Neo-Frauenministerin

Juliane Bogner-Strauß im Interview

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Neo-Ministerin Juliane Bogner-Strauß die finanzielle Situation für Frauen in Österreich verbessern. 

In der Früh hin, am nächsten Abend wieder retour – heute das Büro in Wien und morgen wieder in Graz. So sieht der berufliche Alltag von Juliane Bogner-Strauß (46) künftig aus. Die steirische Top-Wissenschafterin wurde  Mitte Dezember als neue ÖVP-Ministerin für Frauen, Familie und Jugend angelobt. Und als solche möchte sie vorzeigen, wie Vereinbarkeit von Karriere und Kind aussehen kann: Ihren Lebensmittelpunkt hat sie nicht von der Steiermark in die Hauptstadt verlegt, sondern versucht, so viel Zeit wie möglich bei ihren drei Kindern (18, 9 und 6 Jahre) und ihrem Mann zu sein. „Einen Tag die Woche bin ich Ministerin mit Homeoffice“, verrät die Neo-Politikerin im MADONNA-Interview. 
 
Kind & Karriere. Das soll in Zukunft für viel mehr Frauen – und Männer – in Österreich Realität werden. Vereinbarkeit von Beruf und Familie steht ganz oben auf der Agenda von Bogner-Strauß. Homeoffice ist eine der Möglichkeiten, die sie in diesem Zusammenhang promoten möchte – „Digitalisierung lautet das Schlagwort“, so die Powerfrau. Doch auch mehr, bessere und vor allem flexiblere Kinderbetreuung brauche es, um die finanzielle Situation von Frauen in Österreich zu verbessern, erklärt die Ministerin. Ihrer eigenen Karriere – Bogner-Strauß forschte und lehrte im Bereich der Biochemie an der TU Graz – habe es „extrem geholfen, dass meine Kinder in einer Betreuung waren, die sehr flexible Öffnungszeiten hatte.“ 
 
Waren Sie überrascht, als Sebastian Kurz Ihnen den Ministerjob angeboten hat?
Juliane Bogner-Strauss: Überrascht war ich nicht – ich war erfreut. Ich habe auch sofort zugesagt. 

Und was sagt Ihre Familie zu der neuen Aufgabe? Sie lebt ja nach wie vor in Graz...
Bogner-Strauss: Als ich mich für die Nationalratswahl aufstellen ließ, waren die Meinungen zu Hause noch gespalten. Jetzt haben sie sich aber alle nur mehr voll mitgefreut. Jetzt gab es keine negativen Stimmen mehr.

Wer war denn zunächst negativ eingestellt, Ihr Mann oder Ihre Kinder?
Bogner-Strauss: Weder mein Mann noch meine Kinder haben sich da Sorgen gemacht. Der Große ist mit 18 Jahren alt genug, die Mittlere lebt damit, dass ich manchmal nicht da bin – das war ja in meinem alten Job auf der Uni auch oft so mit Kongressen etc. – und der Kleine versteht das mit sechs Jahren noch nicht im Detail.  Und mein Mann hat mich sowieso immer zu 100 Prozent unterstützt. Wenn ich von der Familie spreche, dann meine ich meine Mama, Papa, Brüder und so weiter. Da gab es diesbezüglich schon eine Meinungsvielfalt.
 
Wohl, weil Sie jetzt zwischen Graz und Wien pendeln müssen. Wie wird das laufen? 
Bogner-Strauss: Diese Woche bin ich Mittwochfrüh nach Wien gekommen, habe im Hotel geschlafen und Donnerstagabend bin ich wieder nach Graz zurückgefahren. Am nächsten Tag habe ich von zu Hause aus gearbeitet. In der heutigen Zeit, mit der Digitalisierung, sollte das überhaupt kein Problem sein. Ich kenne das aus meinem alten Job, mit meinen Doktoranden in den USA – wir skypen. Das werde ich jetzt auch so halten. 
 
Also eine Ministerin mit Homeoffice?
Bogner-Strauss: Ein Tag die Woche. Das passt auch ganz gut zu meinem Ressort – Vereinbarkeit von Beruf und Familie schaffen.
 
Apropos, wie planen Sie, die Bedingungen für Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern?
Bogner-Strauss: Digitalisierung ist das Schlagwort, Möglichkeiten zum Homeoffice soll es in Zukunft öfter geben. Auch die flexiblere Kinderbetreuung ist mir ein großes Anliegen.
 
Also längere Öffnungszeiten? Wie konkret sollen die aussehen?
Bogner-Strauss: Das ist noch im Detail auszuarbeiten, aber die Zahlen sagen uns, wir müssen flexibler werden. Meiner Karriere zum Beispiel hat es extrem geholfen, dass meine Kinder in einer Kinderbetreuung waren, die sehr flexible Öffnungszeiten hatte.  Die war das ganze Jahr über nur an vier Arbeitstagen geschlossen. Sonst war immer geöffnet, von 7 bis 19 Uhr. Das heißt, man konnte die Kinder von 7 bis 15 Uhr dort lassen oder auch von 10 bis 18 Uhr.  Das ist mein großes Anliegen, gerade für Alleinerziehende wäre das eine große Hilfe. Mir ist es wichtig, sowohl die Qualität als auch die Quantität zu verbessern. 

Sie sind eine Top-Wissenschafterin und Expertin auf dem Gebiet der Biochemie. Doch was qualifiziert Sie denn für die Frauenagenden?
Bogner-Strauss: Ich habe an der Technischen Universität in Graz gearbeitet, in einer Männerdomäne. Dort habe ich in den letzten zehn Jahren viel Unterstützung erfahren in puncto Frauen und Karriere. Die TU hat es sich zum Ziel genommen, Vereinbarkeit für Frauen zu verbessern. Ich habe dort auch im Arbeitskreis für Gleichstellung gearbeitet. Also ich glaube, alleine aus meiner Erfahrung bringe ich da sehr viel mit. 
 
Dann ist die Frage ja zulässig: Wie bringen Sie Karriere und Kinder unter einen Hut? 
Bogner-Strauss: Das habe ich in den letzten Jahren auch schon gemacht, das ist jetzt für mich nichts Neues. Das hat immer gut geklappt, wir machen zu Hause halbe-halbe.  Das Kinderbetreuungsnetzwerk habe ich immer gut genützt und zusätzlich gab es noch ein privates Netzwerk, das mir die Sache erleichtert hat. Zusätzlich ist mein ältester Sohn glücklicherweise schon 18. Das heißt, er schaut schon hin und wieder auf die Kleinen, wenn wir am Abend nicht zu Hause sind. Also es hat für mich immer super geklappt, es war nur selten ein Thema, über das ich mir Gedanken machen musste. 

Jetzt hat das Regierungsprogramm von ÖVP und FPÖ 182 Seiten, nur zwei davon werden der Frauenpolitik gewidmet. Wird das Thema jetzt schon vernachlässigt?
Bogner-Strauss: Nein. Ich finde, hier geht es um die Qualität, nicht um die Quantität. Die Frauen sind gut aufgestellt in diesem Regierungsprogramm. 

Viel Konkretes findet sich aber nicht darin.
Bogner-Strauss: Das sehe ich nicht so. Natürlich, da stehen Dinge drin, die schon länger gefragt sind, wie gleicher Lohn für gleiche Arbeit und Einkommenstransparenz. Gender-Medizin ist auch ein ganz wichtiges Thema. Bis jetzt hat man den Fokus in der Entwicklung von Medikamenten auf Männer gelegt. Da muss man wesentlich mehr für Frauen tun. 

Die ÖVP hat 50 Prozent weibliche Nationalratsabgeordnete angekündigt. Geworden sind es um die 30. Was sagen Sie dazu?
Bogner-Strauss: So ist es. Aber immerhin sind wir im ÖVP-Regierungsteam 50 Prozent Frauen. 
 
Wie kann die Gehaltsschere zwischen Männern und Frauen geschlossen werden?
Bogner-Strauss: Es gibt Einkommensberichte, die müssen wir evaluieren und damit hoffentlich ans Ziel kommen – und diese Schere schließen.  Gibt es etwa Gehaltsschemata, muss eine Frau beim Vorstellungsgespräch nicht mehr darüber nachdenken, ob sie übers Gehalt verhandeln muss.   
 
... und dann alle ihre Verträge offenlegen?
Bogner-Strauss: Nehmen wir Amerika als Beispiel: Dort habe ich im Rahmen von Forschungsaufenthalten viel Zeit verbracht. Da spricht jeder offen über sein Gehalt, das ist dort kein Thema. Wenn alle ihr Gehalt offenlegen, wird der große Unterschied zwischen Männern und Frauen sichtbar. 

Wie stehen Sie denn zu Frauenquoten?
Bogner-Strauss: In gewissen Bereichen unbedingt notwendig.

Ist die neue Regelung, die nächstes Jahr in Kraft tritt – 30 Prozent Frauen in Aufsichtsräten – ausreichend?
Bogner-Strauss: Zumindest ist es ein erster guter Schritt. Im Moment liegen wir bei 18 Prozent, da wäre 30 Prozent schon fast eine Verdoppelung.
 
Und wie sieht der nächste Schritt aus?
Bogner-Strauss: Es ist gut, dass wir jetzt bei börsenorientierten und großen Betrieben anfangen, weil da die Öffentlichkeit gegeben ist. 
 
Im Februar startet das Frauenvolksbegehren. Werden Sie es unterschreiben? 
Bogner-Strauss: Ich werde es nicht unterschreiben, aber in vielen Punkten unterstützen.

Warum nicht?
Bogner-Strauss: Weil einige Punkte mir nicht entgegenkommen. Aber andere sind wichtig: gleicher Lohn für gleiche Arbeit  und Gewaltprävention etwa. Deshalb würde ich gerne ganz offen mit den Initiatorinnen einen Dialog führen und mir das wirklich gut anhören.
 
Haben Sie schon mit den Initiatorinnen Kontakt aufgenommen?
Bogner-Strauss: Noch nicht, das wird demnächst stattfinden.

Einer dieser 15 Punkte des Volksbegehrens fordert einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab Ende des Mutterschutzes? Auch für Sie denkbar?
Bogner-Strauss: Wir sehen, wie es in Ländern in Europa ist, wo es das schon gibt. Es hat viele Vor- und auch Nachteile. In diesen Ländern – Frankreich ist so ein Beispiel – gibt es viel mehr Kinder. Denn da braucht man nicht darüber nachdenken, wie man das managt – man kann wieder in seinen Job zurückgehen, wenn man möchte. Es geht aber auch um das Wollen, dass mein Kind so früh in Betreuung ist. Es hat eben Vor- und Nachteile.

Eine Herausforderung stellt die Betreuung aber auch da, wenn die Kinder schon älter sind. Ihre Vorgängerin Pamela Rendi-Wagner nannte die Betreuungssituation in den Ferien einmal „untragbar“. Die ÖVP hat bereits Verbesserungen versprochen. Wie sollen diese aussehen?
Bogner-Strauss: Wie das im Detail ausschauen wird, muss noch mit dem Bildungsminister besprochen werden. Es geht ja auch um die schulische Kinderbetreuung in den Ferien. Aber Änderungen sind hier auf jeden Fall angedacht. Ich kenne das aus eigener Erfahrung: Man hat nur fünf Wochen Urlaub im Jahr, die Kinder haben aber 15 Wochen. Mir ist in den letzten Jahren aufgefallen, dass das hohe Kosten verursachen kann – wenn man nicht den familiären Rückhalt hat und etwa Großeltern, die auf die Kinder aufpassen.  
 
Wie haben Sie das gemanagt?
Bogner-Strauss: Ferienbetreuung, Sportprogramme ...
 
Welche Projekte wollen Sie jetzt als Erstes angehen?
Bogner-Strauss: Im Bereich des Jugendministeriums einmal die Vereinheitlichung des Jugendschutzes – natürlich mit den Ländern zusammen.  Die Jugendstrategie ist für mich ganz wichtig, auch im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft. Was das Frauenministerium angeht, auf jeden Fall die Gleichstellung beim Lohn, Einkommenstransparenz und Gewaltprävention. Und was Familie angeht, die qualitative, quantitative und flexible Betreuung.
 
Und diese Entlastung für Familien soll über die Schulen stattfinden?
Bogner-strauss: Es soll auf jeden Fall eine Sommerkinderbetreuung geben, die Details müssen wir noch besprechen.
 
Sie selbst sind dreifache Mutter. Was möchten Sie Ihren Kinder mitgeben?
Bogner-Strauss: Das ist ein umfassendes Thema. Ganz wichtig ist mir ein Wertepaket für meine Kinder, das vielleicht bis zu einem gewissen Grad konservativ sein kann. Dann ist mir noch wichtig, dass meine Kinder offen sind. Und vor allem, dass sie Freude und Spaß haben. Von fröhlichen Kindern bekommt man jeden Tag so viel zurück. Wenn man sieht, wie Kinder glücklich und zufrieden sind – das ist etwas Feines. 
 
Konservativ, aber modern – so werden Sie auch von Ihrem Umfeld beschrieben. Trifft das also aus Ihrer Sicht zu?
Bogner-Strauss: Da stimme ich total zu. Konservativ dahingehend, dass ich Familie für einen tollen Wert halt. Das lebe ich ja auch selbst und ich glaube, es gibt Kindern viel Sicherheit, wenn sie mit diesem Wert aufwachsen können. Auf der anderen Seite bin ich offen für neue Dinge. Man muss Sachen an sich ranlassen, offen damit umgehen, Akzeptanz zeigen. 

Ihrer Familie gehört das bekannte südsteirische Weingut Strauss vulgo Schopper. Ihre beiden Brüder führen es, Sie sind erst in die Forschung, dann in die Politik gegangen. Wollten Sie nie ins Winzergeschäft einsteigen?
Bogner-Strauss: Als ich mit der Wissenschaft auf der Uni angefangen habe und mir nicht hundertprozentig sicher war, dass das Früchte tragen könnte, habe ich immer einen Plan B im Kopf gehabt: eine kleine Vinothek und eine Schmankerlstube. Ich koche unglaublich gern und trinke auch sehr gern guten Wein. Da habe ich mir gedacht, das könnte ich noch zusätzlich zu Hause machen. Aber inzwischen ist das durch meine Familie, meine Brüder und deren Frauen gut abgedeckt. Es gibt noch keine Schmankerlstube, aber das hat sich inzwischen erledigt – die mache ich jetzt privat zu Hause für meine Familie. 
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