Plötzlich Funkstille

Was tun, wenn man geghostet wird

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Beziehungen und Bekanntschaften müssen nicht immer halten – aber was, wenn eigentlich alles gut scheint, ein Kontaktabbruch völlig überraschend kommt und selbst auf Nachfrage nicht erklärt wird?

Die Geister gehen um, auch weit nach Halloween. Es geht um Bekanntschaften, zu denen man scheinbar einen guten Draht hatte, die eventuell Beziehungspotenzial ausgestrahlt hatten und mit denen man vielleicht gerade eben noch nette Nachrichten ausgetauscht hat – und die plötzlich wortlos verschwinden. Dieses mittlerweile sehr bekannte und weitverbreitete Phänomen heißt ­„Ghosting“ und machte sich im digitalen Zeitalter von WhatsApp, Facebook, Instagram und Tinder seinen Namen. Eine Nachricht wegzuklicken oder eine Nummer zu blockieren, ist schließlich einfacher, als einen Menschen in einer Face-to-Face-Situation zu ignorieren.  


Digitalisierung als Ermöglicher. Die deutsche Journalistin Tina Soliman stuft dieses Kommunikationsverhalten als mittlerweile typisch für unsere Zeit ein. Sie beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema, für ihr im September erschienenes Buch „Ghosting – Vom spurlosen Verschwinden des Menschen im digitalen Zeitalter“ hat sie mit Hunderten Ghosts und Geghosteten gesprochen. Sie sagt: „Ghosting ist geradezu epidemisch geworden. Für viele Menschen ist es das einfachste Tool, sich aus Beziehungen zu ziehen, die sie nicht mehr weiterbringen.“ Plötzliche Kontaktabbrüche gab es zwar schon vor SMS und WhatsApp-Calls, doch durch die digitale Kommunikation seien sie häufiger geworden. 2015 wurde der Begriff „Ghosting“ sogar ins Collins Dictionary, eines der wichtigsten englischen Wörterbücher, aufgenommen. Besonders im Online-Dating ist das Phänomen bekannt: Die Auswahl an potenziellen Partnern und Partnerinnen ist dort so groß, dass viele sich bei schwindendem Interesse nicht mehr die Mühe eines echten Abschieds machen und stattdessen direkt weiterziehen. Doch auch Freundschaften, feste Beziehungen und auch Bewerbungsprozesse werden mittlerweile durch Ghosting beendet.
Die Verlassenen leiden oft stark unter dieser Form des Kontaktabbruchs, wie Soliman erklärt: „Viele verstehen einfach nicht, warum der andere nicht mehr reagiert. Für sie kommt das aus dem Nichts.“

Wie agieren? In einer Studie der Online-Partnervermittlung „Elite-Partner“ gaben 36 Prozent der Frauen und 19 Prozent der Männer an, schon mal beim Daten oder Kennenlernen den Kontakt zu jemandem einfach abgebrochen zu haben. Die Gründe dafür sind ganz unterschiedlich: keine Lust auf die Konfrontation, Angst davor, den anderen Menschen zu enttäuschen oder einfach das Gefühl, dem Date von letzter Woche keine Erklärung schuldig zu sein. Ganz egal, aus welchem Grund – unfair ist Ghosting immer. Wie man als Ghosting-Opfer agieren sollte, erklärt Psychologin Martina Rammer-Gmeiner (der Talk siehe Kasten): „Reagieren Sie in weiterer Folge so, wie es Ihnen und Ihrem Naturell am ehesten entspricht. Wenn Sie keine Konfrontation wollen, dann lassen Sie denjenigen ziehen, wenn es in Ihnen jedoch gärt, schreiben Sie eine kurze Nachricht in der sie Ihren Ärger loswerden, aber klarstellen, dass Sie so ein Verhalten wahnsinnig unattraktiv und schwach finden.“


Aus der Affäre gezogen. Mittlerweile macht auch der Begriff „Soft Ghosting“ die Runde. Das ist – wie der Name schon vermuten lässt – eine etwas abgeschwächte, aber nicht minder feige Verhaltensweise von Personen, die die Karten einfach nicht auf den Tisch legen wollen. Bei der neuen Version des Ghostings gibt es zwar noch eine letzte Reaktion vom Gegenüber, allerdings läuft es letzten Endes auch auf einen Kontaktabbruch hinaus. Konkret sieht das etwa so aus: Bei einer Konversation wird auf die letzte Nachricht vom Gegenüber nur so minimal reagiert, dass sich keine weitere Kommunikation daraus ergibt. Wenn also zum Beispiel der Datingpartner oder die Datingpartnerin die gesendete Nachricht mit „Gefällt mir“ markiert oder ein Daumen hoch zurücksendet, wissen Sie, dass hier wohl kein weiterer ernst zu nehmender Kontakt zustande kommen wird.

Psychologin Martina Rammer-Gmeiner im Talk

Was tun, wenn man geghostet wird
© oe24

Martina Rammer-Gmeiner ist klinische- und Gesundheitspsychologin, spezialisiert auf Beziehungen, Patchwork-Familien und Kinder in Trennungssituationen. martinarammer-gmeiner.at

Wie erkenne ich, dass ich geghostet werde?
Martina Rammer-Gmeiner:
Der andere tut, als würde es Sie nicht geben oder besser gesagt, als würde er selbst nicht existieren. Es ist die Verleugnung dessen, was zwischen Ihnen war. Wenn Sie Erklärungen wie „Vielleicht ist ihm etwas zugestoßen“, oder „Vielleicht hat er sein Handy verloren“ oder Ähnliches für ihn parat haben, weil er sich nicht und nicht meldet, dann werden Sie geghostet. Der Realität ins Auge blicken ist angesagt: Er hat kein Interesse an mir.


Wie sollte ich damit umgehen?
Rammer:
Der erste Schritt ist auf jeden Fall die Erkenntnis, dass der andere nichts mehr mit mir zu tun haben will, ich ihn nicht interessiere, er keinen Kontakt zu mir will. Reagieren Sie in weiterer Folge so, wie es Ihnen und Ihrem Naturell am ehesten entspricht. Wenn Sie keine Konfrontation wollen, dann lassen Sie denjenigen ziehen, wenn es in Ihnen jedoch gärt, schreiben Sie eine kurze Nachricht, in der Sie ihren Ärger loswerden, aber klarstellen, dass Sie so ein Verhalten wahnsinnig unattraktiv und schwach finden. Ein Mann, der nicht Position beziehen kann, interessiert Sie nicht.


Warum ist es so belastend, nicht zu wissen, warum sich die andere Person nicht meldet?
Rammer:
Unsere Fantasie ist der schlimmste Feind. Alles, was wir uns zusammenspinnen, Erklärungen, die wir basteln, Ängste, die uns einholen – all das ist schwer zu verdauen, weil wir es nicht in eine Kiste packen und somit überschaubar halten können. Diese Ungewissheit ist wie ein Sack Murmeln, der ausgeleert wird, sie rollen in alle Richtungen und wir verlieren den Überblick und die Kontrolle. Gewissheit kann verletzend sein, aber die Tatsachen liegen am Tisch und die Fantasie ist ruhiggestellt.

Hat die Digitalisierung Schuld an diesen Phänomenen?
Rammer
: Schuld haben niemals Phänomene, sondern immer nur Personen. Die Digitalisierung erleichtert dieses schlechte Benehmen nur.

Wie kann ich besser agieren, wenn ich an einer Person das Interesse verliere, anstatt sie zu ghosten?
Rammer:
Mut, Klarheit, sich dem anderen zutrauen, auch wenn es unangenehm wird – das wäre die Devise, um erwachsen und reflektiert Beziehungen zu beenden. Je nach Länge und Intensität der „Beziehung“ braucht es eine gewisse Zeit für eine Aufarbeitung. Wenn ich nach einem Date jemanden nicht mehr sehen will, reichen klärende Worte wie: „Es hat sich bei mir kein Gefühl eingestellt, das tiefer geht, ich habe kein Interesse mehr dich zu sehen.“ Wenn der andere daraufhin stundenlange Gespräche führen will, muss ich mich nicht zur Verfügung stellen. Ich habe klar gesagt, was ich nicht will, das muss bei einem Date reichen.

Bei längeren Beziehungen braucht es da natürlich mehr. Wann kann ich überhaupt klar sagen, dass mich eine Person nicht mehr interessiert – vielleicht ist es ja nur eine Lebensphase?
Rammer
: Da geht es natürlich darum, wie steht der andere zu mir. Nach einem Date kann ich sehr schnell sagen, ob mich mein Gegenüber interessiert oder nicht. Will ich denjenigen wiedersehen oder nicht. Wenn er mich nicht interessiert, muss ich mich nicht fragen, ob es eine Lebensphase ist. Keep it simple, ist da die Devise. Man datet einander, findet sich gut und sieht sich wieder. Man findet sich nicht gut, dann will man sich nicht wieder treffen. Innerhalb von Beziehungen gibt es wohl immer wieder Phasen, wo man einander näher oder ferner ist. Da geht es ja nicht um Interesse, sondern um Liebe, um ein Leben zu zweit, das man sich eingerichtet hat. Man steuert gemeinsam in eine Richtung. Merke ich aber, dass eine Kurskorrektur stattgefunden hat und ich, mein Partner oder wir beide den Kurs geändert haben und das gemeinsam vereinbarte Ziel „Norden“ nicht mehr angesteuert wird, sondern einer rudert Richtung „Osten“ und der andere nach „Westen“, dann braucht es natürlich die ehrliche Auseinandersetzung – trennt uns mehr, als uns eint, oder umgekehrt?

Das sagen unsere Leserinnen

Community-Talks:  Wir baten online um Ihre persönlichen Erlebnisse und Geschichten, links finden Sie nun eine kleine Auswahl der eingesendeten Beiträge. Und die sind nur wenig erhellend …

"Wenn der Mann mit dem man eigentlich schon die gemeinsame Zukunft geplant hat, von einem Tag auf den anderen verschwindet, bricht eine Welt zusammen. Wir haben vier Monate lang gedatet, eines Tages komme ich ins gemeinsame Zuhause und die Schlösser sind ausgewechselt. Wie soll man nach so einer Aktion jemals wieder Vertrauen finden?"

 "Es ging zwar ein wenig schnell, aber ich war überglücklich. Wir trafen uns für rund fünf Wochen, schrieben mehrmals täglich und sahen uns so oft es ging. Er kündete von Beginn an an, dass er wahrscheinlich bald wieder nach England auf Montage müsse. Dann hieß es aber plötzlich, nein, doch nicht, und ich war erleichtert. Kurz darauf kam dann plötzlich nichts mehr von ihm, obwohl wir bei unserem Treffen wenige Tage zuvor noch davon gesprochen hatten, die Familien des anderen kennenzulernen."

"Es tut weh, weil man keine Ahnung hat, warum. Man sucht den Fehler bei sich, Aussehen … was falsches gesagt … geschrieben … Noch schlimmer, wenn derjenige noch sagt, dass so was nicht sein muss, man ja schließlich alt genug ist, um die Wahrheit zu sagen! Dachte noch am Anfang, dass etwas passiert ist. Ärgere mich jetzt, so jemanden in mein Leben gelassen zu haben, Gott sei Dank nur für kurze Zeit."

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