Wahl in Weißrussland:

Drei Frauen, ein Ziel

Teilen

Heute geht es in Weißrussland um das Präsidentschaftsamt. Warum eine 37-jährige Hausfrau bei dieser Wahl einem langjährigen Diktator die Stirn bietet.

Es ist eine bemerkenswerte Allianz, die sich im Rahmen der Präsidentschaftswahl in Weißrussland zusammengetan hat, um dem „letzten Diktator Europas“, wie Alexander Lukaschenko medial eingestuft wird, die Stirn zu bieten. Dieser glaubt fest daran, am 9. August zum sechsten Mal wiedergewählt zu werden. Doch die Proteste des Volkes und die Stimmen seiner Gegner*innen zeichnen ein anderes Bild.    


Mutig. Lukaschenko nach 26 Jahren aus dem Amt zu drängen, wäre für die 37-jährige Swetlana Tichanowskaja mehr als nur ein beruflicher Erfolg. Sie und ihre beiden Verbündeten Maria Kolesnikowa und Veronika Zepkalo treten mittlerweile für ihre Männer an, die nicht zur Wahl zugelassen wurden oder im Gefängnis sitzen. Kolesnikowa vertritt den inhaftierten Ex-Bankchef Viktor Babariko und Veronika Zepkalo den Unternehmer Waleri Zepkalo. Auch Tichanowskajas Ehemann wollte zur Wahl antreten – und sitzt nun im Gefängnis. Gegenüber dem „Guardian“ erklärte die ehemalige Übersetzerin, Sekretärin und Hausfrau der letzten zehn Jahre, dass sie lange versucht hatte, ihren „rechthaberischen“ Ehemann davon zu überzeugen, das zu tun, was auch der Rest des Landes tun würde – sich unauffällig zu verhalten. Doch Tichanowskaja resümiert, dass sie kein Recht dazu hatte und ihm bei seiner letzten Verhaftung schwor, seine Arbeit fortzusetzen. Das tut sie mit bis dato bemerkenswertem Erfolg. Wie die Expertin Maryna Rakhlei von der Denkfabrik German Marshall Fund der Deutschen Presse-Agentur sagte, gebe es „das erste Mal seit Jahren eine Chance für etwas Neues in Belarus“. Das Land habe noch nie so große Proteste wie in den vergangenen Wochen gesehen. Tausende hätten in Schlangen angestanden, um mit Unterschriften die Gegenkandidaten von Lukaschenko, allen voran Tichanowskaja, zu unterstützen. „Die Menschen haben die Angst verloren.“ Nach Jahren des Stillstands seien sie „müde und hoffnungslos“. „Wir sind die Mehrheit“, sagt die Neo-Kandidatin in ihrem 15-Minuten-TV-Clip. Das Land sei aufgewacht. „Mir gefällt nicht, dass die Menschen am Coronavirus sterben, während die Machthaber die realen Zahlen verheimlichen.“ Tatsächlich hat Lukaschenko die Gefahr durch das Virus stets kleingeredet. Er sagte sogar, es sei ja gar nicht zu sehen – oder Wodka helfe dagegen. Tichanowskaja, die ihre Kinder mittlerweile außer Landes gebracht hat, sagte gegenüber dem „Guardian“, dass es keinen Moment gebe, in dem sie sich nicht „ängstlich“ fühle. Doch diese Angst teile sie mit dem ganzen Land. Bereits bei der Wahl 2010 hat Lukaschenko die Proteste seines überlegenen und gleichzeitig viel kritisierten Sieges mithilfe der Armee niedergeschlagen. Tichanowskaja hofft, dass dies heuer nicht passieren wird. „Wir wollen kein Blut, wir wollen Veränderung.“

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.