Irmgard Griss im Talk

„Ich suche ja keinen Posten“

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Nachgefragt. Ex-OGH-Präsidentin Irmgard Griss könnte politisch noch eine große Rolle spielen. Ein Gespräch über ihre Pläne und das Populismusproblem.

Obwohl es für den ganz großen Erfolg letztlich doch an Stimmen gemangelt hat, war sie bei der vorjährigen Bundespräsidentschaftswahl die ­große Überraschung. Irmgard Griss, Ex-OGH-Präsidentin und Juristin, konnte 2016 knapp 18,9 Prozent der Stimmen für sich gewinnen, in Summe ein respektabler dritter Platz im Wahlausgang. Die Wähler zeigten sich der politisch bis dahin Unbekannten ­zugetan, ein Faktum, das auch den anderen Parteien nicht entging. In der Folge wurde die 70-Jährige auch von Neos-Chef Matthias Strolz und ÖVP-Außenminister Sebastian Kurz zu Gesprächen eingeladen, bei denen man scheinbar jedoch (noch?) nicht auf einen grünen Zweig gekommen ist. Griss für die eigene Partei zu gewinnen, wäre für jedes dieser Lager ein Coup.
 
Im Fokus. Doch Griss selbst blieb auch „nicht untätig“, wie sie im MADONNA-Talk erklärt. Das Gespräch über Pläne, Populismus und Europa.
 
Sie sind derzeit quer durch Österreichs Bundesländer für Ihre Tischgespräche unterwegs. Was konnten Sie beobachten?
Irmgard Griss: Dass großes Interesse am politischen Gespräch besteht. Und ich habe bisher nur positive Erfahrungen gemacht. Es ist schön, eine solche Offenheit zu erleben. Denn es gehört einiges dazu, jemanden zu sich nach Hause zu einem solchen Gespräch einzuladen und seine Meinung zu äußern.
 
Nun hieß es nach dem BP-Wahlkampf, dass Sie trotzdem politisch aktiv bleiben wollen. Bis jetzt fehlen allerdings noch immer klare Ansagen. Wie geht es also mit Irmgard Griss weiter?
Griss: Ich war ja nie untätig. Ich habe viele Gespräche mit sehr unterschiedlichen Leuten geführt, an Diskussionen teilgenommen und Vorträge gehalten. Außerdem gab es noch keinen Zeitpunkt, zu dem ich mich hätte äußern müssen, wenn ich politisch tätig bleiben will. Es gibt keine Wahl und daher auch keinen konkreten Anlass. Und ich habe von Anfang an gesagt, dass mir eine zivilgesellschaftliche Ini­tiative vorschwebt. Menschen dazu zu animieren, sich zu engagieren. Da muss man sich schon gut überlegen, wie man das am besten erreichen kann. Die Tischgespräche sind ein guter Anfang.

Welche Kompetenzen kann so eine Bürgerinitiative denn haben?
Griss: So wie es jetzt läuft, haben viele Menschen den Eindruck, dass Stillstand herrscht – es wird schon etwas gemacht, aber an die großen Brocken traut sich keiner heran, weil man damit ja Wähler vergraulen könnte. Hier muss der erste Schritt Bewusstseinsbildung sein. Menschen sollen politische Ankündigungen kritisch hinterfragen und sich nicht so leicht verführen lassen. Und die Idee hinter den Tischgesprächen ist natürlich auch, dass nicht nur diese eine Familie politische Themen diskutiert, sondern den Diskurs in wieder andere Kreise bringt.

Aber Sie wären nicht abgeneigt, auch ein politisches Amt zu bekleiden?
Griss: Das wird sich zeigen, das kann ich jetzt nicht sagen. Aber das ist nicht mein primäres Ziel – ich suche ja keinen Posten. Was mich aber reizt, ist, etwas anzustoßen. Wir haben in Österreich so gute Voraussetzungen. Wir haben viele gut ausgebildete Menschen, das Land ist – verglichen mit anderen Staaten – sicher, die Infrastruktur gut ausgebaut.
 
Stichwort Sicherheit: Innen­minister Sobotka hat vergangene Woche seine Sicherheitsdoktrin präsentiert. Österreich soll das „sicherste Land der Welt“ werden – ist das realistisch, bzw. inwiefern hat dieser Vorschlag auch etwas von einer Drohung?
Griss: Sicherheit und Sicherheitsgefühl sind etwas sehr Subjektives. Je mehr Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit angekündigt werden, desto höher ist auch das Unsicherheitsgefühl. Außerdem muss dabei eines klar sein – die ab­solute Sicherheit gibt es nicht. Es gibt normale Lebensrisiken, die man nicht ausschalten kann. Und je mehr Sicherheit ich will, desto größer sind auch die Einschränkungen. Freiheit und Sicherheit kann man nicht zugleich im Höchstmaß haben. Da muss man schon ab­wägen.

Hat dieser Vorschlag also eine populistische Natur?
Griss: Das kann man so sehen. Und den zusätzlichen Effekt, dass Menschen Angst bekommen, die bisher eigentlich ganz gelassen waren.
 
Wie kann man dem Einhalt gebieten?
Griss: Bildung ist der Schlüssel. Die Menschen müssen ­Informationen kritisch hinterfragen und sich selbst eine Meinung bilden. Und in wei­terer Folge auch bereit sein, mit anderen Gespräche zu führen und Argumente auszutauschen.
 
Wie stehen Sie zum Thema EU-Politik? Was soll Ihrer Meinung nach aus Europa werden?
Griss: Ich finde Jean-Claude Junckers „Weißbuch“-Vorschlag sehr spannend. Man muss den Brexit als Chance für die verbliebenen Länder begreifen, das zu verändern, was gestört hat und was die EU manchmal zahnlos erscheinen lässt. Denn ohne die EU werden die einzelnen Nationalstaaten den großen Herausforderungen nicht gewachsen sein.

Doch von Churchills Vereinigten Staaten von Europa scheinen wir gerade ziemlich weit entfernt.
Griss: Ich bin 1946 geboren, in meiner Jugend wäre es undenkbar gewesen, einfach so nach Italien zu fahren, ohne kontrolliert zu werden. In ­meiner Lebenszeit hat sich viel getan. Warum soll es nicht möglich sein, die EU weiterzuentwickeln? Leider braucht es Krisen, damit etwas weitergeht. Denn, wenn den Menschen das Wasser nicht bis zum Hals steht, machen sie auch keine Schwimmbewegungen. Man muss in der Krise die Chancen sehen, die sich ­daraus ergeben.
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