Istanbul will Schaufenster der Türkei sein

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Die Idee der Europäischen Kulturhauptstadt ist um eine Premiere reicher: Erstmals ist die Türkei vertreten. Die Bosporus-Metropole Istanbul will dabei 2010 mit ihrem reichen Kulturerbe glänzen, das weit über Touristenmagneten wie die Hagia Sophia, die Blaue Moschee und den Topkapi-Palast hinausgeht.

Hunderte Kulturprojekte sollen zusätzliche Besucher in die Stadt locken, die schon jetzt mehr als sieben Millionen Touristen im Jahr zählt. Mit bildender Kunst, Musik, Literatur und Tanz soll Istanbul ein Jahr lang die Herausforderungen aufzeigen, die auf Europa zukommen: "Sie ist lebendes Beispiel für das Verschmelzen der Zivilisationen und hat dabei verschiedene Kulturen, Religionen und Sprachen zu einer dauerhaften Einheit geformt" - das hatte der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan geschrieben, um die Bewerbung zu unterstützen. Schließlich erhielt Istanbul den Zuschlag zusammen mit Essen und dem Ruhrgebiet sowie der ungarischen Stadt Pécs.

   Die vier Elemente Erde, Luft, Wasser und Feuer sollen Leitmotive für das Kulturjahr sein. In der ersten Phase bis zum 20. März dreht sich das Programm um die Erde. In einer Jahreszeit, in der es auch in Istanbul feucht und kalt ist, will die Stadt mit Ausstellungen über Design in der Türkei und den kulturellen Reichtum im Osmanischen Reich locken. Moderne östliche Musik und ein internationales Puppentheater werden auf die Bühnen gebracht.

   Die Luft als Symbol für den spirituellen Reichtum der Stadt soll den Zeitraum bis Juni bestimmen. "Über hunderte Jahre haben Menschen unterschiedlichen Glaubens Seite an Seite gelebt und ihre Religion und ihre Gottesdienste frei praktiziert", erklärt das Organisationskomitee. Der Sommer bis zum 22. September soll dann im Zeichen des Wassers stehen - es geht um Istanbul als Brücke zwischen Asien und Europa. Die Hauptausstellung heißt "Europa am Bosporus" und soll Künstlern aus allen europäischen Ländern Gelegenheit geben, sich entlang der Meerenge auf Flößen und Stegen zu präsentieren.

   Das Feuer als kraftvolles Mittel der Veränderung soll die letzte Phase des Kulturjahres in Istanbul bestimmen und dabei für ein in die Zukunft gerichtetes Denken und die Modernisierung der Gesellschaft stehen. Dabei soll sich auch die Stadt selbst ändern - mit besserer Infrastruktur und einer Vision für die Zukunft. Als Wirtschafts- und Kulturmetropole eines Landes, das Mitglied der EU werden möchte, habe Istanbul eine Aufgabe als Schaufenster der Türkei.

   Soweit das Konzept. Türkische Künstler kritisieren aber, dass sich Istanbul zu konservativ und historisch präsentiere. Enttäuscht sind diejenigen, die auf mehr kulturellen Wagemut gehofft hatten und Istanbul als Stadt im Aufbruch zeigen möchten. Künstler haben Anträge für 1990 Projekte eingereicht und auf umgerechnet 1,4 Milliarden Euro Projektgelder gehofft. Bewilligt wurden bisher etwa 300 Kulturprojekte, und das Vorbereitungskomitee hat dafür rund 120 Millionen Euro bereitgestellt. Im Mai 2009 wurde eine Antragssperre verhängt, um die Flut der Bewerbungen einzudämmen.

   Ein Korruptionsskandal, der den Vorsitzenden des Komitees zum Rücktritt zwang, sorgte inmitten der Vorbereitungen für Ärger. "Hauptstadt der Korruption", schrieb die Tageszeitung "Habertürk", nachdem ein regierungsamtlicher Bericht bekannt wurde: Der Chefplaner des Kulturjahres, Nuri Colakoglu, soll in Personalunion Projekte beantragt, bewertet und bewilligt haben. Die Besucher werden von den Auseinandersetzungen und dem Ringen um die Frage, ob sich Istanbul als Museum der Epochen oder als Magnet für junge Künstler präsentieren soll, allerdings womöglich nicht mehr viel mitbekommen.

   Das Jahr 2010 wird in Istanbul auch als eine Chance gesehen, den Kulturtourismus auszubauen. Denn gut ausgebildete und kulturell interessierte Besucher geben dreimal so viel Geld aus wie der Durchschnittsurlauber. Mit ihren Sehenswürdigkeiten, Ausstellungen, Konzerten und belebten Ausgehmeilen ist die Stadt ansonsten sowieso eine ständige Attraktion - und das kommende Jahr damit gewissermaßen ein Selbstläufer, wie die Organisatoren hoffen.

   Informationen: Istanbul 2010 European Capital of Culture (Tel. von Deutschland: 0090/212/377 02 00, www.en.istanbul2010.org); Kulturabteilung der Botschaft der Türkei, Rungestraße 9, 10179 Berlin (Tel.: 030/214 37 52, E-Mail: info@tuerkei-kultur-info.de).

[Istanbul]: Istanbul, Türkei dpa/tmn cn cr ah

080713 Dez 09

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