Myra ist die Heimat des Nikolaus

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Im Südwesten der Türkei liegt der Ursprung einer urchristlichen Legende: Der Heilige Nikolaus soll hier im vierten Jahrhundert als Bischof von Myra gewirkt haben. In der Antike erstreckte sich in der Gegend der Lykische Städtebund. Auch heute finden Urlauber in der Umgebung der Stadt Demre noch Spuren aus jener Zeit.

Myra lag einst direkt am Meer. Es heißt, der Apostel Paulus sei von hier aus mit dem Schiff nach Rom gesegelt, wo er als Märtyrer starb. Die Ruine einer frühmittelalterlichen Basilika erinnert am Rande der Kleinstadt Demre an das erste Grab des Bischofs Nikolaus. Der Körper des Heiligen ist jedoch längst nicht mehr in dem Sarkophag. Er liegt in der Basilika San Nicola in Bari in Süditalien. Denn als arabische Eroberer über Lykien herfielen, sorgte sich das Abendland um seinen Heiligen. So starteten im Jahr 1087 italienische Seefahrer und Kaufleute zu einer Expedition. Sie landeten an der Küste vor Myra, drangen in die fast verlassene Stadt vor, raubten das Skelett und brachten es nach Bari.

"Wir haben hier in Demre sehr viele russische Besucher", sagt Hassan Öcal, ein Geschäftsmann. "Sie kommen wegen ihres Patrons. Als Andenken füllen sie sich etwas Erde, die sie für heilig halten, in mitgebrachte Säckchen." Nikolaus ist der Schutzheilige Russlands und der orthodoxen Kirche. Für die Türken hat der Nikolaus keine religiöse Bedeutung, auch wenn sie zur Denkmalserhaltung die Basilika restaurieren lassen. Den Touristen, die aus den Badeorten um Antalya nach Demre fahren, zeigen die Reiseführer außer der Basilika auch andere Sehenswürdigkeiten. Ein gut erhaltenes Amphitheater, Reste einer Akropolis und ein großer antiker Getreidespeicher erinnern an die Vergangenheit des Küstenstrichs. Besonders sehenswert sind die in Berghänge geschlagenen Felsgräber.

Der deutsche Archäologe Jürgen Borchardt trug von 1965 bis 1968 durch seine Arbeiten am Ort viel dazu bei, dass die Basilika wieder freigelegt wurde. Sehen können Besucher heute die Bodenmosaiken und die restaurierten Fresken. Die früheste Kirche in Myra errichteten Christen etwa im sechsten Jahrhundert über dem Bischofsgrab, die Grundmauern des jetzigen Baus stammen aus dem neunten Jahrhundert.

"Nikolaus ist eigentlich eine Verschmelzung aus zwei historischen Personen: dem Bischof von Myra, der wahrscheinlich im vierten Jahrhundert gelebt hat, und dem gleichnamigen Abt von Sion, der Bischof von Pinora war und am 10. Dezember 564 in Lykien starb", erläutert der katholische Theologe Manfred Becker-Huberti, der in Grevenbroich lebt. "Aus diesen beiden historischen Geistlichen entwickelte sich die ab dem sechsten Jahrhundert in Legenden fassbare fiktive Figur des wundertätigen, übermächtigen Bischofs von Myra."

Der Reformator Martin Luther untersagte dann die Heiligenverehrung und nahm dem Nikolaus seine Funktion als Gabenbringer. Diese Aufgabe übernahm später das Christkind. Für die Katholiken hat der Nikolaus nach wie vor die ursprüngliche Rolle. "In Holland hielten die Reformierten ebenfalls an ihrem Nikolaus fest", erklärt Becker-Huberti. Als ihre Siedler in Nordamerika Nieuw Amsterdam, das heutige New York, gründeten, feierten diese auch dort ihren "Sinterklaas". Aus ihm wurde schließlich der volkstümliche Santa Claus - der Weihnachtsmann, der heute weltweit anzutreffen ist.

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