Beate Meinl-Reisinger im Talk

"Die Wut auf das System ist groß"

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Schrei nach Wandel. Beate Meinl-Reisinger kämpft aus tiefster Überzeugung für politische Veränderung – mit starkem Fokus auf Bildungsthemen. Interview: Julia Lewandowski.

Ihr Tonfall ist freundlich, aber bestimmt; in ihrem Blick liegt ein kompe­tentes Lächeln, doch zu Scherzen ist Beate Meinl-Reisinger (37) nicht aufgelegt. Ihr Anliegen ist ernst. Die Neos sollen in den Landtag, denn die Stadt braucht dringend Veränderung.  
Umschwung. MADONNA traf die Parteivorsitzende zum Talk in der „Neosphäre“, der pinken Zentrale in 1070 Wien. Dabei wurde über notwendiges Aufbegehren, systemische Reformen und die politische Abneigung  gegenüber HC Strache gesprochen.     

Die Neos haben die Gewerkschaft der Privatangestellten geklagt. Warum dieser drastische Schritt?
Beate Meinl-Reisinger:
Ja, diese Schmutzkübel-Kampagne – und mehr ist es nicht –  ­gegen uns ist wohl eine Retourkutsche, weil wir die Freunderlwirtschaft rund um die Gewerkschaft angeprangert haben. Dagegen müssen wir uns wehren. Der Vorwurf war reine Instrumentalisierung. Es ist schon komisch, dass kurz nachdem wir den Finger auf die Wunde gelegt haben, plötzlich so eine Anschuldigung zutage kommt. Fälle wie die Causa Muchitsch und – noch schlimmer – die Causa Wurm, die schon an Korruption grenzt, sind Machenschaften, die wir nicht ­akzeptieren und die wir auf­gezeigt haben.       

Wie wollen Sie gegen solche Fälle vorgehen?
Beate Meinl-Reisinger:: Dieses abgehobene Polit-System hat nur noch ein Interesse – und zwar, sich selbst zu erhalten. Die einzigen Fragen, die bestehen, sind: Wie kann man sich einen Versorgungsjob sichern, wie kann man sich durch sein Netzwerk Vorteile rausholen. Und das ist in einer Zeit, in der Menschen Schlange stehen, um eine günstige Wohnung zu bekommen, oder wir 147.000 Arbeitslose in Wien haben, nicht zu akzeptieren. Wofür kämpft das aktuelle Polit-System denn eigentlich? Kämpft ihr dafür, dass die Menschen einen Job und  Kinder eine gute Bildung haben? Oder geht es lediglich darum, die eigenen Jobs abzusichern, sich Jahr
für Jahr eine Parteiförderung zu gönnen oder mit Werbe­geldern parteinahe Vereine zu subventionieren? Das geht nicht. Diese Stadt ist leider ein Selbstbedienungsladen für ­Politiker.   


Und wofür kämpfen Sie?
Beate Meinl-Reisinger:: Ich kämpfe gegen den Fortbestand eines solchen Systems. Es ist Zeit für einen Wechsel, und diesen können wir bringen. Das Wichtigste ist die Bildung und Ausbildung unserer Kinder. Denn das ist mittelfristig das beste Arbeitsprogramm. Daher setzen wir so stark auf dieses ­Thema. Ich sehe es als Mutter ja selbst, dass der Druck auf die Eltern groß ist. Jedes Jahr verlieren wir 20 Prozent der Schüler, die die Pflichtschule verlassen, aber nicht sinnerfassend lesen können und die Grundrechnungsarten nicht beherrschen. Was soll das für ein Zukunftskonzept sein? Die gehen direkt ins AMS.


Was wollen Sie konkret tun?

Beate Meinl-Reisinger: Hier muss das Politsystem anfangen, bei sich selbst zu sparen. Deshalb haben wir unsere Unterschriftenaktion „g’scheite Kinder statt g’stopfte Politiker“ gestartet. Wir haben 120 Millionen Euro „ausgehoben“, die keinem außer den Politikern weh tun, wenn man sie anders einsetzt. Wir wollen, dass dieses Geld für die Bildung genutzt wird, und die rund 100.000 Pflichtschüler mit 1.000 Euro pro Kopf unterstützen. Jedes Jahr.


Nur: Wie wollen die Neos ihr Programm durchsetzen, wenn sie es nicht einmal in den Landtag schaffen – siehe Steiermark und Burgenland?
Beate Meinl-Reisinger: Sie werden überrascht sein, wie stark wir in Wien sein werden.

Aber was war Ihre Conclusio nach den Wahlen?
Beate Meinl-Reisinger: Wir haben verstanden, dass wir den Finger noch viel stärker auf die Wunde legen müssen. Viele Menschen – und in Wien noch mehr als in der Steiermark – wünschen sich einen „nassen Fetzen“, um die Regierungsparteien aus den Ämtern zu ­jagen und endlich Veränderungen zu sehen. Aus dem Grund, weil die Kluft zwischen dem, was gemacht wird, und den herrschenden Problemen total auseinanderklafft. Und in Wien gibt es zwei Parteien, die Veränderung bringen wollen. Die eine ist die FPÖ – die meiner Meinung nach nicht für Veränderung steht, weil sie oft genug bewiesen hat, es in den Orten ihrer Regierungsbeteiligung ohnehin genau so zu machen. Da verweise ich auf Kärnten und den Selbstbedienungsladen Hypo. Auf der anderen Seite stehen wir, die Neos. „Habe Mut“ war schon bei der Nationalratswahl unser Slogan, und das trifft auch heuer zu. Ich bin nicht in die Politik gegangen, um im Nationalrat zu sitzen und einen bequemen Job zu haben.  Da hätte ich auch in der ÖVP bleiben können. Wir sind alle in die Politik gegangen, um etwas zu verändern. Und das werden wir in Wien auch. Aber wir wollen eine Veränderung ohne FPÖ. Ich will keinen Strache als Bürgermeister.

Apropos Strache und FPÖ. Wie kann es sein, dass von dieser Partei provokante Aussagen getätigt werden, die keine Konsequenzen haben?
Beate Meinl-Reisinger: Wie die FPÖ mit gewissen Themen und vor allem auch der Asylpolitik umgeht, halte ich für sehr gefährlich. Lösungen präsentieren sie keine, wohingegen Hass dominiert. Mit diesen Aussagen diskreditieren sie sich selbst. Denn es zeugt von wenig Verantwortungsgefühl gegenüber der Republik und von noch weniger Menschlichkeit.  

Wie ist die Stimmung in Wien?
Beate Meinl-Reisinger: Es gibt eine große Angst vor dem sozialen Abstieg. Die Wut auf das System ist groß, und wir brauchen dringend Lösungen. Die Kinder, um die wir uns jetzt nicht kümmern, sind die zukünftigen Arbeitslosen. Wir haben lange genug zugeschaut, wie eine verlorene Generation nach der anderen produziert wird.

 
Was ist Ihre Wahlprognose für den 11. Oktober?
Beate Meinl-Reisinger: Die Stadt will Veränderung. Die SPÖ ist nicht daran interessiert, die wollen, dass alles bleibt, wie es ist. Wien ist ja auch ein großes Geschäftsmodell für die SPÖ, teilweise weiß man ja nicht mehr, was Stadt und was SPÖ Wien ist. Das versuchen wir kontinuierlich aufzuzeigen. Die Grünen hatten ihre Chance, aber sie haben in diesem Bereich auch gezeigt, dass sie keine Veränderung bringen. Sie haben sich arrangiert, viele haben ihre Ideale zugunsten des Machterhalts verraten – Stichwort Wahlrechtsreform. Von der ÖVP erwarte ich mir keine Veränderung, die stellen sich nur an, um mitnaschen zu dürfen. Das haben die seit vielen Jahren perfektioniert. Wer Veränderung will, aber nicht Strache als Bürgermeister, der muss Neos wählen. Und ich glaube, das wird eine starke Zahl sein.
 

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