12 Stunden Debatte

Gewerkschaftsvorsitzende Teiber im Talk

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Sie kam in harten Zeiten ins Amt: Barbara Teiber (40) ist seit Kurzem die jüngste Vorsitzende der GPA, gewählt mit mehr als 90 Prozent. Das Interview über ihren Kampf gegen den 12-Stunden-Arbeitstag.

Trotz Ferienbeginn war es die größte Demonstration seit den Protesten gegen die schwarz-blaue Pensionsreform 2003. 100.000 Menschen gingen – mobilisiert vom ÖGB (Österreichischer Gewerkschaftsbund) – auf die Straßen in Wien und marschierten gegen die Anhebung der Höchstarbeitszeit, den Zwölfstundentag, an. ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian (61) forderte die Regierung auf, das Volk dazu zu befragen. Von Produk­tionsgewerkschaft über die „Sozialen Schwarzen“ bis zur SPÖ inklusive Parteichef Christian Kern (52) war es eine machtvolle Demo. Die Rede war von Freizeit­verlust, gesundheitsgefährdenden Arbeitsumständen, und teils wurde dem sogar Arbeitszeitverkürzung entgegengehalten.
 
Aus Neu mach Alt. Dass der Entwurf der Regierung zum Zwölfstundentag einzig in den „Reißwolf“ gehöre, damit hat auch die neue Vorsitzende der größten Teilgewerkschaft des Gewerkschaftsbundes, der „Privatangestelltengewerkschaft Druck, Journalisten, Papier“ (GPA-djp), Barbara Teiber (40), auf sich aufmerksam gemacht. Der Talk über alte und neue Arbeitszeitrealitäten.

Frau Teiber, kaum zur neuen Vorsitzenden der GPA-djp gewählt, haben Sie sich sofort in die mediale Schlacht geworfen. Warum gleich mit vollem Karacho?
Barbara Teiber: Wir haben es mit einem Gesetz zu tun, das nicht nur überfallsartig und ohne entsprechende Begutachtung eingebracht worden ist, sondern inhaltlich ein Frontalangriff auf die Rechte der Arbeitnehmer ist. Es geht um 12 Stunden Arbeit am Tag, 60 Stunden in der Woche und das wochenlang! Es geht um Zuschläge, die wegfallen werden und damit am Ende des Tages um weniger Einkommen. Sie können mir glauben, dass ich mir so meinen Start nicht vorgestellt habe, aber jetzt gilt es, die Rechte der arbeitenden Menschen mit allen Mitteln zu verteidigen.

Was wird Ihr zukünftiger Stil sein?
Teiber: Grundsätzlich bin ich ein dialogfreudiger Mensch. Für mich heißt Sozialpartnerschaft, den sozialen Frieden zu wahren und, wenn notwendig, vernünftige Kompromisse zu schließen. Wenn uns aber so wie jetzt die Sozialpartnerschaft aufgekündigt und mit uns nicht gesprochen wird, dann sind wir auch bereit zur Konfrontation. Wenn es darum geht, diejenigen zu vertreten, die jeden Tag früh aufstehen und zur Arbeit fahren, die den Wohlstand in diesem Land schaffen, dann werden Sie von mir keine falsche Zurückhaltung erleben.
 
Sie waren Frauensekretärin, Leiterin der Bundesfrauenabteilung und Mitglied der Bundesgeschäftsführung bei der GPA – ­liegen Ihnen die Problematiken von Frauen besonders am Herzen?
Teiber: In der GPA-djp standen Frauenthemen immer ganz vorne, und wir bemerken, dass wir in jüngster Zeit besonders von Frauen sehr viel Zuspruch erhalten und sich viele gewerkschaftlich organisieren. Der 12-Stunden-Arbeitstag hat besonders auch für Frauen negative Auswirkungen, weil es in unserer Gesellschaft immer noch so ist, dass etwa Betreuungspflichten und Hausarbeit großteils von Frauen geleistet werden. Mit einer Ausdehnung der Arbeitszeit wird es noch schwieriger, alles unter einen Hut zu bringen.
 
Was ändert sich durch die neue „Arbeitszeitzeitflexibilisierung“?
Teiber: Künftig sollen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf Abruf jederzeit 12 Stunden am Tag, 60 Stunden die Woche arbeiten können, und das mehrere Wochen hintereinander. Bei Gleitzeit können die Zuschläge wegfallen, und viermal im Jahr muss sogar am Wochenende gearbeitet werden, wenn es der Chef verlangt. Mit der oft beschworenen Freiwilligkeit ist es da nicht weit her. Jeder in der Privatwirtschaft weiß: Ich kann vielleicht zwei-, dreimal Nein sagen, dann bin ich den Job los.
 
Und die Sozialpartnerschaft?
Teiber: Wenn die Regierung nicht bereit ist, das Gespräch mit uns zu suchen, dann müssen wir uns überlegen, wie wir uns Gehör verschaffen können. Das bedeutet, die Konfliktkosten werden steigen.

Wer wird von dieser Regelung profitieren, und wer wird Verlierer sein?
Teiber: Profitieren werden einige wenige Industrielle, die dieses Gesetz bei der Regierung bestellt haben. Die großen Verlierer sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die für weniger Geld mehr arbeiten werden, etwa bei All-In-Verträgen, und deren Gesundheit attackiert wird. Alle Mediziner und etliche Studien sagen uns, dass das Unfallrisiko ab der 9. Stunde exponentiell zunimmt und die psychische Gesundheit unter vielen Überstunden leidet. Dazu passt dann ja auch, dass die Regierung die AUVA kaputtsparen möchte und Menschen im Krankenstand unter Generalverdacht stellt.
 
Was werden Ihre nächsten Schritte sein?
Teiber: Die gute Taktikerin verrät ihrem Gegenüber niemals den nächsten Zug. Klar ist aber, dass die Demo am 30. Juni nicht das Ende war, sondern vielmehr erst der Anfang.

Letzte Konsequenz: Streik. Was wäre das schlimmste Szenario, das einen solchen notwendig machen würde?
Teiber: In erster Linie streben wir eine Einigung an. Wir sagen: Zurück an den Start, in den Reißwolf mit diesem Entwurf. Für den Fall des Falles haben wir aber eines bewiesen: In nur zwei Wochen Zeit mobilisieren wir 100.000 Menschen auf den Heldenplatz. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wollen dieses Gesetz nicht.

Fakten zum 12-Stunden-Tag
Was aktuell nur in Ausnahmefällen erlaubt ist, nämlich die Arbeitszeit pro Tag auf zwölf Stunden und die Arbeitszeit pro Woche auf 60 Stunden anzuheben, soll mit dem neuen „Arbeitszeitgesetz“ für Arbeitnehmer Wirklichkeit werden. Zudem soll der Personenkreis des Gesetzes erweitert werden, auch sollen viermal im Jahr Ausnahmen von der Wochenend- bzw. Feiertagsruhe möglich sein. Weitere Punkte:
 
„Freiwillige“ Mehrarbeit?
Arbeitnehmer sollen künftig Überstunden „aus überwiegenden persönlichen Interessen“ ablehnen können, wenn eine Tagesarbeitszeit von 10 bzw. eine Wochenarbeitszeit von 50 Stunden überschritten wird. Die echte Freiwilligkeit ist hier für den Arbeitnehmer nicht gegeben, da dies nur in Abstimmung mit dem Arbeitgeber funktioniert.
 
Branchenspezifisch
Vor allem im Tourismus soll die Ruhezeit im „geteilten Dienst“ von elf auf acht Stunden gesenkt werden. In puncto „Zeitausgleich“ könnte der Branche der mangelnde Mitarbeiternachschub zum Verhängnis werden.
 
Flexibilisierung …
… hat für Firmen Vorteile, da Beschäftigte damit auch produktiver eingesetzt werden können. Kritisiert wird, dass das Gesetz jedoch ohne Sozialpartner von der Regierung ausgearbeitet wurde. Die Folgen für Beschäftigte seien fraglich.

Gleitzeit bleibt Gleitzeit?
Der maximale Rahmen dafür wird von zehn auf zwölf Stunden angehoben. Achtung: Es gilt echte Freiwilligkeit für den Arbeitnehmer. Was der Arbeitgeber hier sparen kann, sind die Zuschläge für Mehrarbeit.
 
Überstundenzuschläge
Überstunden bleiben zuschlagspflichtig. Die künftige Frage wird sein: Welche Stunden werden Überstunden sein, denn hier kann es durch die Neuregelung zu Verschiebungen kommen. 
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