Vea Kaiser & Valerie Fritsch im Talk

Literarische Fräuleinwunder

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Shootingstars. MADONNA traf die Hoffnungsträgerinnen der heimischen Literaturszene – Vea Kaiser (26) und Valerie Fritsch (25) – zum Talk-Gipfel.

D as V steht in Form einer relativ plumpen Handgestik für „Victory“. V kann aber auch für Vea sowie für Valerie stehen. Und relativ plump ist somit auch schon die Brücke zu dem faszinierenden Triumphzug der beiden Youngsters der österreichischen Lizeratur­szene geschlagen. Einerseits Valerie Fritsch: die weltbereisende Grazerin, deren bild­hafte Sprache nicht erst seit dem Roman Winters Garten begeistert. Andererseits Vea Kaiser – die Niederösterreicherin, deren literarische Vorbilder in der griechischen Epik beheimatet sind und die sich auch zu gesellschaftspolitischen Themen kein Blatt vor den Mund nimmt. Ihr Erstlingswerk Blasmusikpop (über 125.000 verkaufte Bücher!) war eines der höchstgelobten Debüts 2012.
Interview. MADONNA führte die beiden Shootingstars erstmals zusammen. Tischthema waren Kritiker, persönliche Sehnsüchte und berufsbedingter Sexismus.   

 

Literatur
© Fürtbauer


Foto: Fürtbauer

Wie sieht der Alltag von Ihnen beiden aus?   
Valerie Fritsch:
Ich habe gerade mein Porträt für den Ingeborg-Bachmann-Preis gedreht.  Ich mag das nicht, wenn Autoren dastehen und dann über Dinge wie Leben und Tod fabulieren. Deshalb habe ich das einfach selbst in die Hand genommen und versucht, ein paar Bilder aus meinem Kopf  zu verfilmen. Für dieses Porträt habe ich im wörtlichen Sinne sogar gebrannt.  
Vea Kaiser: So etwas wie Alltag hatte ich schon lange nicht. Ich befinde mich seit 11. Mai auf Lesereise und habe bis Dezember noch 80 Stationen zu absolvieren. Das bedeutet mal hier sein, mal dort sein. Aber es ist andererseits schön, ein bisschen Abwechslung zu haben. Ich schreibe auch nebenbei an meinem dritten Buch.
Fritsch: Bei mir war und ist es konstant stressig, aber ich kann dem viel abgewinnen.  

 


Valerie, Sie leiden unter Endometriose (Anm. der Red.: eine chronische, komplexe Gebärmutter-Krankheit). Inwiefern beeinflusst das Ihr Leben?
Fritsch:
Man ist an ein paar Tagen im Monat unfassbaren Schmerzen ausgesetzt. Die Krankheit ist operabel, aber da die Gefahr auf Unfruchtbarkeit besteht, will man das als Frau nicht riskieren. Man hat viele Notarztbegegnungen, was auf Reisen schwierig ist.
Kaiser: Das stelle ich mir furchtbar vor.
Fritsch: Deshalb habe ich auch ein Notfallpackerl mit allem Nötigen und gelernt, mir selbst Infusionen zu legen, Weil es wirklich Situationen gegeben hat, in denen ich ohne dem verloren gewesen wäre.  

Sie sind angeblich pro Jahr mindestens ein halbes auf Reisen.  
Fritsch:
Ja, ich bin fernweh-verliebt. Und nicht unbedingt nur, um Inspiration zu finden, sondern einfach nur, um die Welt zu sehen. Zuletzt war ich in Myanmar.

Muss man als Frau, die alleine auf Reisen geht, Angst haben? Oder reist man einfach mit Neugier und Zuversicht?  
Fritsch:
Auch wenn ich sehr viel in Dritte-Welt-Ländern unterwegs war, ist mir noch nie etwas Sexistisches passiert. Nur weil man eine allein reisende, weiße, blonde Frau ist. Wenn ich unterwegs bin, trage ich ein Kopftuch und funktionale, nicht aufreizende Kleidung. Etwas Negatives ist mir in der Hinsicht noch nicht geschehen.
Kaiser: Ich denke, dass das viel mit Vorurteilen zu tun hat. Etwas Negatives kann dir auch in Wien passieren. Das Wichtigste ist, sich zu überlegen, wie man an das Reisen herangeht. Es gibt Menschen, die erwarten, dass alles genauso wie zuhause ist. Denen fehlt eine gewisse kulturelle Sensibilität.

Stichwort Sexismus: haben  Sie als junge Frauen in der Literaturszene irgendwelche Negativerlebnisse machen müssen?
Kaiser:
Ständig. Wie oft hast du die Frage schon bekommen: Frau Fritsch, Sie sind eine ­junge, hübsche Frau, und nun haben Sie auch ein Buch geschrieben …
Fritsch: Erstaunlich selten.
Kaiser: Ich kriege das sehr oft. Würde man diese Frage auch stellen, wenn ich ein Mann wäre? Ich denke nicht.   Ich erinnere mich auch daran, als ein Fotograf beim Shooting zu mir gesagt hat, dass ich bitte intellektuell und zerbrechlich dreinschauen solle.
Fritsch: Es gibt eben ein ziemlich verstaubtes Klischee vom Schriftsteller. 

Demnächst gehen Sie bei dem für Schriftsteller sehr renommierten  Ingeborg-Bachmann-Preis ins Rennen. Mit welchem Gefühl?
Fritsch:
Heiterer Gelassenheit.
Kaiser: Hast du dich dafür selbst beworben?
Fritsch: Ich wurde gefragt.
Kaiser: Versteh mich nicht falsch, aber ich bin überhaupt kein Fan dieser Veranstaltung. Ich wurde vor drei Jahren ­gefragt, ob ich da mitmachen möchte, habe aber dankend ­abgelehnt.  Ich sehe keinen ­Unterschied zwischen Bachmann-Preis und GNTM.  Denn da nehmen junge, hoffnungsvolle Menschen mit großem Talent teil, die etwas haben, das der Rest der Welt nicht hat. Die werden aus einer großen Masse an Menschen ausgewählt und müssen vor einer großen Jury überzeugen.   
Fritsch: Aber sie müssen ja nicht. Sie bewerben sich schließlich. Und für viele Leute ist das ja auch nichts, denn in Wahrheit ist es nur eine große Sauschlacht, wenn die Texte dann im Live-TV auseinandergenommen werden (lachend).  

Wie geht ihr generell mit Kritik um? Lest ihr die?
Fritsch:
Nicht jede, nein. Meine Oma liest sie aber alle.
Kaiser: Ich lese keine einzige. Mich interessiert weitaus mehr, was meine Leser sagen.

„Winters Garten“ ist erschienen im Suhrkamp Verlag und erhältlich um 17,50 Euro. 

„Makarionissi oder Die Insel der Seligen“, erschienen im Verlag Kiepenheuer & Witsch, erhältlich um 20,60 Euro.

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