Ludwig Koch im Madonna-Iinterview:

'Der Film tut weh!'

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Einen Film-Stopp will Ludwig Koch für „3096 Tage“ erwirken. Tochter Natascha ist wiederum über sein Buch entrüstet. Das Interview zum Kampusch-Wahnsinn.

Eine verrauchte ­Spelunke, grölende Gäste und ein verstörtes Mädchen, das am Ärmel seines sichtlich angetrunkenen Vaters zieht, um ihn ans Heimgehen zu erinnern … Es ist eine der ersten Szenen im Kinofilm 3096 Tage, die Ludwig Koch am letzten Abend vor der Entführung seiner Tochter Natascha Kampusch darstellt – und jetzt für Aufsehen sorgt. Denn Ludwig Koch möchte gegen die Darstellung seiner Person juristisch vorgehen, wie er kürzlich via Medien ausrichten ließ. Persönlich Stellung wollte er zu dem Film über seine Tochter bis dato nicht nehmen – ebenso wenig wie zu dem Buch Missing, das noch vor seinem Erscheinen für heftige Kritik sorgte. Denn der englische ­Autor Allan Hall (er schrieb auch das Fritzl-Buch Monster) wirft darin viele Fragen im Fall Kampusch auf – unterstützt von Polizeiprotokollen, Gerichtsakten und Aussagen von Ludwig Koch. In MADONNA spricht Natascha Kampuschs Vater nun offen über seine Wut über den Film, die Suche nach der Wahrheit und die Sorge um seine Tochter.

Herr Koch, Sie waren – relativ unbemerkt – bei der Premiere von „3096 Tage“. Wie haben Sie den Film erlebt?
Ludwig Koch:
Natürlich sehr emotional – schließlich ist Natascha mein Kind. Alles, was ich in den acht Jahren, in denen sie verschwunden war, erlebt habe, ist wieder in mir hochgekommen: die Angst, die Trauer, die Verzweiflung. Dass Natascha nun auch noch das Letzte preisgegeben hat, hat mir besonders wehgetan …, weil ich auch nicht sicher bin, ob sie das wirklich so wollte.

Sie meinen die Vergewaltigungsszene?
Koch:
Ja. Es hat mich gewundert, dass Natascha diese Szene zugelassen hat, denn bis dato war dieses Thema absolut tabu für sie. Ich habe das immer akzeptiert, sie nie danach gefragt, weil ich immer dachte, wenn sie mit mir darüber sprechen möchte, wird sie es von selbst tun. Sie hat geschwiegen, weil es ihr peinlich war. Dann sitzt meine Tochter plötzlich bei Günther Jauch und spricht vor einem Millionenpublikum darüber … Ich glaube nicht, dass das ihr freier Wille war, sondern, dass ihr das alles die „uneigennützigen Gutmenschen“, die ihre Berater sein wollen, einreden. Und das finde ich schrecklich.

Wieso möchten Sie gegen den Film gerichtlich vorgehen?
Koch:
Wie sich wohl jeder ­Elternteil vorstellen kann, schmerzt und ärgert es mich, wie ich in diesem Film dargestellt werde. Ich war und bin sicher nicht frei von Fehlern, habe nicht alles richtig gemacht in meinem Leben, aber ich glaube, ich war nie ein schlechter Vater. Ich habe mit Natascha immer schöne Sachen unternommen und war in guten Lokalen mit ihr essen. Dass ich nun als Trunkenbold, der seine kleine Tochter in irgendwelche Spelunken mitgenommen hat, dargestellt werde, kann ich nicht auf mir sitzen lassen. Es ist auch polizeiaktenkundig, wo ich am letzten Tag mit Natascha war – und dass ich nach ihrer Flucht noch vor ihrer Mutter auf der Polizeistation war und sie mir in die Arme gefallen ist. Im Film wird nur gezeigt, dass Natascha ihre Mutter umarmt und ich daneben stehe wie ein Depp. Dabei war ich der Einzige, der nach acht Jahren immer noch daran geglaubt hat, dass Natascha lebt – ich habe all meine Kraft, Zeit und Geld in die Suche nach ihr investiert. Der Anwalt prüft derzeit, welche rechtlichen Schritte wir unternehmen können.

Tatsache ist, dass Ihre Tochter den Film so goutiert hat. Wieso hat sie Sie Ihrer Meinung nach nicht in Schutz genommen?
Koch:
Ich kann es mir nur so erklären, dass Nataschas Berater alles tun, um die Story so aufrechtzuerhalten. Dass ich als Vater immer wieder Fragen aufwerfe, ist diesen Menschen nicht recht. Ich hatte bei der Filmpremiere auch das Gefühl, dass man mich absichtlich von Natascha fernhalten will. Dabei will ich doch nur das Beste für mein Kind.

Es erscheint aber demnächst ein Buch, in dem Sie angeblich Aussagen tätigen, die Ihre Tochter erschüttert haben …
Koch:
Weil sie das Buch noch nicht kennt. Der englische Autor Allan Hall hat das Buch geschrieben und sämtliche Akten, die immer noch unzählige Fragen in dem Fall aufwerfen, zitiert. Auch ich nehme darin Stellung – aber ich habe nie behauptet, dass Natascha nicht in Priklopils Keller war. Es wird ein Polizeiprotokoll zitiert, in dem steht, dass der Keller offensichtlich zuletzt nicht mehr benützt wurde. Was auch immer das bedeutet, ich würde niemals sagen, dass meine Tochter kein Opfer war.

Wusste Natascha, dass Sie ein Buch herausbringen?
Koch:
Leider hat sie es aus den Medien erfahren, bevor ich es ihr sagen konnte. Ich habe immer wieder versucht, mit ihr darüber zu reden, aber ich habe sie nicht erreicht.

Sie sagen, Sie möchten die Wahrheit ans Licht bringen, was ja impliziert, dass Ihre Tochter nicht die Wahrheit sagt. Wieso sollte sie lügen?
Koch:
Ich sage nicht, dass Natascha lügt! Aber es sind noch so viele Fragen offen, dass ich nicht sicher bin, ob meine Tochter nicht vielleicht noch vor jemandem Angst haben muss, der in die Sache involviert war …

Sie glauben also immer noch nicht, dass Priklopil ein Einzeltäter war?
Koch:
Wer das Buch von Allan Hall mit all seinen Fakten und unzähligen Ungereimtheiten liest, wird verstehen, warum.

Wann haben Sie Ihre Tochter das letzte Mal gesehen?
Koch:
Zwei Tage vor Weihnachten haben wir uns getroffen. Es war alles harmonisch. Danach haben wir auch noch öfter telefoniert. Aber dann haben ihr die „uneigennützigen“ Berater scheinbar wieder vom Kontakt zu mir abgeraten.

Was würden Sie Natascha sagen, wenn sie jetzt hier säße?
Koch:
Dass ich sie liebe und immer für sie da sein werde. Und dass ich ihr von Herzen wünsche, dass sie eines Tages ein normales Leben führen kann. Aber solange sie von den falschen Leuten umgeben ist, sehe ich schwarz. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.

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