Im MADONNA-Talk

First Couple - privat wie nie

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Das First Couple persönlich. Margit und Heinz Fischer sind fast 50 Jahre verheiratet. Warum sie jeden Monat Hochzeitstag feiern und welche Schicksalsschläge sie gemeistert haben – der Talk. 

Am 4. Juli zu Mittag haben Heinz und Margit einen ausgedehnten Mittagsschlaf gehalten. In der Früh war sie als Margit Fischer aufgewacht, am Abend als „First Lady“ Österreichs eingeschlafen. Seit 2004 ist Heinz Fischer Bundespräsident und sie die Frau an seiner Seite, die in der zweiten Reihe. Doch das ist nun anders, denn Margit Fischer hat ein bemerkenswertes Buch über ihr Leben geschrieben. In „Was wir weitergeben“ erzählt die zweifache Mutter ihre Familiengeschichte, die ein Stück Zeitgeschichte ist. Sie berichtet von ihren Eltern, die vor den Nationalsozialisten nach Schweden geflüchtet sind (ein Großteil von Margit Fischers Familie wurde von den Nazis getötet). Und sie erzählt, wie sie Heinz Fischer kennen und lieben gelernt hat. 
 
Starkes Duo. Erstmals tritt Fischer – den Titel „First Lady“ mag sie nicht besonders– aus der zweiten Reihe hervor und   lässt den Leser an persönlichen Erinnerungen, aber auch Schicksalsschlägen teilhaben. In MADONNA sprechen der Bundespräsident und seine Frau deshalb auch sehr offen über die beiden Fehlgeburten, die Margit Fischer hintereinander erlitten hat. Ein Kind, das Margit Fischer durch eine Infektion verlor, wäre ein Kind mit schwerer Behinderung gewesen. Heinz Fischer sagt: „Wir haben das zu zweit diskutiert und verarbeitet.“ Heute sind sie glückliche Eltern von Lisa und Philip und freuen sich über drei Enkeltöchter, Anna, Una und Julia, denen „Oma“ Margit Fischer ihr Buch gewidmet hat. Und die Fischers verraten im großen MADONNA-Talk, wie sie – jeden Monat am 20. – ihren Hochzeitstag feiern. Ein ungewöhnlich offenes und sehr persönliches ­Interview und eines, das schwingt mit jedem Satz mit, das von großer Liebe und Respekt zueinander getragen ist. 
 
In welcher Form ist der Eiskaffee in die kulinarischen Annalen der Familie Fischer eingegangen?
Heinz Fischer zu Margit: Du bist dran. 
Margit Fischer: Als Anekdote. Ich sehe das Bild noch vor mir. Ich sehe einen schönen Badetag im August und dass wir dann ins Schloss Laudon gegangen sind auf einen Eiskaffee und alles unglaublich harmonisch war.
 
Was sehen Sie noch vor sich, Herr Bundespräsident?
Heinz Fischer: Ein sympathisches Gegenüber, einen ziemlich spontanen Entschluss, Margit zu fragen, ob sie einverstanden ist, wenn wir heiraten und eine positive Antwort. Wir haben uns ja nicht erst 14 Tage vorher kennengelernt, sondern kannten uns schon Jahre. Soviel ich mich erinnere, habe ich am Morgen dieses Tages noch nicht gewusst und auch noch nicht geplant, am Nachmittag einen Heiratsantrag zu machen.
 
Und jetzt gibt es jedes Jahr zum Hochzeitstag Eiskaffee?
Heinz Fischer: Nein, aber wir zelebrieren unseren Hochzeitstag jeden Monat. Das sind jetzt über 560. Das weiß auch mein Büro. Die halten mir den Abend frei. Entweder gehen wir essen oder man schenkt sich ein Buch. Wenn der monatliche Hochzeitstag auf ein Wochenende fällt, machen wir einen Ausflug oder gehen ins Museum.

Margit Fischer: Und in der Früh gibt es ein Extra-Bussi (schmunzelt).
 
Sie sind 1967 nach Schweden gegangen, um dort zu arbeiten. Zu dieser Zeit kannten Sie Heinz Fischer schon. Er hat Ihnen dann nach Schweden einen Brief geschrieben ...
Margit Fischer: Viele Briefe. Jede Woche ist ein Brief hin und retour gegangen. Durch diese Korrespondenz haben wir uns noch besser kennengelernt. Wir haben geschaut, wo die Interessen liegen und wir haben uns erzählt, was wir machen und somit hat auch Heinz sehr genau erfahren, was mich interessiert, und ich habe gewusst, wo seine Interessen sind. Es ist eigentlich immer mehr herausgekommen, wie viel wir gemeinsam haben.
 
Als Sie mitbekommen haben, dass Margit Fischer gar nicht mehr in Wien ist, waren Sie da schon so weit, dass Sie wussten, dass Sie in diese Frau verliebt sind?
Heinz Fischer: Also wir haben uns schon mehrere Jahre gekannt, aber das Wort „verliebt“ hätte noch nicht richtig gepasst. Sie ist mir sehr positiv aufgefallen und ich war ein bisschen überrascht, dass sie mir von ihrer Absicht, nach Schweden zu gehen, nichts erzählt hat. Da war es natürlich unter den damaligen Kommunikationsbedingungen naheliegend, einen Brief zu schreiben. Und wahr ist, dass ich auf den Brief in der für die Post kürzest möglichen Zeit eine Antwort bekommen habe und sie in der für die Post kürzest möglichen Zeit eine Antwort auf die Antwort bekommen hat. 
 
Machen wir einen Zeitensprung. Frau Fischer, Ihr Buch ist Ihren drei Enkeltöchtern gewidmet. Gemäß Ihrem Titel: „Was wir weitergeben“. Was möchten Sie Ihren drei Enkeltöchtern weitergeben? 
Margit Fischer: Ich möchte ihnen anhand unserer Familiengeschichte weitergeben, dass es eine Geschichte der Emanzipation gibt. Sie sollen wissen, wer ihre Großeltern waren und was die erlebt haben. Sie sollen wissen, dass sie in einem Österreich mit sehr vielen Freiheiten und Möglichkeiten aufwachsen. Es gilt, das weiterzugeben, zu verteidigen und auch weiter daran zu arbeiten. Es gibt Werte, die es wert sind, hochgehalten zu werden und mit anderen geteilt zu werden. Es ist wichtig, andere davon zu überzeugen, dass wir mit diesen Werten und dieser Freiheit sorgfältig umgehen müssen. 
 
Herr Fischer, wie war Ihre erste Reaktion auf das Buchprojekt Ihrer Frau?
Heinz Fischer: Sehr positiv. Ich habe gewusst, dass Margit eine interessante Geschichte zu erzählen hat. Das ist keine 08/15-Biografie, sondern ist ein Einblick in das zwanzigste Jahrhundert in Österreich, in eine österreichische Familie, die vieles erlebt und leider auch ziemlich viel erlitten hat. Es ist auch ein sehr politisches Buch, im besten Sinn des Wortes. Ich habe es der Margit zugetraut. Ich habe immer zu ihr gesagt: „Du kannst das, du kannst das ganz bestimmt.“
 
Der Großteil Ihrer Familie wurde von den Nazis ermordet, Ihr Vater war ein halbes Jahr in Dach­au und ein halbes Jahr im Konzentrationslager Buchenwald. Wie sehr hat Sie das Schreiben Ihrer Familiengeschichte bewegt? 
Margit Fischer: Natürlich hat es mich bewegt. Und fast noch mehr bewegt mich, wenn jetzt das Totenbuch über Maly Trostinec aufgedeckt wird. Wenn ich mir vorstelle, dass meine Großmutter und meine Tante, die rund zehn Jahre jünger waren, als ich es jetzt bin, in Viehwaggons nach Maly Trostinec geschickt und dort ermordet worden sind … Da ist die Emotion noch stärker, als bei meinem Besuch im KZ Buchenwald im September dieses Jahres. Am Appellplatz in Buchenwald hat es schon im September unglaublich kalt geblasen. Mein Vater war aber im Winter dort. In seiner Biografie wird die Szene beschrieben, wie ihm sein Freund Mundl Seidenwerg, ein Mithäftling, geraten hat, einen knappen Pullover auszufassen, damit er eine Zeitung zwischen Haut und Pullover als Wärmeisolierung fixieren kann. Und ich stehe da – im Mantel im September – und denke an meinen Vater, der auch hier gestanden ist. Das geht schon unter die Haut. Aber ich bin dankbar, dass mein Vater es geschafft und überlebt hat. Er hat immer betont, dass er die Kraft und den Willen zum Überleben hatte, weil er wusste, dass eine Annie, meine Mutter, auf ihn wartet. Durch dick und dünn.
 
Herr Bundespräsident, was haben Sie empfunden, als Sie im September 2015 am Appellplatz in Buchenwald gestanden sind, jenem Ort, an dem ihr Schwiegervater um sein Leben gekämpft hat? 
Heinz Fischer: Ich habe ja vorgeschlagen, dass wir dorthin fahren. Ich habe schon mehrere ehemalige Konzen­trationslager im Laufe der Zeit besucht und ich wollte auch  Buchenwald sehen. Es bedrückt allein schon durch die Größe der Anlage. Man hat sehr trübe Gedanken an einem solchen Ort. 

Margit Fischer: Den Peinigern in Buchenwald war auch die Matrikelführung übertragen. Das heißt, dass sie niemand anderem sagen mussten, wie viele sie umgebracht haben. Die haben dort jede Freiheit gehabt, zu töten. 
 
Heinz Fischer: Herr über Leben und Tod.
 
Margit Fischer: Ja, das Schlimme ist nicht nur, dort zu stehen und an Einzelne zu denken, sondern das ganze System. Das ist mir dort besonders stark unter die Haut gegangen. Da mein Vater ja überlebt hat, denke ich nicht nur an ihn, sondern an dieses unmenschliche System, das von manchen Leuten noch immer geleugnet oder zumindest kleingeredet wird. Auch etwas, das ich weitergeben möchte: „Schau zurück in die Geschichte. Hinterfrage, was geschehen ist und wieso es möglich war.“ 
 
Was macht eine solche Familiengeschichte mit einem? Und ab wann haben Sie Ihren beiden Kindern davon erzählt?
Margit Fischer: Wir sind mit diesen Fragen sehr offen, aber sensibel umgegangen, weil das für unsere Familie wichtig war. Wir haben unsere Kinder immer so weit wie möglich ernst genommen. Sie waren für uns nicht kleine Kinder, mit denen man nicht offen redet oder denen man nicht die Wahrheit sagt.  
 
Heinz Fischer: Du hast immer gesagt, die Kinder muss man ernst nehmen. Aber sonst kann ich nicht sagen, dass unser Leben von der Vergangenheit überschattet war.

Es gibt im Hause Fischer eine große Gesprächskultur, aber auch eine – von Respekt getragene – Streitkultur? 
Margit Fischer: Streitkultur? Wir trachten immer, dass es nicht so weit kommt.
 
Heinz Fischer: Bei uns gilt der Grundsatz: „Es gibt der nach, dem es leichter fällt“ – und da muss man dann nur mehr diskutieren, wem es leichter fällt. Manchmal fällt es mir leichter nachzugeben, dann ist es Ehrensache nachzugeben. Manchmal fällt es Margit leichter und über einen längeren Zeitraum liegt das sicher bei 50:50. Vielleicht gebe ich sogar ein bisschen mehr nach (lacht). 
 
Sie haben als Paar viel Schönes miteinander erlebt, aber leider auch sehr Trauriges. Frau Fischer, Sie haben zwei Fehlgeburten erlitten. Ein Kind wäre schwer behindert gewesen. Wie verkraftet man so etwas?
Heinz Fischer: Wir haben das zu zweit diskutiert und auch verarbeitet. 
 
Margit Fischer: Ja, das war natürlich ein großer Schmerz. Mir hat damals auch mein Arzt Dr. Rockenschaub sehr geholfen. Er hat gesagt, da ist nichts, wofür man sich schämen oder Schuldgefühle haben muss. Und wir waren dann sehr glücklich, als wir unsere Kinder Philip und Lisa bekommen haben.
 
Herr Bundespräsident, Ihre Frau schreibt aus der Perspektive einer Frau, die in der zweiten Reihe steht, aber alles aus erster Hand erfährt. Wie wichtig ist Ihnen die Meinung Ihrer Frau?
Heinz Fischer: Sehr wichtig! Das ist eine klare Sache. 
 
Wie sehr hat Ihre Frau dazu beigetragen, dass Sie diese Polit-Karriere machen konnten?
Heinz Fischer: Sie hat sicher alles leichter gemacht und manches überhaupt erst ermöglicht. Es ist dadurch alles viel harmonischer verlaufen. Margit hat dafür gesorgt, dass ich als Klubobmann oder als Minister den Rücken freigehabt habe, z. B. für Sitzungen, die manchmal bis weit nach Mitternacht gedauert haben. Auch die Entscheidung, für das Amt des Bundespräsidenten zu kandidieren, war eine Teamentscheidung. Und alles, was gemeinsam entschieden wurde, wurde auch mit ganzer gemeinsamer Kraft getragen. 

Wie oft sagen Sie Ihrer Frau „Ich liebe dich“?
Heinz Fischer: Das ist unsere Privatsache. Aber öfters, als sie glauben (lächelt). 
 
Zum Schluss: Sie sind in Schweden als Kind von Flüchtlingen aufgewachsen. Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Margit Fischer: Frieden! Also für mich ist unbegreiflich, wie man sich so bekriegen kann, wie das heute noch immer geschieht. Wie man Landsleute und Nachbarn umbringt und nicht sieht, wie sehr man dabei auch seine eigene Zukunft zerstört.  
 
Sie widmen im Buch auch ein Kapitel dem Thema Bildung.
Margit Fischer: Das ist mir besonders wichtig. Egal, ob man jetzt als Asylant kommt, ein Staatsbürger dieses Landes ist oder hier geboren ist – je mehr Bildung, je mehr Wissen ich einbringen kann, desto größer sind die Chancen, dass ich ein zufriedenes Leben führen kann. Bildung ist auch in der heutigen Zeit besonders für junge Frauen wichtig. Bildung vergrößert die Chance, dass unsere Kinder ein menschenwürdiges, anerkanntes und zukunftsreiches Leben führen können. Daran müssen wir arbeiten. 
Margit Fischers Memoiren.
 
Interview: A.Stroh
 
In „Was wir weitergeben“ schreibt Margit Fischer über ihre Familie, ihre Ehe, ihr Leben. Brandstätter Verlag, 24,90 Euro.
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