Wie nehmen wir unseren Kleinen die Angst?

Ukraine-Krieg: Kindern das Unerklärliche erklären

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Eine Expertin und ein neues Kinderbuch geben Tipps.

Es sind Bilder, Videos und Nachrichten, die sich aktuell mehr denn je einprägen. In der Ukraine herrscht Krieg – und auch die Kleinsten bleiben davon nicht verschont. So ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Kinder das Thema im Kindergarten, in der Schule, am Spielplatz oder daheim aufschnappen. Doch wie erkläre ich meinem Kind, was Krieg ist? Psychologin Irene Hirsch, Bereichsleitung Mobile Dienste der St.Nikolausstiftung, klärt auf.

Mein Kind fragt mich, was Krieg ist: Wie soll ich darauf reagieren?

Hirsch: Prinzipiell sollte man nur dann auf das Thema eingehen, wenn Kinder selbst dieses Thema durch Fragen, aber auch im Spiel einbringen. Beim Gespräch ist zu beachten, den Kindern kindgerecht und wahrheitsgemäß zu antworten. Hören Sie genau zu, was vom Kind erfragt wird, und beantworten Sie nur das Gefragte – Kinder bestimmen dabei selbst das Tempo und das Ausmaß an Information. Es ist wichtig, die Reaktion des Kindes im Blick zu haben und darauf einzugehen, Kinder haben natürliche Strategien, Abstand zu Belastendem zu nehmen, dies zeigt sich zum Beispiel, indem sie sich wieder einem Spiel zuwenden. Ganz allgemein ist es empfehlenswert, die Befassung mit dem Thema zeitlich zu beschränken. Verwenden Kinder Begriffe, die nicht ihrem Wortschatz entsprechen, kann es auch helfen, zu überprüfen, was das Kind darunter versteht. Rückversichern Sie sich, ob und wie das Kind Ihre Erklärungen verstanden hat und beenden Sie das Gespräch mit etwas Positivem wie einem Spielangebot.

Krieg ist schwer in Worte zu fassen. Wie erkläre ich das Unbeschreibliche?

Hirsch: Diesbezüglich ist sicher relevant zu beachten, wie alt das Kind ist, mit dem man spricht, und welches Vorwissen Kinder bereits haben. Bevor Erwachsene sich um Erklärungen bemühen, hilft es, nachzufragen, was das Kind bereits dazu gehört hat und was es darüber weiß bzw. wie es das verstanden hat. Im Gespräch mit dem Kind können dann Informationen ergänzt werden oder dort und da Ängste und Unsicherheiten abgeschwächt werden. Natürlich müssen die verwendeten Wörter und Erklärungen dem Entwicklungsstand, aber auch dem Wortgebrauch des Kindes angepasst werden – für Kinder im Kindergartenalter bzw. frühen Volksschulalter ist vielleicht der Vergleich mit einem Streit zwischen zwei Ländern angemessen, bei älteren Kindern können da bereits differenziertere Information gegeben werden, Kindernachrichtensendungen (wie www.zdf.de/kinder/logo) können dabei unterstützen, Kindern komplexe Themen auf verständliche Art zu vermitteln. Schauen Sie Kindernachrichtensendungen immer gemeinsam, so können Sie auch auf mögliche Fragen des Kindes eingehen.

Was kann ich tun, damit meine etwaige Angst sich nicht auf das Kind überträgt?

Hirsch: Kinder haben von Natur aus feine Antennen für die Emotionen ihrer Angehörigen. Gefühle wie Hilflosigkeit, Angst oder Wut werden von Kindern wahrgenommen, auch wenn Erwachsene sich bemühen, diese zu verbergen. Es ist verständlich, dass Erwachsene Kinder vor (vermeintlich) negativen Gefühlen bewahren wollen, gleichzeitig wird dabei meist vergessen, wie wichtig es für die Entwicklung von Kindern ist, Empfindungen wahrnehmen und ausdrücken zu können. Bezugspersonen sind dabei wichtige Vorbilder. Es ist wichtig, das Kind mit seiner Wahrnehmung nicht alleine zu lassen. Um Wahrgenommenes einordnen und somit auch verarbeiten zu können, ist es notwendig, dem Kind Wörter zur Verfügung zu stellen. Zudem können Kinder von Erwachsenen lernen, wie man zum Beispiel mit Bedrücktheit oder Ärger umgehen kann – ein Spaziergang an der frischen Luft, um den Kopf frei zu bekommen, zeigt Kindern zum Beispiel eine Strategie, wie man mit innerer Anspannung umgehen kann. Die Beteiligung an einer Spendenaktion zugunsten der betroffenen Bevölkerung in der Ukraine hilft zum Beispiel dabei, sich nicht ganz hilflos zu erleben.

Was soll ich in der Kommunikation mit meinem Kind unbedingt vermeiden?


Hirsch: Achten Sie auf Ihre eigenen Gefühle. Eigene, intensive Ängste oder Gefühle der Hilflosigkeit können sich auf die Kinder übertragen. Holen Sie sich bei Bedarf zuerst Unterstützung beziehungsweise überlegen Sie sich passende Worte und was Sie Ihrem Kind vermitteln möchten und suchen Sie erst dann das Gespräch mit dem Kind. Kinder sollten keine ungefilterten realen Berichte über Kriegshandlungen sehen und schon gar nicht alleine Zeit vor dem Fernseher oder Radio verbringen. Als erwachsene Person ist es wichtig und gut, sich über das Geschehen in der Ukraine zu informieren, und es ist ganz normal, davon betroffen zu sein. Schauen Sie Nachrichten, wenn Ihr Kind nicht anwesend ist und schalten Sie diese dazwischen auch bewusst ab, um zur Ruhe kommen zu können.

Zuletzt: Was macht Ihnen Hoffnung?


Hirsch: Das ist eine schwierige Frage. Ich würde sagen: die große Hilfsbereitschaft und Solidarität, die den vom Krieg betroffenen Menschen entgegengebracht wird.
 

Ukraine-Krieg: Kindern das Unerklärliche erklären
© leykam
× Ukraine-Krieg: Kindern das Unerklärliche erklären

Buchtipp: In „Panzerschloss“ nähern sich Lisa Aigelsperger und Beatrice Cozzolino dem Thema Krieg auf 32 Seiten kindgerecht an.
Zuversicht. Die Story über Freundschaft und Streit, Versöhnung und Zusammenhalt gibt’s ab 14 Euro – soeben erschienen im Leykam Verlag.

Wichtige Nummern & Kontakte:


● Psychosozialer Dienst: 01 313300
● Telefonseelsorge: 142
● Rat auf Draht – Kids im Schulalter: 147
● Unterstützung durch das Mobile Team der St. Nikolausstiftung: 01 515523838

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