Jewgenija Timoschenko

'Kämpfe für meine Mutter'

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Sie ist der Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten. Und sie hat ihre Stärke. Jewgenija Timoschenko will ihre Mutter aus der Haft befreien. Porträt einer Kämpferin.

Hinter der zarten, fast zerbrechlichen Statur verbirgt sich eine energiegeladene Frau. Zu allem entschlossen. Für alles bereit. Obwohl Jewgenija Timoschenko (31), schöne Tochter der inhaftierten ukrainischen Oppositionsführerin Julija – bekannt durch den goldenen Haarkranz um den Kopf –, jetzt genau dort ist, wo sie nie hinwollte. „Ich bin keine Politikerin“, so die kluge Tochter der Ikone der „Revolution in Orange“. Doch seit ihre Mutter letzten August inhaftiert wurde – genau seit Viktor Janukowitsch wieder an der Macht ist, der Mann, den die ehemalige Revolutionsführerin und spätere Ministerpräsidentin bekämpft hatte –, hat sich ihr Leben komplett verändert.

Höchstleistung
Julija Timoschenko (51) sitzt seit 2011 in der Strafkolonie 54. Sie wurde zu sieben Jahren Gefängnis wegen Amtsmissbrauchs verurteilt. Ihre Gesundheit ist schwer angeschlagen, und Tochter Jewgenija sowie Timoschenkos Anwalt sind die Einzigen, die sie besuchen dürfen. Sie sind die einzigen Informationsquellen von „draußen“.
Dabei postuliert Jewgenija immer Folgendes: „Ich bin keine Julija Timoschenko. Ich mache keine Politik. Ich bin nur eine Frau, die für ihre Mutter kämpft.“ Denn von klein auf hatte sie sich stets darum bemüht, sich von der Welt des Gases, des Geldes und der Macht, in der ihre Mutter jahrelang eine wesentliche Hauptrolle gespielt hatte, fernzuhalten. Oft gegen die Wünsche ihrer fordernden Mutter. Englisch, Klavierunterricht, Schwimmen, Mathematik – nie war die Mutter mit weniger zufrieden als mit der Höchstleistung. In den wilden Jahren der Wende, als die Tochter vierzehn war und die Mutter im Gasgeschäft zur Multimillionärin aufstieg, kam Jewgenija im Stile der postsowjetischen Geldaristokratie auf ein exklusives englisches Internat.

Danach ging sie zum Studieren an die elitäre „London School of Economics“. England hat ihr gefallen, und es spricht für Jewgenijas Distanz zur Mentalität der neuen postsowjetischen Geldelite, dass sie später nicht einen reichen Oligarchensohn geheiratet hat, sondern Sean Carr, einen tätowierten Rockmusiker aus Nordengland.
Rückkehr. 2003 ist sie jedoch in die Ukraine zurückgekehrt. „Aus privaten Gründen“, wie die Ökonomin immer wieder betont. Ihre Mutter, damals Oppositionsspitze gegen den diktatorischen Präsidenten Kutschma und den heutigen Präsidenten Janukowitsch, war gerade, ebenso wie ihr Vater, vorübergehend ins Gefängnis gekommen, der Großvater hatte vor Gericht einen Herzinfarkt erlitten. „Ich wusste damals, dass mein Platz bei meiner Familie ist“, sagt die aparte Jewgenija heute.

Politik wider Willen
Von der Politik hielt sie sich dennoch fern. Lieber kümmerte sie sich um ihre Karriere als Restaurantbesitzerin in Kiew. Doch als die ukrainische Justiz 2011 begonnen hat, die demokratische Opposition in Strafkolonien zu schicken, ist Jewgenija – nun öffentlich – an die Seite ihrer verhafteten Mutter Julija Timoschenko getreten. Zusammen mit ihrem Vater Aleksander, der während des Prozesses seit langer Zeit wieder an der Seite seiner Frau erschien, saß sie neben ihrer Mutter. Wider Willen ist so aus Jewgenija eine politische Figur geworden. Seit die Mutter mit dem goldenen Haarkranz in der Strafkolonie gefangen ist, hat sie unzählige Auftritte absolviert, Reden gehalten, um Gerechtigkeit gekämpft. Es muss sein. Denn Julijas Partei „Batkiwschtschina“ (Vaterland) ist das wichtigste Instrument des Freiheitskampfes der Mutter geworden.

2011 hat sie ihren neuen Weg amtlich beglaubigen lassen. In ihrem Pass steht nicht mehr „Jewgenija Carr“, sondern ihr Mädchenname, der Kampfname Timoschenko.

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