Spritze gegen Krebs

Start der Österreichweiten HPV-Impfaktion

23.08.2013

Gebärmutterhalskrebs. Schon ab Februar 2014 wird die – nicht ganz unumstrittene – HPV-Impfung an Schulen verabreicht. Der Health-Talk über Nutzen und Risiken...

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Der lange Kampf scheint sich gelohnt zu haben: Als erstes Land in Europa wird die – nicht ganz unumstrittene – Impfung gegen HPV (Humane Papilloma-Viren) ab Februar 2014 gratis in der vierten Volksschulklasse für Buben und Mädchen angeboten.  
Das Interview. „Das ist die wichtigste gesundheitspolitische Entscheidung seit der Einführung des Mutter-Kind-Passes“, freut sich Paul Sevelda, Vorstand der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe des Krankenhauses Wien Hietzing und Präsident der Österreichischen Krebshilfe.
Wir wollten von ihm wissen: Wovor schützt die Impfung wirklich? Welche Nebenwirkungen hat sie und bis zu welchem Alter ist die Impfung sinnvoll? Der Talk.  

 

Gesund-Chefin Kristin Pelzl-Scheruga im Gespräch mit Gynäkologen und Krebshilfe-Präsidenten Prof. Dr. Paul Sevelda.

Warum haben Sie so für die HPV-Impfung gekämpft?
Paul Sevelda: Die Österreichische Krebshilfe hat die Aufnahme der HPV-Immunisierung in den Impfplan schon lange gefordert. Grund dafür waren die von Anfang an überzeugenden Daten. Das erlebt man in der Medizin sehr selten: Es ist hier nachgewiesen, dass Viren in direktem Zusammenhang mit einer Krebserkrankung stehen. Und es gibt einen wirksamen Impfstoff gegen diese Viren. Da ist klar:  Man muss dafür kämpfen, dass diese Impfung einer breiten Bevölkerung zugänglich wird.  Bis jetzt wurde die Impfung vom Gesundheitsministerium zwar empfohlen, jedoch nicht finanziert (Kostenpunkt für drei Teilimpfungen 600 Euro).

Wovor schützt die Impfung?
Sevelda: Man erhält damit eine fast 100-prozentige Schutzwirkung gegen die häufigsten HPV-Viren. Einige von ihnen führen zu gutartigen, warzenähnlichen Hautveränderungen; andere gelten als Ursache für die Entwicklung bösartiger Tumore – darunter Krebsformen im HNO- und Genitalbereich sowie Gebärmutterhalskrebs. Die Impfung deckt derzeit etwa 80 Prozent aller Virenstämme, die zu Gebärmutterhalskrebs führen, ab. Sie ersetzt aber nicht den jährlichen Besuch beim Gynäkologen!
 

Wie viele Frauen erkranken an Gebärmutterhalskrebs?
Sevelda:
In Österreich pro Jahr etwa 400; 150 bis 180 sterben daran. Dazu kommen 60.000 auffällige Krebsabstriche (Verdacht auf Gebärmutterhalskrebs oder Vorstufen dazu) und es werden 6.000 bis 7.000 sogenannte Konisationen durchgeführt. Dieser operative Eingriff am Muttermund  betrifft Frauen, die einen auffälligen Krebs-Abstrich haben. Und es wurde bisher total verkannt, welche Bedrohung und psychische Belastung ein auffälliger Abstrich für die betroffenen Frauen darstellt. Die Konisation ist zwar eine kleine Operation, aber sie erfordert eine Narkose sowie einen kurzen Spitalsaufenthalt von zwei Tagen. Und sie hat Folgen: Das Risiko, nicht schwanger werden zu können, ist danach erhöht, ebenso das Risiko für Fehl- und Frühgeburten. 
 

Schützt die Impfung auch vor anderen Arten von Unterleibskrebs?
Sevelda:
Für Eierstock-Krebs hat die Impfung keine Bedeutung. Durch HPV verursachte Krebserkrankungen betreffen die Scheide, die Vulva, den Penis, den Analbereich und den HNO-Bereich – wie etwa Kehlkopfkrebs.

Warum werden auch die Burschen geimpft?

Sevelda: Dafür gibt es drei Gründe. Erstens, weil die Impfung sehr wirksam gegen Genitalwarzen ist. Und zweitens: Die Viren werden größtenteils durch Sexualkontakt übertragen und indem man auch die Burschen impft, wird die Übertragungskette unterbrochen. Drittens: Homosexuelle würden sonst nicht berücksichtigt.
 

Die „Krebsviren“ werden also ausgerottet...
Sevelda:
Das ist eine Vision, die ich wahrscheinlich nicht mehr erleben werde. Die Situation vor allem für Frauen wird damit jedoch sicher entscheidend verbessert.
 

Glauben Sie, dass viele Eltern ihre Kinder impfen lassen?
Sevelda:
Meine Hoffnung ist, dass es flächendeckend gemacht wird. Etwa zehn Prozent der Bevölkerung sind deklarierte Impfgegner – was für mich wissenschaftlich nicht nachvollziehbar ist.
 

Die HPV-Impfung wurde immer wieder mit Todesfällen in Verbindung gebracht...
Sevelda:
Es gab einen Fall in Österreich, wo ein sportliches, gesundes 18-jähriges Mädchen vier Wochen nach der ersten HPV-Impfung tot aufgefunden worden ist. Die Eltern haben dann behauptet, die Impfung sei schuld daran gewesen.  Aus medizinischer Sicht und auch nach Überprüfung der europäischen Behörden gibt es aber überhaupt keinen Hinweis darauf, dass diese Impfung dafür verantwortlich sein könnte.
 

In Japan gibt es derzeit aber auch einen Impf-Stopp...
Sevelda:
Ja, weil Schmerz-Zustände in Zusammenhang mit der Impfung gebracht werden. Für mich ist das nicht nachvollziehbar. Weltweit wurden schließlich 170 Millionen Applikationen gemacht und in keinem anderen Staat gibt es Sicherheitsbedenken gegen die Impfung.


Mit welchen Nebenwirkungen muss man rechnen?
Sevelda:
Bei zehn Prozent tritt am ersten Tag nach der Impfung erhöhte Temperatur auf. Das ist aber eine normale Immun-Reaktion.
 

Was passiert mit Mädchen, die älter als zehn sind. Bekommen die keine Gratis-Impfung?
Sevelda:
Das ist noch nicht  ganz entschieden. Aber vielleicht kommen auf Bundesländerebene Initiativen, die die HPV-Impfung auch für Jugendliche bis 18 Jahre zu einem vernünftigen Preis ermöglichen werden.
 

Bis zu welchem Alter ist die Impfung für Frauen sinnvoll?
Sevelda
: Sie ist zugelassen für Frauen bis 45. Aber letztlich gibt es nach oben hin kein Alterslimit.

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