Einstige Geisterbahn wertet Weinviertel auf

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Wenn Alfred Jirout den Lokschuppen am Lokalbahnhof in Mistelbach öffnet, dann ist er sehr stolz. Denn jahrelang haben er und seine Freunde viel Zeit in die Wiederbelebung des antiken Fuhrparks gesteckt. Und aus der vagen Vision wurde Realität. Seither lebt das touristisch komatöse Weinviertel auf - Dank einer längst totgesagten Eisenbahnstrecke.

Mehr als 22.000 Touristen tummelten sich allein im Vorjahr auf den Gleisen der einstigen "Landesbahn". Diese wurde 1988 eingestellt, nachdem die Fahrpläne dermaßen unattraktiv geworden waren, dass kaum noch jemand die "Pimperlbahn" benutzte. Vor sieben Jahren gründeten Jirout & Co einen Verein, der sich aber nicht mit dem Beweinen vergangener Zeiten beschäftigen wollte, sondern mit der Reanimation der im Jahr 1904 geschaffenen Verbindung.

Seither wurden zig-tausende Stunden freiwilliger Arbeit geleistet; Gleiskörper ausgebessert und von Unkraut befreit, Schotter aufgeschüttet, Schienenbolzen erneuert, an verrosteten Loks geschraubt und geschweißt, Heizkessel ausgebeult, Ventile geölt und Weichen gewartet. Dabei sollte, dabei durfte es aber nicht bleiben. Der gelernte Hotelfachkaufmann Jirout erkannte schnell, dass enorm viel Potenzial in der Strecke steckte. Seine Prämisse war stets: "Die Bahn ist ein Verkehrsmittel, das stressfrei viele Leute gemütlich transportieren kann. Und heute ist es dazu noch ein Erlebnis."

Doch Bahn allein, das würde zu wenig sein, es musste dazu noch unermüdlich "genetzwerkt" werden - ein maßgeschneiderter Job für Jirout. Heute ist er mit Bürgermeistern, Regionalmanagern, Gastwirten, Museums- und Naturparkbetreibern, Schlossbesitzern und Direktvermarktern "auf Du". Sie alle profitieren von den "Landesbahn"-Touristen, die nicht nur aus dem Großraum Wien kommen. Kreuzt nämlich eine ganz besondere Dampflok-Rarität durch die sanfte Hügellandschaft, reisen Bahnfans aus aller Welt an. Sie sorgen nicht nur für volle Nostalgiezüge, sondern auch für volle Heurigenbänke und Gästebetten.

Ganz gewaltig eingeschlagen hat auch die Fahrrad-Draisine. Sie verkehrt auf dem nördlichen Abschnitt und lässt den Schienenradler mitten durch die pure Natur rollen. 2009 wurde ein neuer Rekord aufgestellt: 13.500 Gäste. Ein Drittel davon ist mit der Bahn bis Ernstbrunn getuckert und strampelt nun die restlichen 12,5 Kilometer bis Asparn a. d. Zaya. "Wir hatten Leute aus Japan, Großbritannien, Schweden, USA, Israel und den arabischen Ländern da", erinnert sich Jirout, der in der Region schon lange nicht mehr als "Fantast" gilt. Sein Vorbild ist Deutschland. "Dort boomen die Nebenbahnen wieder, weil man in die Modernisierung der Strecken und Züge investiert hat. Warum sollte so etwas nicht auch bei uns möglich sein?"

Auf der "Landesbahn" läuft jedenfalls alles wie geschmiert, Ausflugszüge und Draisinen sind in der warmen Jahreszeit auf Wochen hin ausgebucht - dennoch ist das Erfolgsprojekt in Gefahr. Denn die ÖBB wollen ab 2011 keine Mittel mehr für den Bahnbetrieb Korneuburg-Ernstbrunn zur Verfügung stellen, weshalb die gesamten Hoffnungen des Vereins nun auf dem Land Niederösterreich ruhen. Sollte es hier zu einer Einigung kommen, stünde einem weiteren Aufblühen der Region nichts mehr im Weg.

Den Touristen, die heuer ins Weinviertel drängen, kann das aber egal sein. Sie werden die "Landesbahn" wohl abermals stürmen. "Wir wollen, dass die Leute ihr Auto zu Hause lassen. Die Verbindung von Bahn, Rad und Bus ist absolut ausreichend, um das gesamte Weinviertel bequem zu durchqueren und zu genießen. Die Verantwortlichen in der Region sind alle begeistert und machen mit", sagt Jirout und träumt sogar von einer Ausdehnung des Konzepts bis nach Tschechien. Dort gebe es nämlich auch etliche Gleise, die nur darauf warten würden, mit österreichischen verbunden zu werden. Doch das ist Zukunftsmusik. Bis zum Herbst soll entschieden werden, wie bzw. ob es weitergeht. Bis dahin werden im Weinviertel wohl viele Daumen gedrückt, denn zurück ins touristische Koma fallen, das will dort niemand mehr.

INFO: http://www.weinvierteldraisine.at/, http://www.landesbahn.at

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