Offener Talk

Der große Preis der Einsamkeit

12.02.2010

Dagmar Koller und Désirée Nick - In MADONNA reden die Trash-Ikone & die Operetten-Diva jetzt Tacheles.

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© Singer
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Mit Klischees haben beide zu kämpfen – die Bühne ist ihr Lebenselixier.
Die Nick kann richtig gut spielen, so der einhellige Tenor, als die vormals als RTL- Dschungelqueen bekannte „Berliner Schnauze Désirée Nick (49) in den Wiener Kammerspielen mit dem Stück „Souvenir“ debütierte. Im Publikum: Dagmar Koller (70), zu Tränen gerührt.

Diven-Duo
Denn wie keine andere hauchte Nick der Rolle der Florence Foster Jenkins – selbst ernannte Operndiva der 30er-Jahre, die mit Misstönen ihr Publikum belustigte – Authentizität und Gefühl ein und eroberte damit das Theaterpublikum im Sturm. MADONNA bat die Mimin und ihr Jugendidol Dagmar Koller zum ehrlichen Talk über ihren Kampf gegen Klischees.

Offener Talk

Frau Nick, Gratulation zur fulminanten Premiere von „Souvenir“. Was war das für ein Gefühl, gerade in Wien Stand-Ovations zu bekommen?
Désirée Nick:
Ich habe diese Rolle über 150 Mal in Berlin gespielt. Dass ich in Wien auch so empfangen wurde, ist eine Krönung meiner Laufbahn. Denn das Wiener Publikum gilt als das Anspruchsvollste. Dass der Funke überspringt, ist doch genau das, wofür wir alle im Theater diesen Beruf machen. Und dass man die Menschen nicht nur zum Lachen bringt, sondern auch zum Weinen. Dass mir das hier gelungen ist, hat mich selbst zu Tränen gerührt.

Frau Koller, auch Sie haben geweint. Was hat Sie so berührt?
Dagmar Koller:
Ich war so fasziniert, was du aus dieser Rolle der Florence Foster Jenkins gemacht hast! Sie war eine starke Frau, und das kommt bei dir so toll heraus. Und dann bist du wieder wie ein Weibchen – das kann keiner so wie du. In diesen Momenten ist mir beinahe zum Weinen gewesen, weil mich das auch an meine Ehe erinnert hat. Dieses Ringen um Anerkennung – einerseits selbstbewusst und dann wieder sanft und zart...
Nick: Deshalb freue ich mich auch über diese Rolle so, weil sie zeigt, wie viel mehr hinter der öffentlichen Fassade meiner Person steckt. Denn die Öffentlichkeit sieht immer nur eine ganz flache Folie. Jetzt kann ich all das, was ich wirklich bin – das Verletzliche, das Sensible, das Zerbrechliche – in diese Rolle legen.

Frau Koller, welches Bild hatten Sie bis dato von Frau Nick?
Koller:
Ich habe sie schon lange beobachtet. Sie hat mir immer gefallen. Ihre Ästhetik, ihre Figur. Endlich eine Frau, die den Mund aufmacht und gescheit reden kann! Man hat Désirée immer in ein Klischee gesteckt – das habe ich nie getan. Aber in Souvenir war es dann richtig um mich geschehen: es gibt selten jemanden, der mein Herz so öffnet, wie sie das getan hat. Und ich muss sagen: es gibt niemanden unter meinen Kollegen, der das mitbringt, was Désirée mitbringt.

Frau Nick, was bedeutet Ihnen ein solches Kompliment?
Nick:
Sehr, sehr viel! Als ich ein kleines Mädchen war, gab es bei meiner Großmutter ein Ritual, am Sonntag Operetten-Schallplatten aufzulegen. Meine Lieblingsplatten waren immer die von Dagmar Koller! Als ich dich das erste Mal im Fernsehen sah, war ich dann richtig besessen von dir.
Koller: Dabei hatte ich Anfangs damit gar keinen Erfolg, weil man mich als „Allround“-Talent nicht zuordnen konnte. Das war schlimm für mich!
Nick: So ist das bei mir heute auch. Ich spiele ja auch bei Castorf oder Schlingensief. Umgekehrt bin ich RTL Dschungelqueen. Ich leide darunter, dass die Leute des „richtigen Theaters“ mir vorwerfen, dass ich Trash-TV mache. Dort wiederum sagen sie: du gehörst nicht zu uns, du machst hehre Kunst. Das ist eben mein Talent: vielseitig zu sein. Jeder, der mich in eine Schmalspur einordnen will, scheitert!

Dennoch assoziiert die breite Masse Désirée Nick mit der Dschungel-Queen...
Nick:
Die Leute erkennen in einem immer nur das, was ihrer eigenen Kapazität entspricht. Was derartige TV-Formate betrifft: Theater ist leider noch immer etwas für die Elite. Ich kann ja nicht von Tür zu Tür ziehen und die Leute in ihrer Wohnstube beglücken! Also gebe ich ihnen anders die Möglichkeit, mich kennenzulernen. In keinem anderen Beruf der Welt muss man sich so erklären. Ich will mich nicht dafür rechtfertigen, dass ich arbeite und Geld verdiene!
Koller: Man muss ja oft auch brotlose Phasen überbrücken – das war ja mein Glück, dass ich in Zeiten, in denen es nichts für mich zu tun gab, meinen Mann hatte. Aber viele sind allein.

Stichwort „allein“. Frau Nick, vermissen Sie manchmal einen starken Mann an Ihrer Seite?
Nick:
Theater ist mein Lebensmittel! Doch mein Beruf ist mit einem bürgerlichen Privatleben nicht vereinbar. Der Preis, den ich für die Unabhängigkeit zahle, ist die Einsamkeit und die Sehnsucht nach einem stabilen zu Hause. Dass du, Dagmar, diese große Liebe gefunden hast, ist ein schier unglaubliches, romantisches Märchen.
Koller: Das stimmt. Aber bei mir kam es spät – wir haben erst geheiratet, als ich 40 war.

Dennoch haben Sie als allein-erziehende Mutter eine funktionierende Stabilität für Ihren 13-jährigen Sohn geschaffen.
Nick:
Die Frage, ob das alles funktioniert, stellt sich gar nicht. Ich habe keine andere Wahl! Ich komme allein für unseren Unterhalt auf. So ist das nun einmal. Aber glauben Sie mir: ich bin oft sehr traurig und auch sehr einsam.

© Singer

Bild: (c) Singer
Désirée Nick und Dagmar Koller im MADONNA-Talk mit Daniela Schimke und Alexandra Stroh.

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