Ihre Meinung zu #metoo

Ursula Strauss im MADONNA-Talk

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Schauspielerin Ursula Strauss öffnet für ein neues Buch ihr privates Familienalbum. Welche Kapitel für sie besonders schwierig zu reflektieren waren und warum sie sich nicht „hashtaggen“ lassen will, erklärt die 44-Jährige im Talk. 

B ei uns daheim gibt’s die Fotoschachteln, da sind sie drinnen, alte, neue, große, kleine Bilder, farbige, schwarz-weiße, ausdrucksstarke, blasse, vergilbte.“ Wer kennt sie nicht, die verstaubten Hüter der eigenen Jugend, Schachteln voll mit ungefilterter Geschichte und Familienhistorie. Für ihr neues Buch „Warum ich nicht mehr fliegen kann und wie ich gegen Zwerge kämpfte“ (im Amalthea Verlag und erhältlich um 25 Euro) öffnete Schauspielerin Ursula „Uschi“ Strauss ihre nostalgischen Speicher, um über die vergangenen Zeiten zu sinnieren.  „Ich lasse die Erinnerung an Ereignisse, Stimmungen, Gefühle, Gedanken zu, manche Fotos sprechen für sich selbst, zu anderen habe ich viel zu sagen“, schreibt die 44-Jährige im Vorwort.      

Retrospektive. Strauss ist es wichtig zu betonen, dass das Buch „keine Biografie“ sei, eher eine „Sammlung von Bildern und Geschichten“. In Melk geboren, wuchs sie in Pöchlarn als Tochter des Bürgermeisters auf, haderte damals schon mit dem „prominenten“ Leben. Der früh ausgebildete Traum von der Schauspielerei pausierte kurz, als sie mit Diplom die Kindergartenschule abschloss. Doch schon bald fand sie das Selbstbewusstsein, sich doch dem scheinbar Unerreichbaren zu widmen und startete 1999 ihre höchst erfolgreiche Filmkarriere. 2008 wurde der Film „Revanche“ mit ihr in der Hauptrolle für den Auslands-Oscar nominiert, seit 2009 begeistert sie als Protagonistin der ORF-Krimiserie „Schnell ermittelt“.   
 
Auf einen Kaffee mit … MADONNA traf die  sympathische Wachauerin zum Talk über digitale Fesseln, das #metoo-Paradoxon und ihr großes Vorbild Mama.   

Sie galten bislang als öffentlichkeitsscheu, was Ihr Privatleben betrifft. Wie kommt es nun dazu, dass Sie ein Foto­album mit persönlichen Geschichten herausbringen?
Ursula Strauss: Meine Co-Autorin Doris Priesching hat mich gefragt, ob ich mit ihr ein Buch machen und meine Assoziationen zu den jeweiligen Fotos niederschreiben möchte. Anfangs war ich tatsächlich ein bisschen skeptisch, aber sie hat mich dann doch überzeugt. Wir haben über anderthalb Jahre Gespräche geführt, und daraus ist tatsächlich dieses Buch entstanden. Mein Privatleben halte ich ja sehr aus der Öffentlichkeit, in der ich stehe, heraus, und deshalb bespreche ich in dem Buch zumeist nur die Dinge, die mich betreffen, wie es mir mit dem Aufwachsen ging, und die Erinnerungen, die ich an damals habe. Dabei habe ich natürlich versucht, mit einer großen Offenheit an die Sache heranzugehen. Diese Offenheit muss ich ja nur vor mir vertreten. In meinem Privatleben gibt es nun natürlich Gott sei Dank nicht nur mich, sondern viele Freunde und eine große Familie. Die bleiben trotz dieses ­Buches natürlich privat.   

Seit einem Jahr haben Sie auch einen ­Instagram-Account … 
Strauss: Ja, ich bin gefallen (lacht).
 
Eine berufliche Notwendigkeit?     
Strauss: Ich habe Social Media lange verweigert. Das ist nun der Kompromiss mit meinem wunderbaren, aber sehr strengen PR-Berater (schmunzelt). Der meinte, ich müsse irgendwas machen und Instagram könnte vielleicht das passende Medium für mich sein. Er hatte recht. Es macht mir tatsächlich Spaß, aber ich werde mich davon auch nicht versklaven lassen. 
 
Worin unterscheidet sich nun ein so öffentliches Fotoalbum vom damaligen, das für die meisten einfach nur aus einem Karton voller Fotos besteht?
Strauss: Die Fotos von früher sind richtige Schnappschüsse. Sie bilden, im Gegensatz zu Instagram, tatsächlich Realitäten ab. Ich manipuliere meine Fotos jetzt nicht extrem bei Instagram, aber es macht mir schon Spaß, Filter auszuprobieren oder kleine Collagen zu basteln. Und völlig misslungene Fotos schaffen es natürlich nicht in meinen Feed. Das Lustvolle daran ist ja, dass jeder sein kleiner Bildregisseur sein kann. Und früher war ein Foto eben ein Foto. Wenn man gerade nicht so optimal belichtet war, dann war es eben so. 

Finden wir in dem Buch also auch „schirche“ Fotos von Ihnen? 
Strauss: Als das Buch entstanden ist, waren die meisten Bilder in irgendeiner Kiste versteckt, da wir gerade umgebaut haben. Dementsprechend hatte ich nicht die gesamte Auswahl parat. Ich hatte ein bestimmtes Foto im Kopf, das ich dann einfach nicht gefunden habe, und ich find’s tatsächlich ein bisschen schade, dass kein Foto im Buch ist, das dieses Pubertätsdicksein-Problem beschreibt und deutlich macht. 

Gab es das eine oder andere Kapitel, das besonders schwer zu schreiben war?  
Strauss: Ich habe im Arbeitsprozess gemerkt, dass der Fluss der Geschichten nach zwei Stunden vorbei war. Da war die Konzentration irgendwie nicht mehr ganz so da. Zwei Stunden am Stück reden und in Erinnerungen kramen ist nämlich nicht unanstrengend. Rückblickend war es am schwierigsten die Kapitel zu formulieren, in denen es auch um andere Menschen geht. Meine Mutter oder meine Brüder zum Beispiel. Ich hab immer versucht, meine Wahrheit zu erzählen und gleichzeitig dabei nicht ihre Grenzen zu überschreiten. Natürlich habe ich ihnen die Texte zur Freigabe geschickt und nachdem es für sie so gepasst hat, sind sie auch so in Druck gegangen.  
 
Im Buch findet sich auch ein Kapitel zur #metoo-Debatte. Inwiefern haben Sie das Gefühl, dass diese Bewegung, deren Entstehung sich Mitte Oktober jährt, in dieser Zeit etwas voranbringen konnte?
Strauss: Das ist eine heikle Angelegenheit. Jedes Mal, wenn es um Frauen geht, habe ich das Gefühl, es geht um eine Minderheit. Das macht mich nicht glücklich. Die weltweit am häufigsten auftretende Form von Gewalt gegen Frauen ist physische, psychische oder sexuelle Gewalt durch einen vertrauten Partner oder Familienangehörigen. Umso unverständlicher die Tatsache, dass nicht nur Männer, sondern auch Frauen ganz schnell genervt sind, wenn es um Frauenrechte und -themen geht. Da wird es ganz schnell unangenehm. Und das in einer Zeit, in der sich vieles eher rückentwickelt, was die Rechte der Frauen betrifft. Viele jüngere Frauen nehmen ihre Rechte für selbstverständlich, weil sie damit geboren wurden. Das ist ja auch gut so, aber da man noch immer nicht von einer Gleichberechtigung auf Augenhöhe reden kann, sollte man sich darauf auch nicht ausruhen. Die Zeit des Kampfes um diese unsere Rechte ist noch nicht lang her. Seit hundert Jahren erst dürfen wir wählen, da war von einem eigenen Konto aber noch nicht die Rede. Man redet von einer Gleichberechtigung, die noch gar nicht richtig auf ihren eigenen Beinen steht. Das ist noch eine ziemlich wackelige Angelegenheit und noch viel, das es zu klären und zu erkämpfen gibt.
 
Aber denken Sie nicht, dass die Debatte zumindest ein Stück weit mehr Bewusstsein schaffen konnte?   
Strauss: Doch, das denk ich schon. Ich frage mich nur, wie es weitergehen wird, immerhin sind bereits nach kürzester Zeit alle so genervt von dem Thema, dass man es gar nicht mehr ansprechen kann. Geht’s noch? Wie gesagt, habe ich das Gefühl, dass es um eine Minderheit geht. Dabei sind Frauen, außer in China, wo Babys mit weiblichem Geschlecht jahrelang abgetrieben wurden, weltweit mehr als die Hälfte. In der #metoo-Debatte ist auch viel vermischt worden. Wir sind am Anfang eines Dialoges und müssen lernen, was er bedeutet, was in welche Kategorie fällt. Auch dass Männer glauben, sie können nicht mehr flirten. Darum geht’s doch gar nicht. Es ist ganz eindeutig eine Kombination von Machtmissbrauch und Gewalt. Das ist nicht so schwer. Dass die Diskussion begonnen hat, ist gut. Man muss nun konsequent, geduldig und mit offenen Augen und Mut im Herzen diesen Weg weitergehen. Wir Frauen müssen lernen, uns zu solidarisieren und miteinander stark zu sein. Nicht aufzuhören, laut zu sein, nur weil wir jetzt selbstständig entscheiden können, arbeiten zu gehen.
 
Ist es für Sie dann verständlich, dass es Menschen gibt, die sich mit #notme aus der Debatte rausnehmen? 
Strauss: Nein. Ob nun einer Frau oder einem Mann Leid zugefügt wird, in jedem Fall ist es Unrecht. Unrecht ist doch geschlechterunabhängig, zumindest in meinem Rechtsverständnis. Ich habe das Gefühl, dass manche damit gefällig sein wollen. Und zeigen möchten – hey, ich bin cool, nicht anstrengend. Mir ist das ein bisschen zu oberflächlich. Und mich nervt diese Hashtag-Kultur ganz generell. Ich sage, don’t hashtag. Don’t hashtag me. Das ist wie eine Brandmarkung. Solidarität unter Frauen ist ganz wichtig. Man erinnere sich : Vor 200 Jahren sind wir noch als­ ­Hexen verbrannt worden. 
 
Wer war die prägendste Frau in Ihrem persönlichen Umfeld? 
Strauss: Na ja, die Mama. Je älter ich werde, desto neuer und näher lerne ich sie aktuell selbst kennen. Aber womit sie mich stets beeindruckt, ist ihre unglaubliche Lebensfreude. Sie ist sehr neugierig, hört nicht auf nachzufragen. Es gibt Leute, die im Zuge schwindender körperlicher Kraft das Interesse verlieren. Sie nicht. Meine Mutter geht mit einer irrsinnigen Offenheit damit um, dass das Älterwerden schwierig ist. Und außerdem hat sie eine sehr warme Seele. 
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