Ex-Bischöfin Margot Käßmann

'Ich fiel in Gottes Hand‘

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Krebserkrankung, Scheidung und Trunkenheit am Steuer brachten die Wende in Käßmanns Leben.

Sollte der Spruch aus dem Volksmund „Wen Gott liebt, den prüft er“ auf Erden irgendeine Berechtigung haben, er würde wohl auf den Lebenslauf von Ex-Bischöfin Margot Käßmann (52) passen. Genauer: auf die letzten fünf Jahre, die wohl die bewegtesten ihres Lebens waren.

Lebenswege
2006 erkrankte die beliebteste und vor allem glaubwürdigste evangelische Theologin an Brustkrebs. 2007 ließ sie sich nach 26 Ehejahren und vier gemeinsamen Töchtern von Ehemann Eckhard, selbst evangelischer Pfarrer, scheiden. Ihre durch die Krebserkrankung möglicherweise begrenzte Lebenserwartung habe ihr den Mut zum Eingeständnis ihrer gescheiterten Ehe und zur Scheidung gegeben, erklärte die ehemalige Bischöfin später. Als Pfarrerin gelang es Käßmann, mit unorthodoxen Messen (sie lud Popstars zum Musizieren in die Kirche) und authentisch gelebtem Glauben Millionen Protestanten zum Kirchgang zu bewegen. Doch Krankheit, Trennung und Scheidung hatten bei der sensiblen lutherischen Theologin Spuren hinterlassen. 2010 wurde sie alkoholisiert am Steuer ihres Pkw erwischt. Was viele unter dem Kapitel „Fehltritt“ in der Vita verbuchen, bedeutete für Käßmann die Kehrtwende ihres Lebens. Sie legte ihr Amt als Bischöfin nieder und tauchte eine Weile in der Anonymität ab. In den USA musste die einst beliebteste und populärste Theologin Deutschlands ihr Leben neu ordnen. „An meinem 52. Geburtstag bin ich dann aufgewacht und dachte mir: Das ist interessant. Die Kinder sind aus dem Haus, du bist alleine und weißt weder wo du arbeiten noch wo du wohnen wirst.“ Das war überraschend. Heute lehrt Käßmann an der Universität in Bochum Sozialethik. Wie sich ihr Leben verändert hat, verrät sie im Talk.

Margot Käßmann: 'Ich fiel in Gottes Hand‘
© Reuters

Bild: (c) Reuters
Als evangelische Bischöfin erreichte sie ein Millionenpublikum. Nach einer Alko-Fahrt dankte sie 2010 ab.

Manchmal kann man sein Leben nicht selbst gestalten, sondern wird dazu gebracht, Entscheidungen zu treffen. Haben Sie je an Ihrer Entscheidung zurückzutreten gezweifelt?
Margot Käßmann:
Nein, ich hatte nie Zweifel daran, dass das die richtige Entscheidung war. Ich hatte das tiefe, persönliche Empfinden, einen Fehler gemacht zu haben und dass dieser Fehler für mein Amt nicht verantwortbar war. Deshalb habe ich auch gesagt, dass ich es nicht mehr wahrnehmen kann. Natürlich bereue ich meinen Fehler, aber ich denke, dass er menschlich war. Ich hatte dann diese innere, evangelische Freiheit zu sagen: „Ich war Margot Käßmann in diesem Amt, aber ich werde auch noch Margot Käßmann ohne dieses Amt sein.“ Ich bin heute immer noch froh darüber, dass ich damals den Mumm hatte, den Journalisten mit all ihren Kameras ins Gesicht zu sehen und ihnen zu sagen, dass ich von all meinen Ämtern zurücktrete. Das war für mich eine Frage von Haltung, Verantwortung und Freiheit. Man kann nicht tiefer fallen, als in Gottes Hand.

Fühlen Sie sich jetzt, ohne ein öffentliches Amt, freier und unbeobachteter?
Kässmann:
Ich habe immer eine Linie zwischen meinem öffentlichen und privaten Leben gezogen. Meine Privatsphäre war also geschützt. Jetzt habe ich die Chance zu entscheiden, ob ich mich zu etwas äußern möchte oder nicht. Ich habe mehr Abstand gefunden.

Als Bischöfin haben Sie gesagt, Sie würden mit Ihrem Hund joggen und gleichzeitig Ihre E-Mails beantworten. Hat sich das verändert?
Kässmann:
Das hat sich in meinem Leben deutlich verändert. Ich habe meinen Lebensrhythmus heruntergefahren und genieße das sehr. Ich hatte auch eine sehr große Sehnsucht danach, Ruhe zu finden. Deshalb habe ich es aber nicht darauf angelegt zurückzutreten, denn ich habe meine Arbeit wahnsinnig gerne gemacht. Ein Bedürfnis nach mehr Ruhe war aber da.

Menschen fragen Sie in den letzten Wochen sicherlich oft: „Wie kann Gott so etwas zulassen?“ Was antworten Sie?
Kässmann:
Ich bin nicht der Überzeugung, dass Gott ein strafender Gott ist, der mal hier ein Erdbeben, dort eine nukleare Verseuchung und woanders einen Terroristen hinschickt. Ich denke eher, dass Gott dich im Leiden begleitet und dir die Kraft gibt, es zu überstehen.


Käßmann über Wendepunkte
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Margot Käßmann: 'Ich fiel in Gottes Hand‘
© Verlag Herder

Ratgeber. 50 – und definitiv zu alt für faule Kompromisse. Die Frage ist: Was war bis hierher? Und: Was habe ich noch vor? In zehn Kapiteln geht Margot Käßmann den Themen nach, die sich mitten im Leben stellen: Jugendlichkeit und Alter, Familie, Freundschaft und Alleinsein, Schönheit und Scheitern, Krankheit und Glück, Grenzen und Kraftquellen, Routine und Veränderung. Ein Buch, so lebendig wie ihre wahre Geschichte. (Herder Verlag, 16,95 Euro). HIER können Sie das Buch bestellen!
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