Die Entdeckung der Langsamkeit in Gstaad

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Die angebliche Langsamkeit der Berner wird von den übrigen Schweizern gerne belächelt. Dennoch sind die Menschen im feinsten Wintersportort des Berner Oberlands stolz darauf, nicht zu den Schnellsten zu gehören. Gstaad hat die Gelassenheit sogar zum Markenzeichen erkoren: "Come up and Slow down", lautet das Motto.

Die Welt mag sich immer schneller drehen - in dem Promi-Ort südwestlich der Schweizer Hauptstadt ist die Hektik noch nicht angekommen. St. Moritz ist für die Promis, die gesehen werden wollen - Gstaad dagegen für die Reichen und Schönen, die lieber unbehelligt bleiben. Dieser Vergleich mit dem Nobelort in Graubünden gefällt den Saanen ganz gut - suggeriert er doch bei allem Glanz und Glamour der Gäste Bodenständigkeit und Unverfälschtheit. Hochadel, Geschäftsleute und Künstler protzen hier nicht. "Von außen sehen die Chalets der Superreichen kaum anders aus als die alten Häuser der Bauern", sagt der deutsche Starkoch Robert Speth, der in Gstaad lebt.

Wegen der Bauvorschriften gibt es nur traditionelle Chalets, wodurch das einheitliche Ortsbild mit seinen zum Teil aus dem 15. Jahrhundert stammenden Bauernhäusern erhalten blieb. "Hinter den einfachen Fassaden der neuen Chalets verbergen sich aber zum Teil wahre Paläste", verrät Speth. Unter manchen Holzhäusern verstecken sich Tiefgaragen für die Sportwagensammlung und private Kinosäle. Aber es gibt nicht nur Gourmet-Restaurants und Fünf-Sterne-Hotels: Einfache Pensionen, Appartements und der Winter-Campingplatz mit seinen kleinen Holz-Chalethütten bieten auch günstige Unterkünfte. Außerdem fahren Kinder im Alter bis neun Jahre im Skigebiet gratis.

Wilde Pistengaudi mit Après-Ski-Getöse sucht der Gast vergebens. Die vier Skigebiete rund um den 1050 Meter hoch gelegenen Ort bieten zwar 250 Pistenkilometer bis hinauf auf den schneesicheren Gletscher auf 3000 Metern. Die meisten Abfahrten sind leicht bis mittelschwer, und sie bevölkern sich erst am späten Vormittag. Rund die Hälfte der Gäste ist mehr als 50 Jahre alt. "Sie kommen erst gegen 10.00 oder 11.00 Uhr auf den Berg und kehren nach ein paar Abfahrten schon wieder in eine der Hütten ein", erzählt die Skilehrerin Fiona. Viele gehen auch gleich zum Langlaufen oder auf die Winterwanderwege.

Gstaad ist damit einer der wenigen Wintersportorte in den Alpen, in denen es den meisten Gästen gar nicht so sehr auf das Skifahren ankommt. Das wiederum freut die sportlichen Skifahrer: Sie finden oft fast leere Abfahrten vor. In Begleitung von Ski-Bergführern und mit dem unabdingbaren ABS-Lawinenrucksack für den Notfall ausgestattet, geht es außerdem auf unberührte Tiefschneehänge abseits der Pisten.

Wer sich im Iglu-Dorf auf dem Hausberg Eggli in 1550 Meter Höhe einquartiert, kann sogar jeden Morgen die frisch präparierten Pisten als erster abfahren. Gegen die Kälte in der Nacht helfen im Eishotel Spezial-Schlafsäcke, abends sitzen die Gäste im Restaurant auf warmen Lammfellen zusammen, und zum Aufwärmen steht ein Whirlpool mit 40 Grad heißem Wasser und freiem Blick in den Sternenhimmel bereit.

Und während sich die Iglu-Dorf-Gäste am späteren Nachmittag an der Eisbar einfinden, treffen sich viele andere bei heißer Schokolade, Wein und Champagner in der Fußgängerzone von Gstaad: die Gourmets, die Gemütlichen, die Familien, die Sportler und die Superreichen, die hinter ihren dunklen Sonnenbrillen aber nur selten zu erkennen sind.

INFO: www.gstaad.ch, www.myswitzerland.com

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