Start für Aufholjagd

Pamela Rendi-Wagner im MADONNA-Talk

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Noch ist sie der ÖVP von Sebastian Kurz alles andere als auf den Fersen. Doch Pamela Rendi-Wagner hat ihre Aufholjagd gestartet und will die SPÖ ganz nach vorne bringen. Das große oe24.TV-Interview.

Alles ist möglich im Leben – in der Politik sowieso“ – Pamela Rendi-Wagner denkt gar nicht daran, sich von 15 Prozentpunkten Unterschied zu Sebastian Kurz entmutigen zu lassen. Schließlich wolle sie eine Wahl gewinnen und keine Umfragen, erklärt die gut gelaunte SPÖ-Chefin im oe24.TV-Talk. Der Wahlkampf? Auf den freue sie sich. Schließlich gilt der persönliche Kontakt zu den Wählern doch als große Stärke der sympathischen Medizinerin, die die Sozialdemokratie erst letztes Jahr von Vorgänger Christian Kern übernahm.

Auf Tour. Derzeit tourt die rote Frontfrau durchs Land – im Zug, am Rad, auf Festen, bei Betrieben und auf Märkten. Dabei setzt sie auf persönlichen Dialog. Im Interview mit Wolfgang Fellner verrät sie außerdem, mit welchen Ansagen das Wunder, die SPÖ noch auf Platz 1 zu bringen und sie zur ersten gewählten Bundeskanzlerin zu machen, noch gelingen soll.


Sie sind die Frau, die die große Aufholjagd auf Sebastian Kurz beginnen muss. In der aktuellen Umfrage liegt die SPÖ aber auf 22 Prozent, weit hinter der ÖVP. Tut das weh oder ist Ihnen das völlig wurscht?
Pamela Rendi-Wagner:
Na völlig wurscht ist mir das nicht, ganz klar. Jeder, der so etwas sagt, lügt. Denn hinter Politikern stecken Menschen und ich bin Mensch, so wie ich hier sitze. Aber mich wirft das nicht aus der Bahn, ich nehme das als sportliche Herausforderung. Ich will die Wahl am 29. September gewinnen, weil es mir wichtig ist, gute Politik für Österreich zu machen. Umfragen zu gewinnen, ist mir hingegen nicht so wichtig.  

Halten Sie es überhaupt für möglich, dieses Wunder zu schaffen und 15 % aufzuholen?
Rendi-Wagner:
Alles ist möglich im Leben– und in der Politik sowieso. Die Wochen seit dem 17. Mai, dem Auftauchen des Ibiza-Videos, haben das deutlich gezeigt. Und jetzt haben wir noch neun Wochen vor uns, da kann so viel passieren.


Sie starten also jetzt die Aufholjagd ...
Rendi-Wagner:
Die Aufholjagd beginnt. Mein Ziel ist eine andere Politik für Österreich nach dem 29. September. Eine Politik, mit der es mehr Gerechtigkeit gibt, Kinder mehr Chancen und Pflegebedürftige mehr Sicherheit haben. Um das sicherstellen zu können, kämpfe ich jetzt dafür, Nummer 1 zu werden. Ab jetzt gilt es, zu rennen.


Warum hat die SPÖ aber nicht gleich vom Ibiza-Video profitiert? Wie ist das möglich, war der Misstrauensantrag schuld?
Rendi-Wagner:
Das war sicher in der Bevölkerung zu dem damaligen Zeitpunkt nicht populär. Deswegen habe ich nicht den Applaus bekommen und deswegen sind auch die Umfragen nicht in die Höhe geschossen, sondern nach unten. Ich sage aber, es war die richtige Entscheidung. Weil wir heute eine Übergangsregierung haben, die gut arbeitet und Dialog an den Tag legt. Die Atmosphäre im Parlament in diesen letzten Wochen war 100 zu 1 im Vergleich zu den letzten zwei Jahren, wo eine Politik des Drüberfahrens geherrscht hat.

Im Parlament wurden vor dem Sommer mit wechselnden Mehrheiten noch eine ganze Reihe an Dingen beschlossen, teilweise auf Ihre Initiative. Was war da am wichtigsten?
Rendi-Wagner:
Ich kämpfe seit Langem als Ärztin und frühere Gesundheitsministerin für die rauchfreie Gastronomie. 2015 hat meine Vorgängerin Sabine Oberhauser das erkämpft und Türkis-Blau hat das Gesetz wieder gekippt. Auch ihr zu Ehren habe ich mich dafür eingesetzt, dass der Nichtraucherschutz wieder so kommt. Aber wir haben in diesen paar Tagen vor dem Sommer im Parlament in vielen Bereichen ganz wichtige Dinge erreicht, von denen wir vor ein paar Monaten nur träumen konnten.  


Aber jetzt klagen die Gastronomen, ihre Existenz sei bedroht ...
Rendi-Wagner:
Es geht hier um den Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Passivrauch. Denn wir wissen – und ich habe mich sehr lange damit beschäftigt –, dass das die wirksamste gesundheitspolitische Maßnahme ist. Soll heißen, ich kann die meisten Menschenleben damit retten. Derzeit haben wir 14.000 Rauchertote. Die Hälfte dieser Toten – das sagen Studien aus Ländern, wo ein Rauchverbot bereits umgesetzt ist – können wir vermeiden. Das sind 7.000 Menschenleben. Meine Schwiegermutter war 40 Jahre lang Raucherin und ist vor drei Jahren an Lungenkrebs ­gestorben. Ich weiß, wovon ich spreche.


Einige Gesetze haben Sie gemeinsam mit der FPÖ beschlossen. Man könnte fast glauben, Sie haben neue „best friends“ gefunden.
Rendi-Wagner:
Nein. Wissen Sie, wenn ich einen Antrag einbringe, zum Beispiel für die Sicherung der Gesundheit beim ­beschlossenen Glyphosat-Verbot, dann ist mir völlig egal, welche Partei mit mir mitstimmt. Solange wir das umsetzen können, weil es einfach die richtige Maßnahme ist. Das ist nichts Schlechtes und nichts Gutes – das ist Parlamentarismus.


Aber man kann davon ausgehen, dass die FPÖ für Sie nicht mehr so böse ist wie früher?
Rendi-Wagner:
Ich habe eine ganz klare Meinung, was die Nichtabgrenzung der FPÖ von rechtsextremen Gruppen, den Identitären, betrifft. Das ist für mich inakzeptabel und deswegen sage ich: Mit dieser FPÖ kann ich mir eine Zusammenarbeit nach dem 29. September nicht vorstellen.


Dabei könnten Sie mit der FPÖ sicher viele Ihrer Wünsche etwa im Sozialbereich umsetzen.
Rendi-Wagner:
Das war gut für die letzten Parlamentssitzungen, wo die ÖVP nicht mitgegangen ist. Aber für eine Koalition reicht das nicht. Das ist ja wie eine Ehe, da macht man sich ein Arbeitsübereinkommen aus und muss fünf Jahre lang gemeinsam die Regierungsbank drücken. Da braucht es mehr Überschneidungen.

Ihre 14-jährige Tochter geht bei den „FridaysForFuture“-Protesten mit. Was plant denn die Mutter Pamela Rendi-Wagner, damit ihre Tochter in einer Welt mit ­besserem Klima leben kann?
Rendi-Wagner:
Sie geht tatsächlich mit und das ist natürlich auch ein Thema zu Hause. Ich kann mich erinnern, als ich ein Teenie war: Damals kam Mülltrennung auf und ich habe dieses Thema nach Hause gebracht. Meine Mutter hat durch mich gelernt, was umweltschonendes Verhalten bedeutet. Und genauso bringt meine Tochter jetzt auch ein Stück weit Klima- und Umweltbewusstsein nach Hause – und fragt, was wir eigentlich tun. Als Sozialdemokratie haben wir Schwerpunkte im Bereich Gesundheit, Pension, Arbeit, aber wir dürfen die riesen Herausforderungen in Sachen Klimakrise nicht übersehen.


Und was ist Ihre Wahlansage beim Klima?
Rendi-Wagner:
Ich sage: Fördern wir die sauberste Form der Mobilität – den öffentlichen Verkehr! Damit die klimafreundlichen Öffis für noch mehr Menschen eine echte Alternative zum Auto werden, muss Öffi-Fahren günstiger, schneller und einfacher werden. Ich will ein Klima-Ticket, in dem man in jedem Bundesland um 1 Euro pro Tag mit Öffis zu fahren, in ganz Österreich um 3 Euro am Tag. Dazu braucht es aber auch Investitionen in die Öffi-Infrastruktur. Denn ohne gut ausgebaute Öffis in der Region hilft auch das günstigste Öffi-Ticket nichts. Das fördert klimafreundlichen Verkehr und schafft Arbeitsplätze.


Beim Wohnen wollen Sie die Mehrwertsteuer für Mieten streichen. Ist das auch Ihr Wahlprogramm?
Rendi-Wagner:
Wenn ich mir die Zahlen der letzten 20 Jahre ansehe, dann sind die Mieten um das Doppelte gestiegen, und das ist inakzeptabel. Es gibt zwei Möglichkeiten: Wir können das über einen Wohnbonus in Höhe von 500 Euro pro Jahr machen. Aber vor allem wünsche ich mir die Mehrwertsteuer weg, das wären 10 Prozent weniger auf die Mieten pro Jahr. Das ist eine große Ersparnis für alle Mieterinnen. Den Bonus kann man sofort umsetzen, die Steuer muss man verhandeln.
 

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