Pink Ribbon Night

Sterben kommt nicht in Frage, Mama!

17.09.2010


Judith End ist 25 Jahre, alleinerziehende Mutter, als sie die Diagnose Brustkrebs erhält. Der bewegende MADONNA-Talk.

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© Droemer & Knaur
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Judith End ist 25 Jahre, alleinerziehende Mutter von Paula (4), als sie die Diagnose Brustkrebs erhält. Vier OPs, 12 Chemos, 48 Bestrahlungen später schreibt sie ein Buch über ihr körperliches und seelisches Martyrium. Der bewegende MADONNA-Talk.

Paula, gerade vier Jahre alt geworden, findet „den Krebs blöd, weil er die Haare klaut“. Und natürlich spürt das kleine, tapfere Mädchen ganz genau, dass in der behüteten Zweisamkeit mit Mama Judith nichts mehr so ist wie vorher. Die liegt jetzt oft im Krankenhaus. Und wenn sie zu Hause ist, dann geht es ihr meist nicht gut. Die Mama muss viel weinen, wegen dem „blöden Krebs“. Und er klaut der Mama tatsächlich die Haare. Judith End (heute 29) ist im November 2006 gerade 25 Jahre alt, allein erziehende Mutter der vierjährigen Paula und in der Endphase des Studiums, als sie mit der Schockdiagnose Brustkrebs konfrontiert wird.

Schonungslos
Erste Reaktion? „Ich habe es erst gar nicht fassen können, war richtig sauer auf den Arzt und habe trotzig gesagt: Ich habe aber ein Kind. Ich kann jetzt keinen Krebs bekommen.“ Die nächsten sechs Monate geht End durch ein sehr strapazierendes und schmerzhaftes Martyrium wichtiger Therapien, die ihr Leben retten. Vier Mal wird die junge Mutter – bei derart jungen Patienten versucht man die Brust zu erhalten – am Busen operiert. Letztendlich muss die Brust amputiert werden. Danach folgen ein zwölfteiliger Chemotherapiezyklus und 48 Bestrahlungen. Heute ist End das, was man „ohne Befund“ nennt. „Ich habe also keinen negativen Befund. Man geht davon aus, dass ich keinen Krebs mehr habe.“ End schreibt sich in ihrem Buch „Sterben kommt nicht in Frage, Mama!“ einen Teil des Kummers von der Seele. Im sehr offenen und schonungslosen MADONNA- Interview spricht sie über ihr Schicksal und über die seelischen Narben, die vor allem auch Tochter Paula davongetragen hat.

 

Wie geht es Ihnen aktuell?
Judith End: Aktuell geht es mir gut. Ich bin ohne Befund, habe also keinen negativen Befund. Man geht davon aus, dass ich keinen Krebs mehr habe. Wobei man nie mit Sicherheit sagen kann, ob nicht noch ein paar Zellen herumschwirren. Die letzten Untersuchungen haben gezeigt, dass sowohl Leber, Knochen als auch Lunge frei von Metastasen sind. Insofern bin ich gesund. Ich habe auch keine größeren Beschwerden im Alltag.

Wie oft müssen Sie untersucht werden?
End:
Ich gehe alle sechs Monate zum Gynäkologen und mache eine Mammografie. Dann habe ich einmal jährlich einen Ganzkörper-Scan, bei dem man auf Metastasen untersucht.

Es gibt verschiedene Arten von Brustkrebs, Ihre Diagnose war eine heftige...
End:
Es war nicht die heftigste Form. Der Krebs wurde früh genug erkannt, um noch heilbar zu sein. Aber er hatte sich bereits auf das Lymphsystem ausgebreitet. Insofern kann man von einem fortgeschrittenen Stadium sprechen.

Die folgenden Therapien waren heftig. Sie sind sehr oft an der Brust operiert worden...
End:
Vier Mal. Man hätte das allerdings auch in einem Schritt machen können. Es ging darum, meine Brust zu erhalten, weil ich noch so jung war. Früher hat man die Brust einfach entfernt, aber heute versucht man, sie so gut wie möglich zu erhalten. In den meisten Fällen funktioniert das auch, aber bei mir ging es nicht, weil ich nicht nur einen Knoten hatte, sondern der Krebs sich in der Brust weiträumig verteilt hat.

Sie haben sich aber bis heute nicht zu einem Brustaufbau entschieden. Warum?
End:
Die Therapie war sehr heftig. Ich habe zwölf statt sechs Chemozyklen bekommen. Nach der Chemotherapie wurde ich noch bestrahlt, was auch nicht bei jedem Krebspatienten gemacht wird. Dann habe ich noch eine Antihormon-Therapie bekommen. Das bedeutet, mein Körper ist bis heute in den Wechseljahren und produziert keine Hormone. Das alles zusammen war sehr heftig. Und momentan bin ich noch nicht so weit, meine Brust aufzubauen. Es wäre wieder eine riesige Veränderung, wo ich doch gerade gelernt habe, mit der Situation umzugehen. Die einzige Operationsform, die bei mir in Frage kommt, ist die Eigenfetttransplantation. Man müsste mir Gewebe aus dem Hintern nehmen, um es dann in die Brust zu bringen. Das heißt, beides verändert sich. Fakt ist, ich bekomme meine Brust nicht zurück! Wenn sie aufgebaut wird, muss man mir woanders etwas wegnehmen. Ich weiß nicht, ob bei dieser Rechnung am Ende ein positiver Wert herauskommt.

Für Ihre Tochter Paula war die Diagnose und das, was folgte, auch sehr schlimm. Hat sie seelische Wunden davongetragen? Wie geht es ihr?
End:
Ja, ich denke schon. Viele Sachen, die eigentlich schon selbstverständlich sein könnten, sind für sie noch schwierig. Sie hat so viele kleine Ängste. Sie hat Angst vor der Dunkelheit, Angst vor dem lauten Toilettenabzug. Angst, wenn ich weggehe, dass ich nicht mehr zurückkomme. Es gibt viele ängstliche Kinder, aber ich denke schon, dass diese Ängste ein Resultat meiner Krankheit sind. Wir versuchen aber, soweit das geht, einen normalen Alltag zu leben. Paula wird im November acht und besucht die dritte Klasse. Ich gehe jeden Tag arbeiten. Wir hatten schon vorher als Kleinfamilie zu zweit ein sehr inniges Verhältnis. Das ist jetzt noch stärker geworden. Ich muss öfters zum Arzt und werde auch öfters krank, weil mein Immunsystem noch sehr schwach ist. In meiner Seele und auch in ihrer sind die Auswirkungen natürlich spürbar. Sie hat lange gebraucht, damit klarzukommen und wieder ein fröhliches Kind zu werden. Auch heute ist es noch schwer für sie, sich von mir zu trennen, für Klassenfahrten oder Übernachtungen bei Freundinnen. Wenn so etwas klappt, und ich sie nicht nachts abholen muss, ist das immer ein großer Erfolg für uns. Sie hatte sehr starke Verlustängste, schließlich wurde ihr auch der Boden unter den Füßen weggezogen. Und dass die Mama vielleicht bald nicht mehr da ist, ist eine Bedrohung, die ihr noch heute bewusst ist.

Sie leben zu zweit. Ist die Sehnsucht nach einem starken Partner nicht sehr groß?
End:
Natürlich wünsche ich mir das. Aber sehr kompromissbereit bin ich noch nicht. Ich müsste mich öffnen, was nicht einfach ist. Aber auf ewig will ich nicht allein bleiben. Und wer weiß, wenn die Antihormon-Therapie vorbei ist: Vielleicht kann ich doch noch Kinder bekommen?

 

Sterben war keine Option
Mit 25 Jahren bekommt Judith End 2006 – sie ist alleinerziehende Mutter der vierjährigen Paula – die Schockdiagnose Brustkrebs. In ihrem berührenden Krebstagebuch „Sterben kommt nicht in Frage, Mama!“ schildert End ihr körperliches und seelisches Martyrium. Denn neben schmerzhaften Operationen (die Brust musste amputiert werden), 12 Chemotherapien (!) und Bestrahlung ist da die kleine Paula, die auf einmal wieder ins Bett macht und Angst vor dem Tod der Mutter hat. (Erschienen bei Droemer & Knaur, 16,95 Euro).

© Droemer & Knaur

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