Griechenland und Türkei buhlen um Urlauber

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Türken und Griechen sind seit langem nicht die herzlichsten Nachbarn. Nun könnte sich im Zuge der Finanzkrise eine längst angestoßene Entwicklung beschleunigen: Die Türkei zieht mit ihren modernen All-Inclusive-Anlagen immer mehr Sonnenhungrige an, Griechenland stagniert. Wer dieses Jahr trotzdem nach Griechenland fährt, könnte aber sogar von der Krise profitieren.

Die Entwicklung ist nicht neu: "Das ist ein Prozess, der seit vielen Jahren läuft", sagte Prof. Martin Lohmann auf der Reisemesse ITB in Berlin (noch bis 14. März). Griechenland sei seit den 70er Jahren ein etabliertes Reiseland, erklärte der Experte vom Institut für Tourismus- und Bäderforschung in Kiel. Die Türkei setzte in den 90ern zur großen Aufholjagd an, mit modernen Hotels und günstigen Preisen. Heute ist sie längst an ihren Nachbarn vorbeigezogen.

Im vergangenen Jahr reisten laut der Deutschen Tourismusanalyse der Stiftung für Zukunftsfragen 6,6 Prozent der deutschen Urlauber in die Türkei. Nach Griechenland zog es nur 3,3 Prozent. Gegen den weltweiten Trend konnte die Türkei sogar zulegen: Sie verzeichnete bei deutschen Gästen ein Plus von 1,6 Prozent, sagte Özgür Özaslan vom türkischen Tourismus-Ministerium. Nach Griechenland flogen dem Statistischen Bundesamt zufolge dagegen 4,2 Prozent weniger Passagiere von deutschen Flughäfen aus.

"Wir haben unsere Lehren gezogen aus den Erfahrungen anderer Länder", sagte Özaslan. Der Wettbewerb am Mittelmeer sei hart, ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis sehr wichtig. Hier liegt die Türkei klar vorne. Laut der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (F.U.R.) in Kiel gaben Urlauber für eine Griechenland-Reise im Jahr 2008 durchschnittlich 1.050 Euro aus. Für einen Urlaub in der Türkei waren es nur 913 Euro - obwohl die Durchschnitts-Reise dorthin sogar einen Tag länger war.

Allerdings können Griechenland-Urlauber darauf hoffen, dass dieser Abstand ein wenig schmelzen wird - wegen der Finanzkrise. "Die Griechen werden sich dieses Jahr mächtig reinhängen", vermutete Lohmann. "Der Tourismus ist ihr wichtigster Wirtschaftszweig." Das Bemühen um ausländische Gäste werde sich in Form von sinkenden Preisen auswirken. "Denn die Hotels können ja auf die Schnelle nicht besser werden."

Selbst die angekündigte Erhöhung der Mehrwertsteuer werde den Urlaub in Griechenland nicht spürbar verteuern, sagte Lohmann. "Das Gros sind Pauschalreisende, die zu festen Preisen buchen. Die Preise für dieses Jahr stehen schon seit Herbst fest." Eine Steuererhöhung könne sich also nur auf die Kosten vor Ort auswirken, etwa im Restaurant. "Davon lassen sich die Urlauber nicht abhalten", vermutete Zeuch.

DRV-Präsident Klaus Laepple rechnet damit, dass sich die Griechen nun umso mehr um ihre Gäste kümmern: "Das ganze kann einen heilsamen Schock auslösen und die Service-Bereitschaft erhöhen." Reisende müssten auch nicht damit rechnen, dass touristische Einrichtungen in staatlicher Hand wegen klammer Kassen geschlossen werden. "Das sind wichtige Einnahmequellen." Bleibt das Problem der Streiks. Sie seien unmittelbar nach Ankündigung der harten Sparmaßnahmen eine logische Reaktion gewesen, sagte Gerekou. Nach einer gewissen Zeit werde sich die Lage aber normalisieren, glaubt sie.

Die einhellige Botschaft lautet also: keine Angst vor der Krise. Wesentlich schlimmer könnte sich für die Griechen in diesem Jahr ein ganz anderer Nachteil gegenüber den Türken auswirken: Sie haben viel weniger All-Inclusive-Hotels auf ihre Inseln gebaut. Das könnte sich rächen. Denn in unsicheren Zeiten legen Urlauber großen Wert darauf, ihre Kosten vor der Abreise abschätzen zu können. Laut der diesjährigen Tourismusanalyse hat All-Inclusive hierzulande das größte Potenzial. 37 Prozent der Deutschen zeigen daran Interesse.

Griechenland werde reagieren und sein Angebot an entsprechenden Anlagen vergrößern, sagte Gerekou. "Aber wir wollen uns nicht darauf konzentrieren wie die Türkei." So bleiben die beiden Nachbarländer für Urlauber das, was sie laut Zeuch trotz aller Gemeinsamkeiten sind: nicht austauschbar.

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