Österreich bei Kinderimpfungen "Gallisches Dorf"

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"Pneumokokken in Österreich - das ist wie Asterix und Obelix. Wir sind das Gallische Dorf. Wir sind praktisch das einzige Land, wo eine Impfung aller Kinder gegen Pneumokokken nicht vorhanden ist. Wir messen uns da mit Ländern wie Albanien", kritisierte am Donnerstag der Impfreferent der Wiener Ärztekammer, Rudolf Schmitzberger, in Wien aus Anlass des bevorstehenden Österreichischen Impftages.

Der Hintergrund zu seiner Äußerung bei einer Pressekonferenz der Österreichischen Apothekerkammer: Seit dem Jahr 2001 gibt es eine hoch wirksame Vakzine, mittlerweile sogar zwei. Seit 2004 ist die Impfung für Babys und Kleinkinder in den Empfehlungen des Impfausschusses des Obersten Sanitätsrates (OSR) enthalten. Doch eine Aufnahme in das kostenlose Kinder-Immunisierungsprogramm der öffentlichen Hand gelang bisher nicht - bis auf sogenannte Risikokinder.

Schmitzberger: "Wir hatten im Jahr 2009 in Österreich 40 schwere invasive Pneumokokkeninfektionen bei Kindern. Wir hatten auch schwere Lungenentzündungen, die chirurgische Eingriffe erforderten." In Österreich gebe es pro Jahr allein wegen der durch die Pneumokokken ebenfalls hervorgerufenen Mittelohrentzündung rund 5.000 Spitalsaufnahmen bei Kindern. Was die Experten stört: Laut Schmitzberger und dem Vorsitzenden des OSR-Impfausschusses wurde der österreichische Impfplan für das Jahr 2010 durch das Weglassen einiger Teilimpfungen so modifiziert, dass sich die öffentliche Hand "große Summen" (Schmitzberger) beim Kinderimpfprogramm erspart. Doch die vom Gesundheitsministerium versprochene Umschichtung dieser Gelder in Richtung Pneumokokken-Immunisierung sei nicht geschehen.

Laut OECD ("Gesundheit auf einem Blick 2009") liegt Österreich bei den Kinderimpfungen schlecht: Unter 28 Staaten sind im Alter von zwei Jahren nur 85 Prozent der Kinder per Impfung gegen Keuchhusten geschützt (viertletzter Platz). Bei Masern liegt Österreich mit einer Durchimpfungsrate von 79 Prozent an letzter Stelle (sowohl bei Pertussis als auch bei Masern auf dem ersten Rang: Ungarn mit je 99,9 Prozent) . Im Vergleich von 18 Staaten ist die Alpenrepublik mit 83 Prozent bei den Zweijährigen bei der Hepatitis B an viertletzter Position, was die Durchimpfungsrate angeht (Polen an der Spitze mit 99,8 Prozent).

Dabei entwickelt sich gerade die Impfstoffszene rasant vorwärts. Der Wiener Spezialist Herwig Kollaritsch: "Wir werden bei den Impfungen nicht mehr sehr lange 'an der Nadel' hängen." In den USA gibt es bereits eine Influenza-Vakzine als Nasenspray. Solche Impfstoffe eignen sich besonders für einen Impfschutz in der Schleimhaut - bei der Influenza gerade das Gewebe, über das die Viren in den Körper eindringen.

Das Wiener Impfstoff-Unternehmen Intercell entwickelt derzeit ein Impf-Pflaster (gegen Reisediarrhoe), bei dem die Haut zunächst mit einer Art Schleifpapier oberflächlich ein wenig abgehobelt wird, um dann aus einem Pflaster-Depot die Vakzine aufzunehmen. Kollaritsch: "Die Schutzrate vor schweren Durchfallerkrankungen liegt mit dem Pflaster bei 84 Prozent)." Schon kommenden Herbst wird es für Erwachsene eine Influenza-Impfung geben, die nicht in den Oberarmmuskel injiziert, sondern mit einer Mikronadel (1,5 mm lang) bloß in die Haut gespritzt wird. Das soll die Immunantwort verbessern. Allerdings gibt es bei den neuen Applikationsformen für Vakzine auch oft häufigere Lokalreaktionen (Rötungen etc.).

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