Eva Glawischnig im MADONNA-Talk

„Sascha war mein Ehestifter“

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Eva Glawischnig bezeichnet die BP-Wahl als „Gefühlsachterbahn“ und spricht über ihren Freund & Ex-Polit-Kollegen Alexander Van der Bellen.„Er ist achtsam und uneitel.“

Die Wahl zum neuen Bundespräsidenten – für Grünen-Chefin Eva Glawischnig eine „Gefühlsachterbahn“. Im Interview mit MADONNA spricht sie über ihren Freund und ehemaligen Parteikollegen Alexander Van der Bellen (72), verrät, warum er indirekt auch „Ehestifter“ ihres privaten Glücks mit Volker Piesczek war, und erklärt, warum ein politischer Aufbruch jetzt gelingen kann. Aber sie sagt auch: „Es ist tatsächlich die aller­letzte Chance.“ Der Talk.

Welche Gefühle haben Sie beim Wahlfinale erlebt und auch ­erlitten?
Eva Glawischnig:
Also, es war eine unglaubliche Gefühlsachterbahn. Alleine schon die Stichwahl war so unfassbar spannend. Da habe ich bereits gesagt, dass so etwas kein zweites Mal zu ertragen sein wird. Und beim zweiten Mal habe ich dann schon gar nicht mehr gewusst, wohin mit all der Anspannung. Parallel dazu gab es natürlich auch eine Reihe von Medienanfragen. Plötzlich steht man inmitten eines Interviews und erfährt, dass es 50:50 steht und denkt: Das kann nicht wahr sein! Kann mich jetzt jemand aufwecken?


Wie haben Sie in der Nacht von Sonntag auf Montag – es wurden die wesentlichen Wahlkarten ausgezählt – geschlafen?
Glawischnig
: Sehr, sehr schlecht. Ich war froh, als die Morgendämmerung hereingebrochen ist.  Endlich Aktivität,  endlich etwas gegen die Schlaflosigkeit unternehmen.


Darf ein Politiker weinen?
Glawischnig:
Ich bin nahe am Wasser gebaut, habe bei der Präsidentenwahl auch sehr ­damit gekämpft, aber ich habe mich zusammengerissen. Zum Finale im internationalen ­Medienzentrum muss die ­Grü­nen-Parteichefin schon Haltung zeigen (lacht). Aber später, als Van der Bellen seine erste Rede gehalten hat, habe ich den Wahlkampfleiter Lothar Lockl, einen langjährigen Freund, umarmt und ein Tränchen vergossen.      


Wie haben Sie überhaupt den Wahlkampf erlebt?
Glawischnig:
Die einen sagen, Österreich ist gespalten. Ich finde jedoch, Österreich hat sich extrem politisiert. Die Menschen haben sich intensiv über Politik ausgetauscht. Egal, ob jung oder alt. Ich glaube, dass genau dies ein guter neuer Anfang sein kann, um weiter über Politik zu diskutieren.


Im Netz findet kein Austausch statt, sondern Hetze.
Glawischnig:
Ja, das ist sehr schlimm und ich finde es wirklich wichtig, dass HC Strache zur Mäßigung aufgerufen hat. Denn es kommt sehr eindeutig aus dieser Seite und wenn man es sich durchliest, dann bekommt man Angst. Wir haben aktuell 27 Verfahren gegen Hass-Poster laufen und gewinnen alles.


Dass Van der Bellen gewählt wurde, haben Sie als „historischen Moment“ bezeichnet. Warum?
Glawischnig:
Es ist für Österreich historisch, weil es erstmals einen Bundespräsidenten gibt, der nicht von Rot oder Schwarz kommt. Wenn man schon von einem geteilten Österreich spricht, war das in der Vergangenheit so: Rot und Schwarz haben sich die Republik aufgeteilt bis hin zum Meinungsforschungsinstitut oder zu den Autofahrerklubs. Jetzt ist es einfach bunter und offener geworden. Ich denke, dass es Van der Bellen gelingen wird, Österreich gut zu repräsentieren. Er hat den Stil und die Empathiefähigkeit. Er hat Smartness, Erfahrung und einen wunderbaren Werte-Kompass zu Menschenrechten, Grundrechten und Freiheit.

Wie würden Sie denn seinen Stil beschreiben?                                  
Glawischnig:
Er ist extrem achtsam, sehr höflich und sehr präzise wie er andere Menschen beobachtet und auf sie eingeht. Er ist das Gegenteil von eitel oder selbstverliebt. Das ist meiner Meinung nach etwas ganz Wichtiges. Wenn man zehn Minuten mit ihm spricht, hört er sehr genau zu und man hat sofort das Gefühl, dass er einen bereits kennt. Er hat die nötige Demut. Denn wenn man es so knapp schafft, dann ist man auch sehr dankbar.


Ist dieser knappe Sieg überhaupt ein Sieg?
Glawischnig:
Er hat in seiner ersten Rede gesagt: „Ich bin gleich viel wert wie du, du bist gleich viel wert wie ich.“ Es gibt zwei unterschiedliche ­Teile. Das war metaphorisch. Das hat eine Bedeutung. Das war wie der erste große Stein einer Brücke.


Sie kennen einander viele Jahre, waren lange Zeit Parteikollegen. Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu VdB beschreiben? Ist er ein väterlicher Freund?
Glawischnig:
Wir haben unterschiedliche Phasen miteinander erlebt. Ich bin eingestiegen, als er schon Parteichef war. Dann bin ich relativ schnell und bewusst in der Partei gefördert worden. 2002 wurde ich dann Vizeparteichefin. Sascha ist indirekt auch mein Ehestifter, denn er konnte damals eine Diskussion bei Puls nicht mehr wahrnehmen. Dann bin ich eingesprungen und habe dort Volker kennengelernt (lächelt). Sascha hat mich immer sehr unterstützt. Er war immer solidarisch. Kein einziges Mal hat er eine zynische Bemerkung öffentlich, oder im engsten Kreis gemacht. Als ich dann schwanger wurde, hat er bei den Sitzungen auch nicht mehr geraucht.

Glawischnig
© GERT EGGENBERGER / APA / picture

2005 heiratet Eva Glawischnig den TV-Moderator Volker Piesczek. „Indirekter Ehestifter war der Sascha“, verrät sie im MADONNA-Talk. Foto:APA

Frauen haben VdB gewählt …
Glawischnig:
Frauen wählen tendenziell offensichtlich mehr mit Bedacht auf soziale Fragen und auf sozialen Zusammenhalt. Das hat vielleicht auch etwas mit unserer Lebensperspektive zu tun, da wir Frauen nach wie vor nicht in einer vollkommen gleichberechtigten Lebensgesellschaft leben. Selbst wenn Frauen voll berufstätig sind, habe ich nicht das Gefühl, dass wir vollkommen gleichgestellt sind.            

Van der Bellen neuer Bundespräsident, Christian Kern neuer Kanzler. Es herrscht eine gewisse Aufbruchstimmung …
Glawischnig:
Ja, es ist wirklich eine große Chance, weil viele Politiker neu sind und nun eine ganz andere Stimmung im Land herrscht. Die politischen Akteure haben etwas aus dieser Wahlausein­andersetzung gelernt: Es muss Schluss sein mit dieser Stil­losigkeit, der gegenseitigen Abwertung und dem politischen Stillstand auf Regierungsebene. Ich glaube, dass das die Leute am meisten aufregt: Dass sich Koalitionspartner gegenseitig über die Medien ausrichten, wie schlecht der jeweils andere ist, und bei den wirklichen Fragen nichts zustande bringen.  Jetzt ist breite Einsicht eingekehrt und auch der Wille der Regierung, es wirklich anders zu machen. Und es ist tatsächlich ihre ­allerletzte Chance.

Weil sonst was passiert?
Glawischnig
: Wenn nicht in überschaubarer Zeit, und damit meine ich in ein paar Monaten, Probleme in der Bildung, bei Schule und Kindergarten, bei der besseren Unterstützung des Lehrpersonals oder bei der Arbeitslosigkeit spürbar gelöst werden, dann wird der Frust noch größer werden. Dann wird auch diese Regierung scheitern und es wird Neuwahlen geben. Vielleicht wird sich dann der Frust entladen, indem die FPÖ ein starkes Ergebnis erzielt.


Wie kann das Beschriebene aber jetzt und rasch gelingen?
Glawischnig:
Es muss klar werden, dass wir in der Politik alle mehr Beweglichkeit zeigen müssen. Und wir müssen kompromissbereiter werden. Das trifft viele Akteure wie Arbeiterkammer, Sozialpartner, Wirtschaftskammer oder die Bundesländer. Viele Verhandlungssituationen – wie die gemeinsame Schule – gibt es seit 30 Jahren. Das kann man sich überhaupt nicht vorstellen! Es müssen jetzt Lösungen zustande kommen. Wir Grüne haben jetzt unsere ersten Gespräche mit Kanzler Kern. Auf unserer Agenda ganz oben ist Bildung. Ich habe den Anspruch auch an mich selbst, nicht in ritualisierte politische Konfliktmuster zu fallen, denn die gehen den Menschen zu Recht auf die Nerven!

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