Die Aufreger-Frau

Claudia Reiterer im MADONNA-Talk

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Ab jetzt steht sie „Im Zentrum“. Claudia Reiterer ist die neue Moderatorin des  Polit-Formats. In MADONNA erzählt sie, warum sie die Aufregung um sich nicht versteht.

Das neue Jahr hätte für Claudia Reiterer (48) nicht besser beginnen können. Vergangene Woche startete sie nämlich als neue Moderatorin von „Im Zentrum“, Österreichs wohl wichtigster Polit-Talk-Sendung, durch, und löste damit Ingrid Thurnher ab.
Doch der Wechsel bringt auch viel Kritik, denn Reiterer ist seit vielen Jahren mit Lothar Lockl, früherer Grüner Kommunikationschef und zuletzt Wahlkampfleiter von Alexander Van der Bellen, liiert. Hat sie das im ORF berufliche Chancen gekostet? Sie selbst beharrt seit eh und je darauf: Berufliches sei von Privatem zu trennen, sie könne das fraglos und es gebe daher keinerlei Unvereinbarkeit.


Ehrlich. Und wie Claudia Reiterer im MADONNA-Talk erklärt, ist diese Entwicklung für sie nicht nur mit großer Freude verbunden, sondern auch ein folgerichtiger Schritt in ihrer Lebensgeschichte. Lesen Sie hier, wie die 48-jährige Journalistin, die in einer Pflegefamilie aufwuchs und ihre Karriere als Krankenschwester begann, das Steuer ihres Lebens selbst in die Hand nahm und sich nach und nach ihre Träume verwirklichte, woher ihr Interesse für den politischen Diskurs rührt und warum sie immer noch von ihrem Sieg bei „Dancing Stars“ profitiert.   


Seit 2017 moderieren Sie „Im Zentrum“, eine der wichtigsten Polit-Sendungen im ORF. Woher rührt Ihre Faszination für Politik?   
Claudia Reiterer:
Weil Politik das Leben ist. Nicht nur mein Leben, sondern das Leben. Egal was man macht, ob man einkaufen geht, im Krankenhaus ist oder zu einer Behörde geht und einen Reisepass beantragen möchte – letztlich ist alles darauf zurückzuführen, was die Politik irgendwann einmal entschieden hat. Und ich habe als Kind immer schon diskutiert und mich verteidigt,  wenn es geheißen hat, dass man so wie seine Eltern wird – ich habe meine Eltern ja nie kennengelernt. Ich habe nie verstanden, was es heißen soll, ob ein Kind je nach Herkunft keine Chance hat oder keine höher bildende Schule besuchen kann – gegen solche Aussagen habe ich immer andiskutiert. Insofern schließt sich mit „Im Zentrum“ für mich der Kreis.


Würden Sie also jemandem gegenüberstehen, der behauptet politikverdrossen zu sein, auch losdiskutieren?
Reiterer:
Ich würde eher Fragen stellen. Das tue ich am liebsten. Ich habe schon im Krankenhaus gelernt, in schwierigen Situationen Fragen zu stellen. Wenn zum Beispiel jemand gefragt hat, ob es mit der Operation gut gehen wird, dann habe ich dem zum Beispiel „Warum glauben Sie, dass es nicht gutgeht?“ entgegengestellt. Dann ist oft herausgekommen, dass irgendwas nicht erledigt ist, zum Beispiel ein Testament nicht geschrieben war. Mir geht es darum, Erkenntnisse zu gewinnen, die mir neu sind. Ich war schon immer sehr neugierig, warum Menschen so denken, wie sie denken. Ich muss nicht ihrer Meinung sein, aber ich will sie verstehen.  

2014 war Lügenpresse das Unwort des Jahres. Und auch sonst mussten sich Journalisten in den letzten Jahren vielerlei Kritik stellen. Wie kann man Ihrer Meinung nach den Glauben in den Journalismus wiederherstellen?
Reiterer:
Ich glaube sehr wohl, dass der Glaube in den Journalismus da ist. Außerdem bin ich eine, die sowieso immer das halbvolle Glas sieht und nicht das halbleere. Journalismus ist jedenfalls der Versuch, der Wahrheit so nahe wie möglich zu kommen, es geht darum, die Wirklichkeit zu beschreiben. Und die Journalisten reden sich ständig selbst schlecht – reden wir unseren Job doch einfach mal gut, er ist schwierig genug.


Politik ist bei Ihnen zu Hause wahrscheinlich auch ein großes Thema …
Reiterer:
Nein (lachend). Ich krieg immer nur die Frage: „Hast du mein weißes Hemd gesehen?“ oder der Sohnemann, der irgendetwas von seinen Schulsachen sucht. Mit Mann, Kind, Hund und Haus ist genug zu tun, da kommt man nicht zu allzu viel Politischem.   

 
Inwiefern waren Sie froh, als der Wahlkampf zu Ende war?
Reiterer:
So froh wie alle anderen in Österreich (lacht).

Aber als Wahlkampfleiter von Alexander Van der Bellen war Ihr Mann 2016 bestimmt beruflich besonders stark eingespannt?
Reiterer:
Ja, aber er hat mich auch unterstützt, als ich weniger zu Hause war. Es ist ein Geben und Nehmen, wie in jeder Beziehung. Aber klar, es war ein herausforderndes Jahr.


Sie sind im Februar schon 17 Jahre miteinander verheiratet. Was hält Ihre Beziehung am Florieren?  
Reiterer:
Liebe, Respekt, Wertschätzung und Freiheit. Wenn man sich liebt, passt es, auch wenn die Zeiten mal schwieriger sind.

Inwiefern versteht Ihr Sohn Julian das Konzept der Pflegefamilie, dem Sie entstammen?
Reiterer:
Gut, mir war es immer wichtig, offen damit umzugehen. Familie bedeutet für mich die Abwesenheit von Lüge. Und mir ist schon als Kind aufgefallen, dass dies etwas ist, worauf ich meine eigene Familie nicht gründen will.


Ist diese Vergangenheit stets präsent für Sie?
Reiterer:
Immer. Es ist auch mein Lebensgeheimnis, dass ich mich nie als Opfer gesehen habe. Ich habe mich nie in eine Ecke drängen lassen. Und ich weiß auch, dass jeder seinen Rucksack zu tragen hat. Das Leben als Pflegekind ist eben meiner. Es gibt aber so viel mehr Menschen, die noch viel größere Rucksäcke zu tragen haben, doch das ist schließlich das, was uns ausmacht. Und ich bin mir sicher, dass ich diese unterschiedlichen Lebensrealitäten und Perspektiven zum Beispiel in so einer Diskussionssendung sehr gut einbringen kann.  


2009 haben Sie „Dancing Stars“ gewonnen. Profitieren Sie noch von den dabei erlernten Fähigkeiten?
Reiterer:
Absolut! Ich habe auch überlegt, welcher Tanz am besten zur Politik passt und ich meine, es ist der Tango. Denn da muss man schnell die Richtung ändern können, meist streng schauen und wenn man hinfällt, muss man auch flott wieder aufstehen. Ich finde, Tanzen ist eine der schönsten Sportarten, die es gibt. Da mein Mann aber nicht tanzen kann, habe ich wohl in erster Linie mitgemacht, damit ich zumindest in der Sendung dazu komme (lacht).
 

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