Die große Beauty-OP-Debatte

Der Wahn um die Schönheit

15.04.2011

Schön?! Machen Beauty-OPs wirklich schöner? MADONNA fragte nach.

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© Pauty, WireImage.com/Getty, Christian Postl, Moritz Thau / Schwarkopf & Sch.
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Hohe Wangenknochen, volle Lippen, eine perfekte kleine Nase, Körbchengröße C (mindestens), straffe Schenkel und eine Wespentaille. Stars und Sternchen, wie Megan Fox (sie hat angeblich sieben Beauty-OPs hinter sich), leben vor, dass man sich bereits Anfang zwanzig beim plastischen Chirurgen generalüberholen sollte. Ob das immer mit Erfolg geschieht, ist Geschmackssache. Und auch, wenn nicht immer in extremem Maße à la Daniela Katzenberger, wollen sich immer mehr junge Frauen einer schweren Schönheitsoperation unterziehen. 20 Prozent aller Mädchen zwischen 9 und 14 Jahren wünschen sich laut Studie bereits einen Beauty-Eingriff! Die deutsche Schülerin Katharina Weiß fragte bei Altersgenossen (junge Frauen und Männer zwischen 15 und 25) nach, was Schönheit für sie bedeutet, wie sie zu Beauty-Operationen stehen und was die Ideale einer jungen Generation sind. Mit ihrem Buch „Schön!?“ zeigt der Teenie eine unverfälschte Momentaufnahme einer Generation im Schönheitswahn. MADONNA fragte bei Österreichs Twens nach, warum sie sich unters Messer legen würden, wie perfekt sie sein wollen und warum Aussehen eine so große Rolle für sie spielt.

Immer jünger
„Grundsätzlich“, sagt Schönheits-Chirurg Dr. Artur Worseg im MADONNA-Gespräch, „werden meine Patientinnen immer jünger. Dieser Trend hat vor einigen Jahren begonnen und hängt einerseits mit dem sozialen Druck zusammen, andererseits natürlich auch mit der Omnipräsenz schönheitschirurgischer Eingriffe in den Medien.“

Perfektionismus
Model Jeannine Nujic war etwa 20 Jahre alt, als sie sich letztes Jahr ihre Brüste von Körbchengröße B auf D vergrößern ließ. Zudem lässt sie sich regelmäßig ihre Lippen mit Hyaluronsäure aufspritzen. Der Grund: „Ich bin eine Perfektionistin, wollte unbedingt den perfekten Busen haben.“ Ob sie es für die Karriere gemacht hat? „Nein“, so die Wienerin, „ich habe es ausschließlich für mich getan. Ich habe auch vor der Vergrößerung Angebote bekommen, jetzt werde ich eben verstärkt für Bademoden und Unterwäsche-Shootings gebucht.“ Druck von dem Frauenbild, das auf den Laufstegen gezeigt wird, habe sie keinen verspürt. „Bei so einer Entscheidung kann es nie gut sein, sich von außen beeinflussen zu lassen. Ich habe gründlich darüber nachgedacht und es nicht bereut. Eine Frau, die sagt, solche Eingriffe würden das Selbstbewusstsein nicht stärken, lügt.“

Karriere-Kick
Für die Karriere hingegen legte sich Ex-Miss Austria (2006) Tatjana Batinic unters Messer. „Um meine Zukunftschancen in der Modelbranche zu erhöhen“, sagte sie nach ihrer Nasen-OP 2007, bei der ein Höcker geebnet wurde. Auch wenn die 25-Jährige die OP wieder machen würde, steht sie dem Beauty-OP-Wahn mit Distanz gegenüber und redet ungern über ihren Eingriff. „Wenn man Makel“, so Batinic, „kaschieren kann, sollte man sich nicht unters Messer legen. Das ist den Aufwand und die Schmerzen nicht wert.“

Was sowohl Batinic als auch Nujic wichtig finden, ist, sich die Entscheidung reiflich zu überlegen und nicht in zu jungen Jahren zum Schönheitschirurgen zu gehen. „Die häufigsten Eingriffe“, so Worseg, „bei jungen Mädchen sind Brust- und Nasenoperationen, wobei das Mindestalter unserer Patientinnen salopp mit 18 Jahren festgelegt wird. In der Realität hat sich aber immer wieder herausstellt, dass Mädchen mit 18 noch körperlich derartig unreif sind, dass ein Eingriff zu früh ist. Ein wesentliches Kriterium, wann der Eingriff stattfindet, ist natürlich auch der Leidensdruck, welcher gerade bei Hakennasen und bei sogenannten Spitzbrüsten so stark sein kann, dass sich die Mädchen sozial und partnerschaftlich völlig zurückziehen.“

Medialer Druck
Aber woher kommt dieser Druck, den so viele junge Menschen verspüren? Von den Medien oder den Partnern und Freunden? „Die Jungs“, sagt Autorin Katharina Weiß, „mit denen ich gesprochen habe, haben mich alle überrascht. Sie stehen nicht auf Magermodels mit riesigen Silikonbrüsten. Sie haben gemeint, dass ein Mädchen einigermaßen sportlich sein und ein hübsches Gesicht haben sollte. Ein bisschen Busen und ein bisschen Hintern wurden auch noch als wichtig genannt.“ Es sei laut Weiß das Bild, das von Medien, Designern und Labels vermittelt wird, das Schaden anrichtet. „Musikvideos und Werbungen zeigen ein Leben, das jeder gerne hätte: exzessiv, schön und jeden Tag woanders, von L.A. bis Paris. Man sieht schöne Menschen, ohne jegliche Alltagsprobleme, ohne Komplexe – erfolgreich und beliebt. Natürlich wünscht man sich dann, auch so dünn und schön zu sein, fühlt sich selbst plötzlich hässlich, dick und pickelig.“ Schönheit bedeutet also Erfolg, weshalb viele Mädchen ihren Vorbildern nacheifern – und aussehen möchten wie Angelina Jolie oder Megan Fox. „Wir lehnen Patienten ab“, so Schönheitschirurg Artur Worseg, „wenn sie völlig unrealistische Erwartungshaltungen haben, der Wunsch technisch nicht durchführbar ist oder sie noch zu unreif – sowohl körperlich als auch psychisch – sind. Aber auch wenn psychische Auffälligkeiten bestehen. Gerade bei sehr hübschen Mädchen kommt es vor, dass sie sich rundum hässlich fühlen und alles verändert haben wollen.“

Enttabuisierung
Isabelle Sawetz (19), Studentin, Model und MADONNA-Model-Contest-Siegerin, ist mit dem Geschäft mit der Schönheit groß geworden. Ihre Mutter ist Beauty-Ärztin Eva Wegrostek. „Die plastische Chirurgie“, so Sawetz, „ist ein Berufswunsch von mir und ich finde es toll, dass man Menschen damit ein völlig neues Lebensgefühl schenken kann. Ich kann es mir persönlich nicht vorstellen, mich operieren zu lassen, aber ich glaube, das könnte sich vielleicht mit dem Älterwerden ändern.“

Angst & Ablehnung
Gerade die beiden jüngsten Befragten – beide 16 –, Katharina Weiß und Jacqueline Lugner (Mama Mausi und „Stiefmutter“ Katzi gehen mittlerweile gemeinsam zum Beauty-Doc), sagen „Nein“ zu Eingriffen. „Weil meine Eltern mich umbringen würden und ich Angst habe, dass etwas schiefgehen könnte“, erklärt Autorin Weiß. Abschreckende Beispiele wie Katzenberger & Co. haben doch ihre Wirkung. Und Jackie Lugner sagt, sie sei zu jung, um darüber nachzudenken. „Außerdem bin ich mit mir zufrieden. Natürlich gibt es einige Stellen an meinem Körper, die anders sein könnten, aber ich fühle mich eigentlich sehr wohl.“ Ob es an einer großen Portion Selbstbewusstsein oder den „Vorbildern“ im Umfeld liegt? Hauptsache, die junge Dame bleibt so, wie sie ist!

Was ist denn wirklich schön?

Jung-Autorin Katharina Weiß (16) befragte für ihr Buch „Schön?!“ 25 Teenies über Beauty-Wahn und Ideale. Der Talk.

Du hast 25 Frauen und Männer zwischen 15 und 25 zum Thema Körperkult, Schönheitswahn und Beauty-OPs befragt und die Antworten in ein Buch verpackt. Wie kam es zu der Idee?
Katharina Weiß:
Es geht darum, den Jugendlichen eine Stimme zu geben und auch die Möglichkeit, ihre Geschichten unmittelbar zu erzählen, ohne dass es ein Autor wertet. Schönheit und Aussehen ist ein Thema, das mich und meine Freunde sehr beschäftigt. Daher wollte ich wissen: Was gefällt Jungs an Mädchen und umgekehrt? Wollen wir wirklich alle so dünn sein?

Sind der Wunsch nach Perfektion und das Streben nach Schönheit im Teenie-Alter besonders groß?
Weiß:
Ich kann mir schon vorstellen, dass das bei jungen Menschen noch grundlegender ist als bei Erwachsenen. Man ist mit 16, 17 an sich noch keine richtige Frau, sieht diese Superfrauen aber immer in allen Medien. Da möchte man natürlich auch weiblich, sexy und erotisch sein und spielt auch ein bisschen damit.

Also führst du den Beauty-Wahn auf den Einfluss der Medien zurück?
Weiß:
Musikvideos und Werbungen zeigen ein Leben, das jeder gerne hätte: Exzessiv und schön und jeden Tag woanders, von L.A. bis Paris. Man sieht schöne Leute, umgeben von vielen anderen makellosen Menschen, die alle glücklich scheinen. Dann hockt man hier mit seinen Pickeln, drei Kilo zu viel, ist nicht glücklich und muss in die Schule gehen. Man denkt sich dann: Wenn man nur auch so schön wäre, würde man viele schöne Menschen treffen, denn das zieht sich ja alles gegenseitig an. Man wünscht sich einfach, auch in diesen Kreis hineinzudürfen.

Das klingt aber sehr oberflächlich…
Weiß:
Von einer schönen Optik verspricht man sich ja auch eine gewisse Unabhängigkeit von anderen Menschen. Es ist schon etwas Wahres dran, dass schönen Menschen vieles zu Füßen gelegt wird. Es hat etwas mit Freiheit zu tun, wenn du so viele Möglichkeiten bekommst.

Denkst du persönlich, dass Schönheit glücklich macht?
Weiß:
Ich kann mir vorstellen, dass es zumindest unglücklich macht, wenn man nicht schön ist oder sich nicht schön fühlt.

Was ist der Tenor der Befragten?
Weiß:
Dünn zu sein, ist den Menschen schon wichtig. Es kommt mir vor, als ob es als Zeichen von Schwäche ausgelegt wird, wenn man Rettungsringe hat. Eine reine Haut und eine perfekt sitzende Frisur gehören auch zum Gesamtbild dazu.

Du hast auch viele junge Männer gefragt, was sie an Frauen schön finden…
Weiß:
Ich war sehr überrascht, dass Jungs nicht dieses typische Magermodel-Ideal haben. Sie haben gemeint, dass man einigermaßen sportlich sein und ein hübsches Gesicht haben sollte. Ein bisschen Busen und ein bisschen Hintern wurden auch noch als wichtig genannt.

Was findest du schön?
Weiß:
Ich teile das Medien­ideal. Schlanke Frauen, herausstehende Wangenknochen finde ich sehr schön.

Bist du mit dir zufrieden?
Weiß:
Ich bin eine Perfektionistin und somit nie vollkommen mit mir selbst zufrieden. Es gibt nie einen Tag, an dem ich in den Spiegel sehe und mich selbst als total schön empfinde.

Würdest du dich unters Messer legen?
Weiß:
Das kann ich nicht sagen, weil meine Eltern mich umbringen würden. Ich glaube aber, ich hätte zu große Angst davor, dass es nachher noch schlimmer aussieht. 

 

© Moritz Thau / Schwarkopf & Sch.

„Schön!?“ Das Buch über Schönheitswahn von Katharina Weiß erscheint am 1. Mai im  Schwarzkopf Verlag um 9,95 Euro).

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