Fürsorglichen Umgang

Zeit für Selfcare

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Durch Selfcare, also Selbstfürsorge, kann man das mentale und körperliche Wohlbefinden erhalten und dem Alltagsstress entgehen. Den fürsorglichen Umgang mit sich selbst fördert man am besten mit Yoga. 

In unserer schnelllebigen Gesellschaft geraten immer mehr Menschen in Stress. Häufige Stressauslöser sind etwa finanzielle Sorgen, Zeit-und Leistungsdruck im Berufsleben, Konflikte oder Streit, Reizüberflutung, Dauererreichbarkeit, Verletzungen, Erkrankungen, eine überzogene Anspruchshaltung an sich, familiäre oder gesellschaftliche Pflichten.

Ein ständiger Balance-Akt. Eigentlich verfolgt der Körper das Prinzip der "Homöostase" (Anm.: griech. homoios für gleich und stasis für bleibender Zustand) - er versucht, seinen inneren Zustand in Balance zu halten. Wird dieses Gleichgewicht aber gestört oder bedroht, tritt Stress auf. Stress ist per se nichts Negatives, denn er steigert unsere Leistungsfähigkeit und hilft dabei, Herausforderungen besser zu meistern. Es kommt zu physiologischen Veränderungen wie zum Beispiel erhöhten Cortisol-sowie Adrenalinwerten, die hilfreich sein können. Aufgrund dieser natürlichen Reaktion konnten unsere Vorfahren sogar vor wilden Tieren flüchten und damit ihr Leben sichern. Zwar muss man sich im normalen Alltag nicht mehr vor Raubtieren schützen, dennoch reagiert der Organismus gleich. Ständige, lang anhaltende Überforderung oder Überreizung ohne bewusste Entspannung versetzt den Körper allerdings unter chronischen Stress. Der wirkt sich negativ auf den gesamten Organismus aus und kann sich beispielsweise durch Verdauungsprobleme, Verspannungen, Schwächung des Immunsystems oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen äußern. Auch auf seelischer Ebene kann permanenter Stress deutliche Spuren hinterlassen -etwa in Form von Depressionen, Ängsten, Suchthaltung oder gar Burnout. Diese Chronifizierung des Stresses konnte man vor allem als Folge der Coronakrise in den vergangenen zweieinhalb Jahren bei vielen Menschen - insbesondere bei vielen jungen Menschen - erkennen.

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Embodiment: Wechselwirkung

Zwischen körperlichen Prozessen, Kognitionen und Emotionen besteht also eine wechselseitige Beziehung. Einfacher ausgedrückt: Unser Denken und Fühlen spiegeln sich im Körper wider, und der Körper beeinflusst unser Denken und Fühlen. Es gibt sogar ein interdisziplinäres Forschungsfeld, das die Wechselwirkung von Körper, Geist und Seele untersucht -es heißt "Embodiment", also Verkörperung. Fühlt man sich diesem Konzept zufolge traurig, zeigt sich das im Körper beispielsweise durch eine gebeugte Haltung des Oberkörpers. Wissenschafter:innen konnten in dem Zusammenhang zeigen, dass sich als Gegenstück auch durch eine "traurige Körperhaltung", wie z. B. einem runden Rücken oder hängenden Schultern, die psychische Charakteristika von Traurigkeit einstellen. Die Stimmung lässt sich somit auch aufhellen durch eine positive Körperhaltung wie etwa einen aufgerichteten Oberkörper. Dieses Wissen kann als ein weiterer Beleg für die enorm positive Wirkung der vielen Körperhaltungen im Yoga angesehen werden. Der Wissenschaftler Sat Bir Khalsa, der auf dem Gebiet der KörperGeist-Medizin forscht, konnte zeigen, dass Yoga unter anderem Stress reduziert, die Regulierung von Gefühlen unterstützt, die Stimmung sowie das Wohlbefinden verbessert sowie darüber hinaus zu einer Verfeinerung kognitiver Fähigkeiten führen kann. Yoga ist demnach ein wunderbares Instrument der Ganzheit, mit dem man das Hamsterrad verlassen bzw. Alltagsstress abwerfen kann. Es ist daher bedeutungsvoll für "Selfcare".

Eine erlernbare Fähigkeit

Für den Schweizer Psychiater und Psychoanalytiker Joachim Küchenhoff ist Selfcare bzw. auf Deutsch "Selbstfürsorge" - ein Begriff aus der Psychotherapie - eine Fähigkeit, die eigenen Bedürfnisse zu berücksichtigen, gut zu sich zu sein, Belastungen richtig einzuschätzen und sich nicht zu überfordern. Da es eine Fähigkeit ist, kann man sie sich aneignen bzw. sie entwickeln. Zunächst sollte einem bewusst sein, dass Selfcare unverzichtbar ist zum Erhalten unseres mentalen und körperlichen Wohlbefindens. Ist man in einer Situation, die einen überfordert und stresst, sollte man mit dem Prozess der Selbstfürsorge beginnen. Es ist nicht einfach, sich um sich selbst zu kümmern. Vor allem für Frauen ist es herausfordernd, da sie nicht als egoistisch wahrgenommen werden möchten. "Viele Frauen plagen sich ständig mit der Kernfrage, ob sie etwas dürfen", so Vivian Mary Pudelko im Buch Darf ich das? (Verlag Kremayr &Scheriau um 23 Euro). Darf ich beispielsweise mein Mobiltelefon für einige Stunden ausschalten, um etwas Ruhe zu finden, oder darf ich meinen Kaffee genießen, obwohl ich noch viel zu tun habe. Doch praktiziert man Selbstfürsorge, kann man sich selbst fühlen mit dem Effekt, dass man auch andere besser spüren kann, achtsamer sowie toleranter wird gegenüber den Mitmenschen und sogar mehr Mitgefühl entwickelt, so Pudelko. Für die Autorin bedeutet Selbstfürsorge einen lebenslangen Prozess - es ist eine individuelle Lebensaufgabe. Sie sei ein Aspekt, der Zeit sowie Aufmerksamkeit erfordere. Man solle sich daher die innere Erlaubnis aussprechen, für sich selbst sorgen zu dürfen, sich selbst wichtig zu nehmen und den eigenen Bedürfnissen im Alltag, die einem am Herzen liegen, genügend Raum zu geben.

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Yoga als Selfcare-Akt

Yoga verbindet auf wunderbare Weise die verschiedenen Aspekte Körperwahrnehmung, Achtsamkeit und Selbstmitgefühl, die auch für die Selbstfürsorge wesentlich sind. Die Yoga-Asanas ermöglichen uns, verschiedene Körperbereiche besser zu spüren, und unterstützen außerdem die aufrechte Körperhaltung, die - wie bereits erwähnt - auch die Stimmung erhellen kann. Die Emotionen werden durch die Übungen beeinflusst, und man kann sich zurückziehen und entspannt sich dabei. "Indem kraftvolle Asanas eingenommen, intensive Bewegungsabläufe durchgeführt oder herausfordernde Asanas länger gehalten werden, kann das Zuviel an Spannung in eine Haltung fließen bzw. über den Atem abgegeben werden", so Pudelko. Die Yogapraxis unterstützt auch das Erleben des Hier und Jetzt sowie die Verbundenheit mit dem Moment. "Auf seelischer Ebene breitet sich ein Gefühl von Ruhe und Weite aus, es öffnet sich ein Raum, der unterschiedliche Gefühle nebeneinanderstehen lässt", erklärt die Autorin. Prinzipiell können alle Yogaübungen das körperliche und mentale Wohlbefinden steigern. Drei ausgewählte Übungen zeigt Topmodel, Schauspielerin und Aktivistin Cara Delevingne auf diesen Seiten. Sie helfen dabei, die innere Balance zu finden und positive Energie aufzubauen. Übt man regelmäßig Kriegerpositionen wie den "Reverse Warrior" auf Seite 60, fördert man zudem die geistige Stärke, die Ausdauer und die Konzentration. Die Baumübung (Vrksasana) auf Seite 62 erfrischt und ermuntert den Geist. Der Seitstütz (Vasisthasana, siehe kleines Bild oben) fördert das Streben nach Gleichgewicht, motiviert und baut Willenskraft auf. Gut zu wissen: Hat man noch nie Yoga praktiziert, ist es ratsam, einen Yogakurs zu besuchen.

Stabilisierung durch Atmung

Eine wichtige Rolle im Yoga nimmt auch die Atmung ein. Fokussiert man sich auf sie, nimmt man eine weitere Möglichkeit wahr, sich im Inneren zu stabilisieren. Denn Verspannungen auf körperlicher sowie mentaler Ebene spiegeln sich umgehend in unserem Atem wider - er wird unregelmäßig oder in Stresssituationen vielleicht manchmal angehalten. Hat man Stress, sollte man sich daher über den Kontakt zum Atem Abstand von den Stressoren gewinnen und sich eine Pause gönnen. Atemzüge, die lang, tief und langsam erfolgen, können den Geist klären, die Wahrnehmung nach innen lenken und auf diese Weise Stress lindern. Das kann man auch leicht in den Alltag integrieren. Ärgert man sich beispielsweise im Straßenverkehr über eine bestimmte Situation, sollte man kurz beobachten, wie man atmet und versuchen, tiefer ein-sowie auszuatmen. Hat man mehr Zeit, lohnt sich eine Atemübung wie z. B. Kapalabhati - die Feueratmung, die alle Nerven im Körper stärkt und den Geist verjüngt. So geht's: Man sitzt im Yoga-oder Schneidersitz, die Wirbelsäule ist gerade und aufgerichtet, die Augen sind geschlossen. Die Hände kann man auf den Bauch legen, um die Technik besser zu spüren. Dann atmet man ganz tief und langsam durch beide Nasenlöcher ein und aus. Die Ein- und Ausatmung sind gleich lang, aber es hilft, sich auf eine kräftige Ausatmung zu konzentrieren. Haben Sie sich eingewöhnt, steigern Sie das Tempo, bis Sie zweimal pro Sekunde oder noch schneller ausatmen. Danach: Das unglaublich leichte und freie Gefühl genießen!

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Gute Selbstanalyse

Pudelko empfiehlt aber auch im Sinne von Selfcare, weitere individuelle Möglichkeiten zu ergründen, um wieder zu sich selbst zu finden. Nährend auf geistiger oder körperlicher Ebene können viele Handlungen, Aktivitäten, aber auch bestimme Orte sein: "Wenn wir wissen, was uns Halt und Kraft gibt, hilft uns dies auch in schwierigen Momenten, auf Bewährtes und Vertrautes zurückzugreifen", so die Selbstfürsorgeexpertin.

Sorgen Sie daher für sich - noch bevor es zu gesundheitlichen Einschränkungen kommt.
 

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