Von Frau zu Frau

Elisabeth Köstinger im MADONNA-Interview

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ÖVP-Politikerin Elisabeth Köstinger im Gespräch.

Elisabeth Köstinger hat es geschafft! Die Bauerntochter aus Kärnten wurde vor wenigen Wochen ins zweithöchste Amt der Republik gewählt.  Nicht nur das, die ÖVP-Politikerin ist mit 38 Jahren die jüngste Person, die den prestigeträchtigen Job der Nationalratspräsidentin ausführt – und sie ist die erst dritte Frau, die dies tut. Als solche hat Köstinger vor, im Parlament ordentlich aufzuräumen: Sie will für eine neue Kultur im  Hohen Haus sorgen, wie sie im MADONNA-Talk verrät. Vor allem aber will sie etwas für andere Frau im Polit-Zirkus tun. Die #metoo-Debatte habe sie inspiriert, eine Anlaufstelle für Betroffene von sexueller Belästigung im Parlament zu schaffen.

Waren Sie nervös, als Sie letzten Monat das erste Mal den Vorsitz im Parlament geführt haben? Sie sind ja die jüngste Nationalratspräsidentin aller Zeiten ...
Elisabeth Köstinger:
Es war für mich ein großer und sehr ehrenvoller Tag. Natürlich war ich aufgeregt, ich habe mich aber vor allem auf die neue Aufgabe gefreut.  Ich habe sehr  viel Respekt gegenüber dem Amt und der Verantwortung.


Was sagt Ihre Familie dazu, dass Sie jetzt erste Frau im Staat sind?
Köstinger:
Sie freuen sich natürlich mit mir. Aber noch mehr würde es sie freuen, wenn sie mich öfter zu Hause sehen würden. (schmunzelt)


Sie sind die dritte Frau in diesem Amt. Was können und werden Sie von ihren Vorgängerinnen Barbara Prammer und Doris Bures (SPÖ, Anm.) für ihre Tätigkeit mitnehmen?
Köstinger:
Ich übernehme ein sehr gut geführtes und motiviertes Haus. Meine beiden Vorgängerinnen haben sehr gute Arbeit geleistet. Ich will das Parlament noch mehr öffnen und die Arbeit im Hohen Haus transparenter und zugänglicher für die Bürgerinnen und Bürger machen. Mir ist auch eine neue Kultur in der Politik ein großes Anliegen. Die Menschen sollen spüren, dass die Arbeit im Parlament eine wichtige ist und dass die Zukunft unseres Landes unser gemeinsamer Auftrag ist.


Haben es Frauen in der Politik schwerer, sich Gehör zu verschaffen?
Köstinger:
Es kommt in der Politik nicht auf das Geschlecht an, es geht um die Qualität. Ich habe im Europaparlament und in der heimischen Politik schon die Erfahrung gemacht, dass Frauen mehr Leistung bringen müssen, um positiv wahrgenommen zu werden. Es wird aber immer besser: Wir haben nun im Hohen Haus so viele Frauen wie noch nie.


Einige Ihrer Kolleginnen – u. a. Ex-Ministerin Maria Rauch-Kallat – haben im Zuge der #metoo-Debatte von sexueller Belästigung im Parlament berichtet. Haben Sie ähnliche Erfahrungen gemacht?
Köstinger
: Bei Weitem nicht in dem Ausmaß, aber ich habe natürlich auch Fälle von sexistischem Gehabe erlebt. Noch öfter aber passieren Herabwürdigungen, wo Frauen als unintelligent und unqualifiziert abgetan werden. Auch deshalb werde ich eine neue Anlaufstelle für Betroffene von sexueller Belästigung im Parlament schaffen.


Wie soll die aussehen?
Köstinger:
Es hat im Zuge der #metoo-Debatte auch im Europaparlament einige sehr schwere Vorwürfe gegeben. Da arbeiten viele Abgeordnete mit Mitarbeitern auf engstem Raum. Mir ist es sehr wichtig, diese Debatte auch ins nationale Parlament zu bringen. Ich bin gerade dabei, eine neue Anlaufstelle zu schaffen, an die sich Mitarbeiter des Parlaments und der Klubs im Fall von Belästigung oder Sonstigem anvertrauen und sich Rat und Hilfe holen können. Es gibt ja schon die Gleichbehandlungsanwaltschaft, an die sich Betroffene wenden können. Doch das ist für viele ein sehr großer Schritt. Ich möchte es erreichen, dass wir im Parlament sehr niederschwellig eine Möglichkeit schaffen, wo Mitarbeiter – ob männlich oder weiblich – eine Anlaufstelle finden, wenn sie das Gefühl haben, dass das Machtgefüge mit dem Chef oder der Chefin in einer Art und Weise auch aus dem Gleichgewicht ist. Ich möchte auch stärker sensibilisieren.


Damit sich noch mehr Betroffene trauen, offen darüber zu sprechen ...
Köstinger:
Absolut. Man sieht schon, dass zum Teil auch Schranken fallen. Man sieht auf der anderen Seite aber auch, warum viele Frauen bisher noch geschwiegen haben: Weil die öffentliche Debatte oft sogar zu einem Shitstorm gegenüber der Opfer ausartet. Das sollte nicht passieren. Wir müssen froh sein, dass da was in Bewegung kommt, das vielleicht das Leben junger Frauen einfacher macht.

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