinaus geht, muss per Langzeit-Prophylaxe behandelt beziehungsweise verhindert werden." Wer einmal Herpes gehabt habe, könne immer wieder davon befallen werden, meist auch an der selben Körperstelle. "Wenn man einmal seinen Herpes-Typus weg hat, dann manifestiert sich das auch."

Der am häufigsten vorkommende und meist harmlose Typus ist der "Herpes labialis" an Ober- oder Unterlippe, der von dem Herpes-simplex-Virus Typ 1 ausgelöst wird. "Theoretisch kann man Herpes zwar überall bekommen, aber hier ist die Haut besonders dünn und empfindlich und zudem eine besonders sensible Übergangsschleimhaut", sagt Zago. Bei einer Behandlung mit einer vorbeugenden Salbe sofort nach dem ersten Auftreten von Juckreiz könne der Ausbruch des Herpes zwar nicht gänzlich verhindert, aber die Dauer etwas verkürzt werden.

Kritischer und vor allem für Schwangere und Babys gefährlich ist ein "Herpes genitalis" im Genitalbereich, der durch Herpes-simplex Typ 2 hervorgerufen wird. Diese Viren können etwa das Gehirn von Babys in Mitleidenschaft ziehen. Eine medikamentöse Behandlung des Neugeborenen sei daher zwingend erforderlich, betont die Ärztin. "Tückisch ist hier auch, dass in jener Körperregion oftmals schon ein kleiner Haarriss reicht, um die Viren zu transportieren und eine Krankheit hervorzurufen." Bei einer eindeutigen Erkrankung - egal an welcher Stelle - gelte daher: "Finger weg und Küssen verboten, die Ansteckungsgefahr ist enorm hoch."

Vor allem der Lippenherpes ist es, der für die Betroffenen nicht nur schmerzhaft ist, sondern oftmals auch mit Scham einhergeht und für eine Portion Distanz zu den Mitmenschen sorgt. "Für die Menschen, die den Herpes von außen betrachten, ist dieses Thema oft entsprechend negativ und mit Vorurteilen besetzt - Menschen mit Herpes werden schnell sozial etikettiert", bestätigt Ralf Blumenthal vom Berufsverband der Deutschen Dermatologen in Berlin.

In der Tat ist Herpes kein besonders schöner Anblick: Die Bläschen nässen im ersten Stadium, trocknen anschließend aus und verkrusten, bevor der dunkle Schorf schließlich abfällt und im schlimmsten Fall eine kleine Narbe hinterlässt. "Viele assoziieren Herpes automatisch mit einer schlimmen Krankheit, dabei kann gerade der Herpes am Mund fast schon als Volkskrankheit bezeichnet werden", betont Blumenthal.

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