Retro-Charme: Udo-Jürgens-Musical in Wien

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Mit dem Traumschiff nach New York zu reisen - das ist seit Mittwochabend (17.3.) vom Wiener Raimund Theater aus möglich. Das Musical "Ich war noch niemals in New York" feierte einen erfolgreichen, bejubelten Stapellauf, der freilich die seichten Gewässer nie ganz hinter sich ließ.

Die Gretchenfrage eines Musicals lautet normalerweise: Wie viele Ohrwürmer gibt es? "Ich war noch niemals in New York", 2007 in Hamburg uraufgeführt, gehorcht dagegen dem beim verfilmten ABBA-Musical erfolgreichen "Mamma Mia!"-Rezept: 21 Hits von Udo Jürgens, von "Merci, Cherie" bis "Griechischer Wein", wurden von Gabriel Barylli (Co-Autor: Christian Struppeck) in eine Handlung eingebaut, die mit dem Kärntner Musiker und Entertainer rein gar nichts zu tun hat. Die Haare, an denen die Bezüge zu den Liedern herbeigezogen werden, können mitunter recht lang sein: Zu "Aber bitte mit Sahne" wird das Kuchenbuffet des Luxus-Kreuzfahrtschiffs gestürmt, für "Ein ehrenwertes Haus" wird ein Kündigungsschreiben herbeigezaubert, "Schöne Grüße aus der Hölle" entbietet eine Schar roter Teufel auf einem Maskenball.

Im Mittelpunkt der Handlung steht die erfolgreiche Fernsehmoderatorin Lisa Wartberg, die ihre Mutter nach einer Bypass-Operation in ein streng geführtes Seniorenheim gegeben hat. In ihrem Mitbewohner Otto Staudach hat die rüstige Mama jedoch noch einmal eine große Liebe gefunden. Sie bucht mit ihm eine Traumreise nach New York. Lisa und Ottos Sohn, der Tierfotograf Axel, landen im Versuch, die beiden Ausreißer, die durch die Eskapade ihre Heimplätze zu verlieren drohen, zurückzuholen, selbst auf dem Schiff und verlieben sich ebenfalls ineinander. Nun mag man diese Story, die Generationenkonflikt und Beziehungsfrust der vom beruflichen Turbogetriebe zerriebenen "Erfolgsmenschen" verschränkt, ziemlich klischeehaft, konstruiert und tendenziell frauenfeindlich finden - die Umsetzung liegt in den Händen von Unterhaltungsprofis.

Die Ausstattung der sich an der Hamburger Uraufführung orientierenden Wiener Produktion (Bühnenbild: David Gallo, Kostüme: Yan Tax) schwimmt voll auf der Retro-Welle und bietet eine wahre Kitsch-Orgie. Man fühlt sich an die großen 70er-Jahre-Hauptabend-Fernsehshows erinnert und erwartet, dass im nächsten Moment nicht nur Udo Jürgens, sondern auch Peter Alexander und Anneliese Rothenberger über das Sonnendeck tänzeln. Regisseurin Carline Brouwer und Choreographin Kim Duddy halten das Showboat auf Kurs und seine vielköpfige Besatzung auf Trab, wenngleich der Abend ruhig ein halbes Stündchen kürzer sein dürfte und auch das ironische Augenzwinkern ausgiebiger bedient werden könnte. Die witzige Interpretation des Schlagers "Mit 66 Jahren" als Zukunftsblick eines Buben (Julian Fritz macht seine Sache als Axels Sohn super) zeigt, wohin die Reise mit etwas mehr Wagemut auch gehen hätte können.

Ann Mandrella und Andreas Lichtenberger überzeugen als Lisa und Axel vor allem stimmlich, Hertha Schell und Peter Fröhlich erfüllen das Senioren-Liebespaar mit echtem Leben, während Andreas Bieber und Gianni Meurer als Lisas Assistenten lustvoll tuntig sein dürfen. "Ich war noch niemals in New York" huldigt aber vor allem dem mittlerweile 75-jährigen Udo Jürgens. Seine Schlager erweisen sich als erstaunlich haltbar, und mehr als einmal würde man lieber das Original als das Neu-Arrangement hören. Die Ankunft in New York und das Erwachen in der Gegenwart erspart das Musical übrigens Passagieren wie Publikum. Zu Terror-Angst, US-Einreiseschikanen und Nackt-Scannern wären vermutlich ein paar ganz neue Lieder nötig gewesen.

INFO: http://www.musicalvienna.at

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