Schule hilft Flüchtlingen

Helfen macht Schule

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Am Montessori-Campus in Wien-Hütteldorf helfen Schüler, Lehrer und Eltern den Flüchtlingen. Wie es zum besonderen Engagement kam. Der Talk am Campus …  

Diese Schule ist in jeder Hinsicht innovativ. Als erste Montessori-Schule Europas bietet man in Wien-Hütteldorf das „International Baccalaureate Diploma“ an, ein internationaler Abschluss, der das Studium im In- und Ausland ermöglicht (www.campus-wien-west.at). Doch  nicht nur die  international anerkannte Hochschulreife wird hier geboten, man engagiert sich hier auch vorbildlich für Flüchtlinge. Im Rahmen des Faches CAS (Creative, Activity, Service), das den Dienst am Nächsten fordert und fördert, halfen Schüler am Wiener Hauptbahnhof und Westbahnhof tatkräftig mit. 
 
MADONNA war zu Gast am Campus. Und ließ sich von den  Schülern Emil (16), Fe (17), Clara (17), Lina (17) und Flavio (16), der leitenden Pädagogin Doris Dintner und der stellvertretenden Obfrau Natascha Kober erzählen, wie lehrreich helfen sein kann. Und wie glücklich es macht …  

Wie sehr war es von den Schülern ein Anliegen, auf den Bahnhöfen mitzuhelfen?
Doris Dintner: Wir waren dort auf Exkursion und es war ganz klar, dass dringend Hilfe gebraucht wird. Als die Nahrungsmittel am Bahnhof ausgegangen und nichts mehr zu verteilen da war,  gab es eine spontane WhatsApp-Umfrage unter den Schülern: „Seid ihr einverstanden, dass wir das Essens-Schulgeld für die nächsten zwei Wochen den Flüchtlingen spenden?“, und alle haben mit „Ja“ abgestimmt. 
 
Wie war das denn für euch Schüler?
Emil: Wir sind sehr schnell in die Verantwortung gezogen worden. Teilweise sind Kinder gekommen, fast nackt. Die hatten gar nichts anzuziehen. Die brauchten Kleider. Wir haben auch Leute zu den Zügen gebracht, Mittagessen verteilt. 
 
Fe: Ich habe Wasser an Kinder verteilt. Es war wundervoll, zu sehen, wie sehr sich die Kinder darüber gefreut haben, „thank you so much“ gesagt haben. Oder die Mutter, die um einen Pullover für ihren fast nackten Sohn gebeten hat …
 
Flavio: Für mich war es am skurrilsten zu sehen, dass man, wenn man beim Hauptbahnhof reingeht, keinen Polizisten, keinen Flüchtling sieht, alles blank poliert und sauber ist. Geht man dann den Bahnsteig rauf, also 200 Meter weiter, sieht es ganz anders aus. Viele Leute haben keine Ahnung von der anderen Seite. Der Kontrast war schon irre!
 
Clara: Diese zwei Welten waren wirklich krass. So hat z. B. eine Reihe von Polizisten den Flüchtlingsbahnsteig abgetrennt vom Rest der Bahnsteige. Ich bin zur Polizistenreihe gegangen und sie haben erkannt, dass ich aus Österreich bin und durfte einfach durchgehen. Die anderen nicht. Das war für mich schon komisch.  

Lina: Für mich war es ein Flash, ein sehr intensives Gefühl. Mir ist eine Frau in den Arm gefallen, eine Situation, die du mit nach Hause nimmst. Ich hab was Gutes getan und die Leute zeigen dir das auch!
 
Seit wann engagiert sich eure Schule schon für Flüchtlinge?
Natascha Kober: Seit den Sommerferien. Unser Schulbusfahrer war regelmäßig in Traiskirchen, hat Waren dorthin hingebracht. Und wir haben dann gesagt, wir wollen als Schule ein Statement setzen, einfach sagen: Wir stehen auf für die Flüchtlinge, wir wollen Stellung beziehen! Als ersten Schritt haben wir Sachspenden gesammelt. Wir könnten uns auch vorstellen, nachmittags  Familien in die Schule einzuladen, gemeinsam zu kochen. Wir würden auch Schüler aufnehmen …
 
Sollte soziales Engagement am Lehrplan stehen?
Dintner: : In der Montessori-Pädagogik ist ja das eine Grundidee, der Dienst am ­anderen gehört immer dazu. Schon die jungen Kinder kennen das, Tisch für alle herrichten und so. Die Älteren, die 12- bis 15-Jährigen, putzen und kochen für die gesamte Gruppe. Und das Diplom, das wir jetzt anbieten, das internationale Baccalaureat, unterstützt uns, mit diesem Fach, dem sogenannten CAS, in dem ein Teil soziales Engagement ist. Man muss sich hierbei für Mitmenschen engagieren. So passt der IB-Abschluss perfekt zur Montessori-Schule. Außerdem ist  Helfen eine Möglichkeit, selbst zu lernen. Wenn du hinausgehst und anderen Menschen hilfst, reifst du ja auch selbst. Man macht das nicht nur aus Mitleid, man kommt auch selbst als Mensch weiter. 
 
Kober: Du gibst nicht nur etwas, du bekommst auch zurück. Du wächst in der Situation. 
 
Gab es auch Schüler, die nicht mitmachen wollten?
Dintner: Klar hat’s die gegeben! Die haben dann geholfen, die Schule herzurichten. Das war auch eine Option. Es ist ­ihnen ja freigestanden, ob sie zum Bahnhof fahren wollen … Von 31 sind dann sechs in der Schule geblieben. 
 
Kober: Man kann nicht jemanden hinschicken, der nicht das Bedürfnis hat, etwas zu tun.  
 
Dintner: Es ist aber auch etwas, das man lernt, indem man in die Situation kommt. Soziales Empfinden kommt nicht automatisch. 
 
Kober: Verantwortung übernehmen muss man rauskitzeln und zulassen. Auch unsere ­Eltern waren dankbar für die Möglichkeit zu helfen, haben Ladungen von Hilfsgütern mitgebracht. 
 
Lina: Man braucht oft auch ­einen kleinen Anstoß. Und das war ein guter Schritt von der Schule. Dort hat man gesagt: He, probiert es doch einmal aus! Viele von uns machen jetzt auch in ihrer Freizeit weiter. Ich hab mich schon mit der Caritas kurzgeschlossen, weise jetzt neue Helfer ein. Es ist auch ein großer Vorteil, wenn man in der Montessori-Schule aufgewachsen ist. Wir haben das Selbstständigsein gelernt, wurden immer dazu angehalten. So läuft das auch am Bahnhof ab. Man kommt nicht weit, wenn man nur steht und wartet. Man muss sich einbringen.
 
Ihr seid Jungwähler. Hat die Arbeit am Bahnhof eure politische Entscheidung beeinflusst?
Alle unisono: Höchstens bestärkt, würden wir sagen!
 
Macht Helfen Schule?
Kober: Ja. Helfen sollte Schule machen, genauso wie Mathe und Fremdsprachen oder Engagement und Verantwortungsbewusstsein.  So wie wir Schule machen, verstehen wir es als gesellschaftspolitischen Beitrag. Es wäre toll, wenn Bildungspolitiker anerkennen würden, dass es nicht nur in Norwegen oder sonst wo Schulen mit Modellcharakter gibt, sondern auch hier!  
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