Wahlkampf in NÖ

Helga Krismer im MADONNA-Talk

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Für die Grünen hängt von der NÖ-Wahl am Sonntag viel ab – für ihre Spitzenkandidatin Helga Krismer allerdings noch viel mehr

Für keinen Politiker in diesem Land steht so viel auf dem Spiel wie für Helga Krismer (45) – das kann man getrost behaupten. Denn weil die Grünen, die bei der letzten Nationalratswahl ja überraschend aus dem Parlament geflogen sind, in einer finanziellen Misere stecken, muss die studierte Tierärztin jetzt selbst einspringen. „Es ist wirklich eine Notsituation, in der die Grünen jetzt sind. Und da habe ich gesagt: Ich bin eine, die anpackt und wenn ich mir etwas einbilde, dann machen wir das auch so“, schildert die bodenständige Tirolerin im Interview.

Was der sympathischen Politikerin da so entspannt über die Lippen kommt, bedeutet aber ein großes Risiko für sie und ihre Familie: Denn Krismer – sie ist die grüne Spitzenkandidatin bei der Niederösterreich-Wahl am 28. Jänner – bürgt persönlich für die Hälfte der Wahlkampfkosten, knapp eine halbe Million Euro. MADONNA besuchte die Powerfrau und Sohn Lukas (12) zu Hause in Baden bei Wien und sprach mit ihr über ihre Pläne für Niederösterreich und das große Zittern vor dem morgigen Entscheidungstag.

Mit welchem Gefühl gehen Sie in die Wahl? Für Sie steht ja einiges auf dem Spiel …

Helga Krismer: Es geht um sehr viel für die Grünen, aber auch für Niederösterreich – ob es weiterhin eine grüne Kontrollpartei gibt und ob die Kontrolleurin Helga Krismer heißen darf. Also ich bin sehr aufgeregt und ein bisschen zuversichtlich.

Haben Sie Angst, die Vier-Prozent-Hürde nicht zu erreichen und damit den Einzug in den Landtag, wie zuvor schon die Bundespartei im Parlament, zu verfehlen?
Krismer: Es scheint wirklich so zu sein, dass es jetzt um Leben oder Tod geht. Unentschlossene hat es in der Woche vor der Wahl noch ziemlich viele gegeben und ich hoffe, dass sie das Angebot annehmen und taktisch wählen. Denn SPÖ und FPÖ sind fix in der Landesregierung und die brauchen eine gute Oppositionspartei. Da haben wir viel vorzuweisen.

Für Sie hängt ja besonders viel von dieser Wahl ab, weil Sie für die Hälfte der Wahlkampfkosten persönlich bürgen. Wie kam es zu der Entscheidung und wie lange hat es gedauert, bis das geklappt hat?
Krismer: Leider sehr lange. Am 15. Oktober gab es diesen Schicksalsschlag für die Grünen (Anm.: Kein Einzug ins Parlament nach der Nationalratswahl) und nachdem alle Zahlen und Bücher hin und her gewälzt wurden, hieß es: Die niederösterreichische Landespartei muss einen großen Beitrag leisten. Bei uns war es allerdings so, dass wir in der Vorwahlzeit viele Ausgaben hatten – also brauchten wir, wie bei einem Unternehmen, eine Art Betriebsmittelkredit. Das waren eben 450.000 Euro, die wir benötigt haben – die jetzt ein Teil des 700.000-Euro-Wahlkampfbudgets in Niederösterreich sind. Das eine ist Budget, das andere Cashflow. Na ja, dann war ich wochenlang damit beschäftigt, eine Bank zu finden, die uns das nötige Vertrauen entgegenbringt. Ich habe zwei Absagen bekommen und auch die Bank, die uns den Kredit jetzt gibt, hat nicht sofort Ja gesagt, sondern wollte mich als Privatperson. 

Wie hat Ihre Familie reagiert?
Krismer:
Die hängen natürlich mit drinnen. Ich habe das mit meinem Mann gemeinsam entschieden. Tolle Ehemänner macht doch auch aus, dass sie ihrer Frau Wichtiges nicht abschlagen, oder? Ich möchte unbedingt, dass es für die Grünen in Niederösterreich weitergeht – geht ja auch um die Zukunft meines Sohnes.

Waren Sie drauf und dran die Hoffnung aufzugeben, als Sie die Absagen bekamen?
Krismer:
Ich war in meinem ganzen Leben noch nie so zermürbt und am Boden. Ich habe echt Sorge gehabt, ich schaffe das nicht und kann den Wählern kein Angebot machen. Aber ich bin hartnäckig geblieben und dann ging es doch. 

Also wenn die Grünen den Einzug in den Landtag nicht schaffen sollten, fallen Sie um die Parteiförderung und Sie damit auch um Ihre 450.000 Euro um?
Krismer:
Ja, dann werde ich mir gemeinsam mit allen Beteiligten anschauen müssen, wie wir das Geld auftreiben können.

Man kann also sagen, dass es für keinen Politiker im Land um so viel geht, wie für Sie?
Krismer:
Ich glaube, das kann man so sagen. Ich bin ja so froh, dass wir in Österreich eine Parteienförderung haben – auch wenn viele meinen, es wäre zu viel. Natürlich kann man über die Höhe sprechen, aber ich habe jetzt wieder gemerkt, wie toll es ist, dass Gelder bereitgestellt werden, damit sich Menschen politisch engagieren können – und zwar unabhängig von Unternehmen oder Menschen, die eine Gegenleistung haben möchten. 

Wie können die Bundesgrünen wieder auf die Beine kommen?
Krismer:
Entscheidend sind jetzt schon die vier anstehenden Wahlen in den Bundesländern. Die Situation jetzt erinnert mich ein bisschen daran, wie es zu Beginn der Grünen-Bewegung war. Wir sind nach wie vor wahnsinnig verwurzelt in den Orten. Es geht von unten nach oben, nur dass uns das Oben gerade fehlt. Es wird jetzt an der Bundespartei liegen, ein „Reset“ zu machen – das ist durchaus was Heilbringendes. Schicksalsschläge muss man annehmen. Dieses Silvester habe ich mit Genuss die Flasche Sekt getrunken, denn ich war wirklich froh, dass 2017 vorbei war.

2018 wird also besser …
Krismer:
Dieses Reset, ich finde das gut. Das muss man manchmal annehmen im Leben. Viele sagen, ich sei forsch und bodenständig. Aber ich glaube, jetzt sind alle froh, dass ich so bin, wie ich bin. Deshalb konnte ich durch diese Krise durchtauchen, das hätten viele andere nicht geschafft. Es ging darum, Lösungen herbeizuführen und die eigene Gruppe davor zu bewahren, im Selbstmitleid unterzugehen. Ich habe versucht, sie zu motivieren in vielen Gruppengesprächen – dass wir das gemeinsam hinbekommen wollen und uns am 28. Jänner in der Früh in den Spiegel schauen und sagen können, wir haben alles gegeben.

Wofür setzen Sie sich politisch ein?
Krismer:
Klimakrise ist für mich ein wichtiges Thema, aber das verstehen die Menschen oft nicht. Deshalb glauben viele in der Politik, es juckt einfach niemanden und zieht nicht als Thema. Doch wenn ich meinen 12-jährigen Sohn ansehe, weiß ich, er wird in einer Welt ohne Öl und Gas leben – und wer soll das sonst regeln, wenn nicht die Politik? In Niederösterreich wissen wir, dass Transport und Verkehr die größten Klimabomben sind und die möchte ich entschärfen, indem wir einen tollen öffentlichen Verkehr anbieten. Mein zentrales Thema ist ein kostengünstiges Ticket um 365 Euro im Jahr anzubieten. 

Sie wollen mit konkreten Projekten das Bewusstsein für Klimapolitik stärken?
Krismer:
Genau, und wir müssen auch einfach darüber sprechen, dass wir alle angehalten sind, unseren Beitrag zu leisten. Es liegt ja im Naturell des Menschen: Alles, was unangenehm ist, schiebt man weg. Aber die Politik ist eigentlich dazu da, ab und zu den Spiegel vorzuhalten. Ich sehe im Moment auf Bundesebene aber nicht, dass sich jemand diesem Thema annimmt.

Wie sehen Sie Türkis-Blau sonst?
Krismer:
Kurz und Strache haben gemeint, man soll nicht überrascht sein – sie machen jetzt, was sie vorher angekündigt haben. Und da haben sie ja recht. Wenn ich den Menschen verspreche, es werden weniger Steuern und Abgaben fällig werden, dann bedeutet das auch irgendwann weniger Leistung. Jetzt gibt es zwar einen Familienbonus, der nicht einmal für alle gleich wirkt, aber ich bekomme nur das Geld und muss selbst schauen, wo ich mir die Leistung kaufen kann. Deswegen gibt es ja auch nicht mehr Gratiskindergartenangebote. Die braucht es aber! Leistungen für Frauen wie etwa kostenlose und ausreichende Kinderbetreuung bringen unsere Gesellschaft schneller voran als irgendein Familienbonus.

Sie sind studierte Tierärztin. Was hat Sie in die Politik geführt?
Krismer:
Politik ist mir einfach so passiert. Ich bin mit Anfang 20 in Baden reingestolpert in die Grüne Gruppe. Ich wurde einmal zu einer Sitzung mitgenommen, und weil ich dort meinen Mund nicht halten konnte, war ich dann im Vorstand, irgendwann im Gemeinderat und Landtagsabgeordnete – und heute sitze ich hier mit der großen Last auf meinen Schultern.

Haben Sie politische Vorbilder?
Krismer: Ich habe kein politisches Vorbild, mein Vorbild sind tatsächlich meine Eltern. Weil sie sich beide hinaufgearbeitet haben, beide haben eine Lehre gemacht, etwas gemacht aus ihrem Leben und haben es mir auch ermöglicht, nach Wien zu gehen und zu studieren. Ohne ihr Engagement wäre ich heute nicht hier als Frau Doktor. Aber auch ihre Herzlichkeit, dieses kritisch bleiben, aufeinander zugehen und wie man mit anderen Menschen umgeht, habe ich von ihnen.

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